Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.10.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 82/02
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 27 Abs. 1 Nr. 2
WEG § 28
BGB § 222 a. F.
Der Verwalter macht sich schadensersatzpflichtig, wenn er die Wohnungseigentümer nicht auf den drohenden Ablauf von Gewährleistungsfristen hinweist, um eine Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung über das weitere Vorgehen herbeizuführen.
Gründe:

I.

Die Antragsteller sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der Streithelferin als Bauträgerin errichtet und von der Antragsgegnerin verwaltet wurde.

Das Gemeinschaftseigentum wurde am 27.3.1986 abgenommen. Ein Sachverständiger erstellte am 27.7.1990 ein Gutachten, aufgrund dessen den Antragstellern ein Mängelbeseitigungsanspruch wegen Baumängeln an den Balkonen zusteht. Mit Schreiben vom 27.6.1991 erkannte die Streithelferin die Mängel zum Teil an und beseitigte sie; im übrigen wies sie die Beanstandungen zurück. Die Wohnungseigentümer erhielten von dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens erst nach dem 27.3.1991 Kenntnis.

Die Antragsteller sind der Auffassung, dass die Antragsgegnerin wegen positiver Verletzung des Verwaltervertrags zum Schadensersatz verpflichtet sei, weil sie es versäumt habe, vor Ablauf der Verjährungsfrist der Gewährleistungsansprüche eine Entscheidung der Wohnungseigentümer darüber herbeizuführen, ob und welche Maßnahmen gegen die Streithelferin zu ergreifen sind. Abgesehen davon sei die Antragsgegnerin zum Schadensersatz auch deshalb verpflichtet, weil deren Geschäftsführer S. unter anderem in der Eigentümerversammlung vom 20.7.1994 "unter dem Vorbehalt einer Abklärung, inwieweit Folgeschäden durch die Antragsgegnerin verursacht worden sind", anerkannt habe, dass die Antragsgegnerin die Kosten für sämtliche Mängel an den Balkonen und für die Folgeschäden zu übernehmen habe.

Die Antragsteller haben beantragt, die Antragsgegnerin zur Zahlung von 429773 DM nebst Zinsen zu verpflichten und festzustellen, dass die Antragsgegnerin sämtlichen weiteren Schaden zu ersetzen habe, der aufgrund der Pflichtverletzung der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der notwendigen Sanierung der Balkone entstanden ist und noch entstehen wird. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 8.11.2001 die Antragsgegnerin verpflichtet, an die Antragsteller 70000 DM nebst Zinsen zu bezahlen. Im übrigen hat es den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat am 15.7.2002 einen Grundbeschluss erlassen; danach ist der Schadensersatzanspruch der Antragsteller dem Grunde nach gerechtfertigt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

II.

Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragsgegnerin sei dem Grunde nach verpflichtet, den Antragstellern wegen schuldhafter Verletzung des Verwaltervertrages Schadensersatz zu leisten.

Die Balkone wiesen erhebliche, im einzelnen näher bezeichnete Baumängel auf. Die Verjährungsfrist der Gewährleistungsansprüche habe fünf Jahre betragen und sei am 27.3.1991 abgelaufen. Die Antragsgegnerin habe es unterlassen, die Antragsteller rechtzeitig auf die Baumängel und die drohende Verjährung hinzuweisen und eine Entscheidung über das weitere Vorgehen herbeizuführen.

Durch das Schreiben der Streithelferin vom 27.6.1991 sei die Verjährung nicht unterbrochen worden, weil dieses Schreiben erst nach Ablauf der Verjährungsfrist abgefasst worden sei. Das Schreiben enthalte auch keinen Verzicht auf die Einrede der Verjährung. Ausdrücklich sei ein solcher nicht erklärt; ein konkludenter Verzicht liege schon deshalb nicht vor, weil nicht ersichtlich sei, dass sich die Streithelferin über den Eintritt der Verjährung im klaren gewesen sei.

Die Wohnungseigentümer hätten zwar der Antragsgegnerin in der Eigentümerversammlung vom 27.6.1991 und 25.6.1992 Entlastung erteilt. Die Antragsteller hätten damals aber nicht gewusst, dass die Gewährleistungsfrist bereits abgelaufen gewesen sei und die Verwalterin nichts dagegen unternommen habe, um die Verjährung zu unterbrechen. Die Entlastung erfasse deshalb keinen Verzicht der Wohnungseigentümer auf Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit den Mängeln an den Balkonen. Abgesehen davon sei die Entlastung jeweils unmittelbar nach dem Eigentümerbeschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung erteilt worden und habe sich deshalb nur auf diese bezogen.

