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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.03.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 84/01
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 8
WEG § 16 Abs. 2
BGB § 812
Hat ein Grundstückseigentümer an seinem Grundstück Wohnungseigentum durch einseitige Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt begründet, so gilt für jeden Käufer die zum Inhalt des Sondereigentums erklärte Gemeinschaftsordnung, auch ohne dass diese ausdrücklich zum Inhalt des Kaufvertrags gemacht werden muss.
Gründe:

I.

Die Antragsteller begründeten mit notarieller Urkunde vom 21.9.1989 gemäß § 8 WEG an einem auf ihrem Grundstück zu errichtenden Zweifamilienhaus Wohnungseigentum und veräußerten mit weiterer Urkunde vom selben Tag die Dachgeschosswohnung nebst Nebenräumen an die Antragsgegnerin. Die Antragsteller sind Eigentümer der Erdgeschosswohnung nebst Nebenräumen, die Antragsgegnerin ist Eigentümerin der Dachgeschosswohnung mit einem Miteigentumsanteil von 399,113/1.000.

Die einen Bestandteil der Teilungserklärung bildende Gemeinschaftsordnung (GO) enthält in § 6 unter der Überschrift "Lasten und Kosten" folgende Regelungen:

1. Die Sondereigentümer sind verpflichtet, alle Unkosten aufzubringen, die für das Gesamtobjekt anfallen.

Hierzu gehören insbesondere:

a) die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums einschließlich der Reinigungskosten sowie die Unterhaltung des Gartens, soweit nicht hieran ein Sondernutzungsrecht besteht,

b) die öffentlichen Abgaben und Lasten,

c) die Kosten für den Wasserverbrauch,

d) die Kanalgebühren,

e) die Müllabfuhrgebühren,

f) die Kaminkehrergebühren,

g) die Versicherungsprämien,

h) die Kosten für die Instandhaltung der Außenseiten etwaiger Balkone und aller Fenster.

2. Den einzelnen Sondereigentümern obliegen die Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung des Sondereigentums, insbesondere der nichttragenden Innenwände, der Innenseiten der Fenster, der Fußbodenbeläge, des Wand- und Deckenverputzes innerhalb des Sondereigentums, der Rolläden, der Estriche und der Innenseiten etwaiger Balkone, des Ersatzes zerstörter oder beschädigter Fenster von Sondereigentumsräumen.

3. Die gemeinschaftlichen Unkosten haben, soweit sich aus folgendem nichts anderes ergibt, die Sondereigentümer grundsätzlich im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen. Dies gilt nicht, falls laufende Kosten durch Meßeinrichtungen oder sonst wie einwandfrei getrennt festgestellt werden können; in diesem Fall trägt jeder Eigentümer die bei seinem Sondereigentum und Sondernutzungsrecht anfallenden Kosten allein.

4. Die Beheizung und Warmwasserversorgung der einzelnen Einheiten erfolgt durch Zentralheizung für das gesamte Haus.

Die hierdurch entstehenden Kosten haben die Sondereigentümer im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen, soweit nicht der Verbrauch der einzelnen Wohnungseigentümer durch Meßeinrichtungen festgestellt werden kann. Ist dies der Fall, so trägt jeder Sondereigentümer die durch seinen Verbrauch anfallenden Kosten.

In § 7 GO heißt es: "Ein Verwalter soll vorerst nicht bestellt werden." Bisher ist ein Verwalter nicht bestellt worden.

Die Antragsteller verauslagen jeweils die gesamten Kosten für Heizung und Warmwasserbereitung, für Wasser und Abwasser, für Abfallbeseitigung und für die Gebäudebrandversicherung und verlangen von Zeit zu Zeit von der Antragsgegnerin den auf diese entfallenden Teil dieser Kosten.

Im vorliegenden Verfahren verlangen sie Zahlung der Heiz- und Warmwasserkosten gemäß Abrechnungen der Firma Ista für die Zeit vom 1.4.1995 bis 31.3.1997, den Anteil der Antragsgegnerin an den Wasserkosten und Kanalgebühren für das Jahr 1996, an den Abfallgebühren für die Jahre 1996 und 1997 und an den Brandversicherungsbeiträgen für 1995, 1996 und 1997.

Nach Ermäßigung des Antrags um 206,52 DM wegen einer Doppelbelastung mit einem Rechnungsposten haben die Antragsteller beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegnerin zur Zahlung von 1607,25 DM zu verpflichten.

Mit Beschluss vom 19.10.2000 hat das Amtsgericht die Antragsgegnerin zur Zahlung in dieser Höhe verpflichtet.

Auf sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 12.4.2001 die Zahlungsverpflichtung auf 1510,23 DM ermäßigt und die Beschwerde im übrigen zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie die volle Antragsabweisung erstrebt. Sie beruft sich weiterhin darauf, dass sie an die Regelungen der Gemeinschaftsordnung nicht gebunden sei, weil sie bei der Beurkundung der Teilungserklärung nicht anwesend gewesen sei.

II.

Das zulässige Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Zwar würden die Lasten- und Kostenbeiträge grundsätzlich vom Verwalter beigetrieben, doch sei hier kein Verwalter bestellt, so dass die Wohngeldrückstände auch von einem einzelnen Wohnungseigentümer geltend gemacht werden könnten, zumal in der vorliegenden Zweiergemeinschaft ein Beschluss zur Ermächtigung eines der beiden Wohnungseigentümer, die rückständigen Beiträge beizutreiben, nicht herbeigeführt werden könne. Der Erstattungsanspruch der Antragsteller ergebe sich im übrigen auch aus den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag und auch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Auf Grund der vorgelegten beglaubigten Rechnungen und der Zahlungsbelege bestünden keine Zweifel, dass die geltend gemachten Kosten tatsächlich angefallen und von den Antragstellern beglichen worden seien.

