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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 09.10.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 87/00
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 22 Abs. 1
WEG § 14 Nr. 1
WEG § 15 Abs. 2
BGB § 242
BGB § 1004 Abs. 1
1. Die Feststellung, ob die von einem Wohnungseigentümer angebrachte Balkonverglasung den optischen Gesamteindruck der Wohnanlage nachteilig verändert, liegt grundsätzlich auf tatrichterlichem Gebiet.

2. Zur Prüfung des Rechtsmißbrauchs, wenn von einem Wohnungseigentümer die Beseitigung einer ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer angebrachten Balkonverglasung verlangt wird.


BayObLG Beschluß

LG Traunstein 4 T 1342/99; AG Rosenheim, Zweigstelle Bad Aibling 22 UR II 14/98

2Z BR 87/00

09.10.00

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Demharter, Werdich und Dr. Delius

am 9. Oktober 2000

in der Wohnungseigentumssache

wegen Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 21. Juli 1999 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 10000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, die Antragsgegner und die weitere Beteiligte zu 1 sind die Wohnungseigentümer einer Anlage, die aus sechs Häusern mit insgesamt 64 Wohnungen besteht und von der weiteren Beteiligten zu 2 verwaltet wird. Der Antragsteller ließ im Herbst 1997 an dem Balkon seiner im 3. Obergeschoß gelegenen Wohnung Nr. 66 eine Verglasung anbringen, die aus fünf Fensterelementen in einem weißen Kunststoffrahmen besteht und wie eine Faltwand zusammengeschoben werden kann. Eine gleichartige Balkonverglasung ließ die weitere Beteiligte zu 1, die Lebensgefährtin des Antragstellers, an ihrer im 3. Obergeschoß eines anderen Hauses gelegenen Wohnung Nr. 12 anbringen. In der Eigentümerversammlung vom 16.7.1998 faßten die Wohnungseigentümer mit 26 Ja-Stimmen gegen sechs Nein-Stimmen bei 12 Enthaltungen folgenden Beschluß:

Die Balkonverglasung an folgenden Wohnungen muß entfernt werden:

Haus Nr. ... = Wohnung Nr. 12/3. OG rechts

Haus Nr. ... = Wohnung Nr. 66/3. OG rechts.

Der ursprüngliche Zustand muss wiederhergestellt erden!

Der Antragsteller hat beim Amtsgericht beantragt, diesen Eigentümerbeschluß für ungültig zu erklären. Die weitere Beteiligte zu 1 focht den Eigentümerbeschluß ebenfalls an. Die Antragsgegner haben den Gegenantrag gestellt, den Antragsteller zur Entfernung der am Balkon seiner Wohnung Nr. 66 angebrachten Balkonverglasung zu verpflichten. Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 15.3.1999 den Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses zurückgewiesen und den Antragsteller zur Entfernung der Balkonverglasung verpflichtet. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht am 21.7.1999 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg

Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Balkonverglasung habe als bauliche Veränderung nicht ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer vorgenommen werden dürfen. Der optische und ästhetische Eindruck der Hausfassade, an der sie angebracht sei, werde durch die Verglasung nicht unerheblich gestört. Die Kammer könne dies anhand der vorgelegten Lichtbilder ausreichend beurteilen; von einem Augenschein wäre ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten gewesen. Der optische Gesamteindruck dieser Seite des Hauses sei durch die streng symmetrische Gliederung der auf drei Stockwerken übereinander angebrachten Balkone gekennzeichnet, deren Äußeres samt den dazugehörenden Fenstern und Türen genau übereinstimme. Am Balkon des Antragstellers falle in der Draufsicht sofort eine Abweichung durch den fünfgliedrigen weißen Kunststoffrahmen auf, auch sei der Unterschied zur Anordnung der anderen Balkontüren und -fenster deutlich zu bemerken. In der Seitenansicht falle auf, dass die Balkonverglasung kastenförmig etwas über die Mauer hinausrage; auch hier sei die unterschiedliche Gliederung der Kunststoffrahmen gegenüber der Gliederung der anderen Balkonfenster und -türen deutlich zu erkennen.

Die Einwendungen des Antragstellers änderten an der rechtlichen Beurteilung nichts. Auf Erklärungen eines Angestellten der Gemeindeverwaltung komme es im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nicht an. Unerheblich sei, ob die Verwalterin die Balkonverglasung erlaubt habe. Nach § 22 Abs. 1 WEG komme es auf die Zustimmung aller durch die bauliche Veränderung beeinträchtigten Wohnungseigentümer an. Aus der vorgelegten Teilungserklärung ergebe sich nicht, dass hiervon abweichend nur die Verwalterin zustimmen müsse.