Auf die Frage, ob die Antragsgegnerin, wie vom Amtsgericht angenommen, jedenfalls für einen Teil der angefallenen Sanierungskosten aufgrund eines Schuldversprechens von S. einzustehen habe, komme es somit nicht an.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Der Anspruch auf Schadensersatz ist unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung des Verwaltervertrags dem Grunde nach begründet.

a) Der Verwalter ist verpflichtet, die für die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen (§ 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG). Zur Instandsetzung gehört auch die Behebung von Baumängeln. Weil es aber in erster Linie Sache der Wohnungseigentümer selbst ist, für die Behebung der Baumängel zu sorgen (§ 21 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 2 WEG), beschränkt sich die Verpflichtung des Verwalters grundsätzlich darauf, Baumängel festzustellen, die Wohnungseigentümer darüber zu unterrichten und eine Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung über das weitere Vorgehen herbeizuführen. Verletzt der Verwalter diese Verpflichtung schuldhaft und hat dies zur Folge, dass Gewährleistungsansprüche der Wohnungseigentümer nicht mehr durchgesetzt werden können, haftet der Verwalter für den dadurch den Wohnungseigentümern entstandenen Schaden aus positiver Vertragsverletzung des Verwaltervertrags (BayObLG WE 1991, 22; NJW-RR 2001, 731).

b) Die Voraussetzungen einer solchen Haftung sind hier erfüllt.

Nach den für das Rechtsbeschwerdeverfahren bindenden Feststellungen des Landgerichts (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 Abs. 1 ZPO n. F.) liegen Baumängel vor, die die Antragsgegnerin vor Ablauf der Verjährungsfrist des Mängelbeseitigungsanspruchs nach § 633 BGB a.F. kannte. Aus den zutreffenden Gründen im angefochtenen Beschluss hat die Antragsgegnerin gegen die oben bezeichnete Pflicht verstoßen.

c) Die im Rechtsbeschwerdeverfahren gegen den Beschluss des Landgerichts erhobenen Einwendungen der Antragsgegnerin haben keinen Erfolg.

(1) Die Antragsgegnerin hat den Zeugen S. zum Beweis für dessen wiederholte Erklärung gegenüber den Antragstellern angeboten, die Antragsgegnerin stehe für die Kosten gerade, die eine Sanierung nach dem Gutachten G. koste, wenn die Antragsgegnerin etwas falsch gemacht habe und die Streithelferin deshalb zu Recht die Einrede der Verjährung erheben könne.

Diese Behauptung ist, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, im Hinblick auf die hier bejahte Anspruchsgrundlage nicht entscheidungserheblich; einer Vernehmung des zeugen bedurfte es deshalb nicht.

(2) Die Antragsgegnerin behauptet, dass die Streithelferin bislang die Einrede der Verjährung nicht erhoben habe und es deshalb an einem Schaden der Antragsteller fehle. Die Behauptung trifft nicht zu; im Schriftsatz vom 24.3.1995 an das Amtsgericht im vorliegenden Verfahren hat die Streithelferin eindeutig erklärt, dass ihrer Meinung nach Verjährung eingetreten ist und dass sie sich den Antragstellern gegenüber auf Verjährung berufen hat.

(3) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das Schreiben der Streithelferin vom 27.6.1991 keinen Verzicht auf die Einrede der Verjährung enthält. Ausdrücklich wird ein solcher Verzicht nicht erklärt. Es liegt aber auch kein konkludenter Verzicht vor. Ein Verzichtswille setzt nämlich voraus, dass der Verzichtende sich dessen bewusst ist oder jedenfalls mit der Möglichkeit rechnet, Verjährung sei eingetreten (BGH NJW 1997, 516/518; OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 836). Das konnte im vorliegenden Verfahren nicht festgestellt werden.

Allein daraus, dass die Streithelferin einen Teil der Mängel anerkannt und beseitigt hat, kann nicht gefolgert werden, sie habe konkludent darauf verzichtet, gegenüber den weiteren Ansprüchen der Antragsteller die Einrede der Verjährung zu erheben (BGH VersR 1967, 1092/1094).

(4) Die Haftung der Antragsgegnerin scheitert auch nicht daran, dass ihr in den Eigentümerversammlungen vom 27.6.1991 und 25.6.1992 jeweils im Anschluss an die Erläuterung der Jahresabrechnung Entlastung erteilt worden ist. Wird dem Verwalter im Zusammenhang mit der Erläuterung und Genehmigung der Abrechnung Entlastung erteilt, so beschränkt sich die Entlastung auf das Verwalterhandeln, das in der Abrechnung seinen Niederschlag gefunden hat (BayObLG NJW-RR 2001, 731 f. m. w. N.). Abgesehen davon könnte die Entlastung, auch wenn sie unbeschränkt erteilt worden sein sollte, nur solche Vorgänge erfassen, die bei der Beschlussfassung über die Entlastung bekannt oder bei zumutbarer Sorgfalt erkennbar waren; abzustellen ist dabei auf den Kenntnisstand aller Wohnungseigentümer (BayObLG aaO). Das Landgericht hat insoweit rechtsfehlerfrei und damit für den Senat bindend festgestellt, dass die Wohnungseigentümer damals keine Kenntnis vom Verjährungseintritt hatten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf S 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

Zurück