Ob die Antragsgegnerin bei der Beurkundung der Teilungserklärung anwesend gewesen sei, könne dahingestellt bleiben; denn selbst bei der Annahme, dass der vereinbarte Verteilungsschlüssel nicht wirksam in den Kaufvertrag der Antragsgegnerin einbezogen worden sei, würde die gesetzliche Verteilungsregel von § 16 Abs. 2 WEG eingreifen. Bei deren Anwendung ergäbe sich für die Antragsgegnerin bei den Heiz- und Warmwasserkosten ein höherer Anteil als von den Antragstellern verlangt; lediglich beim Anteil der Kaltwasserkosten und der Kanalgebühren ergäbe der gesetzliche Verteilungsschlüssel eine geringere Belastung der Antragsgegnerin; nach Verbrauch könne hier nicht abgerechnet werden, da die Antragsteller mangels einer überprüf- und beweisbaren Zählerablesung den Verbrauch der Antragsgegnerin nicht beweisen könnten. Bei den übrigen Positionen (Müllgebühren und Brandversicherung) sei die Abrechnung der Antragsteller richtig. Nicht richtig sei die Ansicht der Antragsgegnerin, das Wohngeld sei noch nicht fällig, weil die Antragsteller keine Originalbelege vorgelegt hätten und die Abrechnung nicht nachvollziehbar sei.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Im vorliegenden Fall haben die Antragsteller als damalige Alleineigentümer des zu bebauenden Grundstücks Wohnungseigentum am zu errichtenden Gebäude nach § 8 WEG begründet. Dies geschieht nach § 8 Abs. 1 WEG durch eine einseitige Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt, die der Form des § 29 GBO genügen muss. Es war also weder eine Beurkundung noch eine Anwesenheit der Antragsgegnerin erforderlich. Eine öffentlich beglaubigte Erklärung der Antragsteller hätte genügt. Im Rahmen der Teilungserklärung kann der teilende Eigentümer nach § 8 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 4 WEG auch Bestimmungen über den Inhalt des Sondereigentums treffen, die im Verhältnis der späteren Wohnungseigentümer untereinander einer Vereinbarung gleichstehen (vgl. Demharter GBO 24. Aufl. Anh. zu § 3 Rn. 18 und 25). Zum Inhalt des Sondereigentums gehören hier auch die Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung, die mit der Eintragung des Wohnungseigentums im Grundbuch (§ 8 Abs. 2 Satz 2, WEG) für alle Wohnungseigentümer wirksam wurden, ohne dass es auf die konkrete Kenntnis davon oder auf die Einbeziehung der Teilungserklärung in den Kaufvertrag ankommt. Dem gemäß ist auch die Antragsgegnerin an die Regelungen der Gemeinschaftsordnung gebunden.

b) Grundsätzlich setzt ein Anspruch auf Wohngeld gegen einen Wohnungseigentümer einen Eigentümerbeschluss über den Gesamtund Einzelwirtschaftsplan oder über die Gesamt- und Einzeljahresabrechnung voraus. Der einzelne Wohnungseigentümer kann einen solchen Anspruch nur geltend machen, wenn er durch einen Eigentümerbeschluss dazu ermächtigt wurde. In der Regel werden die Wohngeldansprüche vom Verwalter eingefordert und geltend gemacht (§ 27 Abs. 2 Nr. 1 und 5 WEG).

Im vorliegenden Fall gilt aber, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, etwas anderes. Da weder ein Verwalter bestellt ist noch in der zerstrittenen Zweiergemeinschaft Mehrheitsbeschlüsse möglich sind - es gilt das gesetzliche Kopfprinzip des § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG -, kann eine Begleichung der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten nur in der Weise durchgeführt werden, dass ein Wohnungseigentümer in Vorlage tritt und anschließend vom anderen Wohnungseigentümer Erstattung des auf diesen entfallenden Anteils verlangt (BayObLG WuM 2002, 41). Der Erstattungsanspruch ergibt sich auf jeden Fall aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil durch die Zahlung des einen Wohnungseigentümers die gesamtschuldnerische Haftung des anderen (vgl. Niedenführ/Schulze WEG 5. Aufl. § 16 Rn. 1) gegenüber dem außenstehenden Gläubiger erlischt. Zur Geltendmachung dieses Anspruchs bedarf es auch nicht eines Ermächtigungsbeschlusses der Wohnungseigentümer, der im vorliegenden Fall wegen des gleichen Stimmrechts von Antragstellern und Antragsgegnerin nicht zustande kommen wird.

c) Der Antragsgegnerin steht gegen den Anspruch der Antragsteller auch kein Zurückbehaltungsrecht zu. Worauf sich ein solches stützen könnte, ist nicht erkennbar. Spätestens seit der Entscheidung des Landgerichts ist die Abrechnung der Antragsteller sachlich richtig und nachvollziehbar. Welche Fehler sie zu Ungunsten der Antragsgegnerin noch enthalten soll, wird von der Rechtsbeschwerde nicht näher dargelegt. Auf den konkreten Verbrauch an Kaltwasser durch die Antragsgegnerin kommt es bei der Abrechnung durch das Landgericht nicht an, weil das Landgericht diese Kosten und die Kanalgebühren nach Miteigentumsanteilen aufgeteilt hat. Das entspricht § 6 Abs. 3 GO, weil der individuelle Verbrauch durch die Antragsgegnerin für das betreffende Abrechnungsjahr nicht einwandfrei festgestellt werden konnte, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat.

3. Nach § 47 WEG ist es angemessen, der unterlegenen Antragsgegnerin sowohl die gerichtlichen als auch die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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