Auf eine Genehmigung ähnlicher Balkonverglasungen in anderen Wohnanlagen könne sich der Antragsteller ebensowenig berufen wie auf das Vorhandensein weiterer nicht genehmigter baulicher Veränderungen in der Wohnanlage der Beteiligten. Auch mit dem Hinweis auf einen Drohbrief könne der Antragsteller nicht eine Beibehaltung der Balkonverglasung durchsetzen.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Der angefochtene Eigentümerbeschluß entspricht einer ordnungsmäßigen Verwaltung im Sinn von § 21 Abs. 3, Abs. 4 WEG, denn die Wohnungseigentümer können gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3, § 14 Nr. 1 WEG die Beseitigung der vom Antragsteller angebrachten Balkonverglasung verlangen.

a) Die Verglasung des Balkons hat das Landgericht zutreffend als bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums im Sinn von § 22 Abs. 1 WEG angesehen, weil dadurch die äußere Gestalt des Gebäudes verändert wird. Dies würde auch gelten, wenn die Gemeinschaftsordnung die Balkone dem Sondereigentum zugeordnet hätte (vgl. BayObLG NJW 1995, 202/203), was jedoch, entgegen der Meinung des Antragstellers nicht zutrifft.

Als bauliche Veränderung der Außenansicht des Gebäudes bedarf die Anbringung einer Balkonverglasung grundsätzlich der Zustimmung aller Wohnungseigentümer. Diese ist nur dann entbehrlich, wenn die Wohnungseigentümer durch die Maßnahme keinen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehenden Nachteil erleiden (§ 22 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG). Ein solcher Nachteil kann insbesondere in einer nicht ganz unerheblichen Verschlechterung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage liegen (BayObLG NZM 1998, 980/981 und NZM 2000, 392, jeweils m.w.N. und st. Rspr.).

b).Die Frage, ob ein solcher Nachteil gegeben ist, liegt weitgehend auf dem Gebiet tatrichterlicher Würdigung, die vom Rechtsbeschwerdegericht nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur darauf überprüft werden kann, ob ihr Ergebnis auf einem Rechtsfehler beruht (BGHZ 116, 392/396; BayObLG aaO). Dies ist nicht der Fall. Das Landgericht hat anhand der vorgelegten Lichtbilder festgestellt, dass die vom Antragsteller angebrachte Balkonverglasung sowohl geschlossen als auch geöffnet zu einer Beeinträchtigung des optischen Erscheinungsbildes der Fassade des Gebäudes führt. Die vom Antragsteller im vorliegenden Verfahren und von der weiteren Beteiligten zu 1 in dem die Verglasung ihres Balkons betreffenden Parallelverfahren vorgelegten Lichtbilder boten eine ausreichende Grundlage für die Würdigung durch das Beschwerdegericht. Weiterer Ermittlungen, insbesondere des vom Antragsteller angeregten Augenscheins, bedurfte es nicht (BayObLG NZM 1998, 980/981). Der Antragsteller kann keinen Erfolg damit haben, dass er der tatsächlichen Würdigung des Landgerichts widerspricht und diese durch seine eigene Würdigung ersetzt wissen will (vgl. BayObLG WE 1997, 275/276 und ZMR 1999, 580/581).

c) Dem Beseitigungsverlangen der Antragsgegner kann der Antragsteller nicht entgegenhalten, dass auch andere Wohnungseigentümer ungenehmigte bauliche Veränderungen vorgenommen hätten. Eine "Aufrechnung" baulicher Veränderungen gegeneinander kommt nicht in Betracht. Soweit die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, steht es dem Antragsteller vielmehr frei, seinerseits Beseitigungsansprüche geltend zu machen (BayObLG WE 1998, 149/150; Bärmann/Merle WEG 8. Aufl. § 22 Rn. 238).

d) Dem Vorbringen des Antragstellers, die Verwalterin der Wohnanlage habe der baulichen Veränderung zugestimmt, hat das Landgericht zu Recht keine Bedeutung beigemessen, denn die für die Wohnanlage der Beteiligten maßgebende Teilungserklärung enthält keine von § 22 Abs. 1 WEG abweichende Regelung. Gleichfalls zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass Auskünfte der Gemeindeverwaltung oder die Verhältnisse anderer Wohnanlagen für die Rechtsbeziehungen der Beteiligten ohne Bedeutung sind.

e) Erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren macht der Antragsteller geltend, das Beseitigungsverlangen der Antragsgegner sei rechtsmißbräuchlich. Soweit er sich dafür auf neue Tatsachen und Beweismittel beruft, können diese im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 ZPO). Im übrigen liegen die Voraussetzungen eines Rechtsmißbrauchs (§ 242 BGB, vgl. BayobLG NZM 1998, 980/981) nicht vor. Dem Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung der für ihn vorteilhaften und mit erheblichem Kostenaufwand erstellten Balkonverglasung steht das Interesse der übrigen Wohnungseigentümer an der Beseitigung einer störenden Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds der Wohnanlage gegenüber. Dabei kann auch nicht außer Betracht bleiben, dass der Antragsteller vor Errichtung der Balkonverglasung in einem Schreiben an die Verwalterin vom 10.9.1997 erklärt hat: "Selbst bei einer Nichtgenehmigung in Mehrheit der Eigentümer würde ich diese Montage durchführen lassen und bei möglichem Prozeß um evtl. Beseitigung meine Argumente für diese nutzbringende Verkleidung vorbringen". Daraus ergibt sich, dass der Antragsteller sich des Risikos der fehlenden Genehmigung bewußt war, als er die Balkonverglasung anbringen ließ.

3. Der Senat halt es für angemessen, dem in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsteller die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird gemäß § 48 Abs. 1 Satz 3 WEG übereinstimmend mit der Wertfestsetzung der Vorinstanzen auf 10000 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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