Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.01.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 88/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB §§ 177 ff.
ZPO § 263
Eine Regelung, wonach gegenseitige Ansprüche "aus diesem Vertrag" einer kurzen Verjährungsfrist unterliegen, kann nicht nur vertragliche, sondern auch gesetzliche Ansprüche umfassen.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin wurde mit Beschluss der Wohnungseigentümer vom 16.9.1988 zur Verwalterin bestellt. In dem Beschluss waren die Bestellungsdauer und die Vergütung der Verwalterin enthalten. Eine Ermächtigung für den Verwaltungsbeirat, den Verwaltervertrag abzuschließen, enthielt der Beschluss nicht. Am 10.2.1990 wurde ein Verwaltervertrag abgeschlossen, der von der Antragstellerin und zwei Wohnungseigentümern unterzeichnet ist. Für den Abschluss des Vertrages wurde ein von einem Wohnungs- und Grundeigentümerverband herausgegebenes Formular verwendet, in dem unter Nr. 10.3 Folgendes geregelt ist:

"Sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus diesem Vertrag verjähren nach Ablauf von zwei Jahren nach ihrer Entstehung zum Jahresende."

Die Antragstellerin war vom 1.8.1988 bis 31.7.1993 als Verwalterin tätig. Bei Beendigung der Verwaltertätigkeit der Antragstellerin zum 31.7.1993 befand sich das bei der Kreis-Sparkasse geführte Hausgeldkonto mit ca. 16500 DM im Soll. Auf Veranlassung der Antragstellerin wurde bei der Kreissparkasse ein Umschuldungskonto errichtet und am 30.2.1995 wurden 21760,47 DM vom überzogenen Girokonto auf das neu errichtete Konto umgebucht. Zum 31.12.1999 betrug der Sollstand auf diesem Konto 22114,65 DM.

Die Antragstellerin wird von der Kreissparkasse als vollmachtlose Vertreterin auf Zahlung in Anspruch genommen. Sie begehrt von den Antragsgegnern Freistellung, hilfsweise Zahlung von 22114,65 DM. Die Antragsgegner erhoben die Einrede der Verjährung aufgrund der Nr. 10.3 des Verwaltervertrages.

Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht den Freistellungsanspruch, hilfsweise den Zahlungsanspruch geltend gemacht. Sie hat sich dabei auf eigenes Recht gestützt. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 28.12.2001 den Antrag wegen Verjährung abgewiesen. Die Antragstellerin hat gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt. Im Beschwerdeverfahren hat sich die Antragstellerin erstmals auch darauf berufen, dass sie den Freistellungsanspruch bzw. den hilfsweise geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht nur auf eigenes Recht, sondern auch auf abgetretenes Recht stütze. Die Kreissparkasse habe der Antragstellerin ihr Recht auf Rückzahlung der ausgegebenen Gelder abgetreten und die Antragstellerin habe die Abtretung angenommen. Das Landgericht hat die sofortige weitere Beschwerde mit Beschluss vom 29.7.2002 zurückgewiesen, ohne auf die behauptete Abtretung einzugehen. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihre behaupteten Ansprüche in vollem Umfang weiter.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Ansprüche der Antragstellerin aus eigenem Recht seien verjährt. § 10.3. des Verwaltervertrages sei dahin auszulegen, dass alle Ansprüche umfasst seien, die sich aufgrund des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien ergäben. Der Befreiungsanspruch sei spätestens zum Ablauf des 31.12.1999 verjährt gewesen. Der hier streitgegenständliche Antrag sei erst am 9.11.2000 bei Gericht eingegangen und deshalb nicht mehr geeignet gewesen, die Verjährung zu unterbrechen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Zutreffend hat das Landgericht die Ansprüche der Antragstellerin, die sie aus eigenem Recht geltend macht, für verjährt erachtet.

(1) Der Verwaltervertrag vom 10.2.1990 ist wirksam. Zwar spricht viel dafür, dass die beiden Wohnungseigentümer, die den Vertrag unterschrieben haben, als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt haben. Die übrigen Wohnungseigentümer haben aber jedenfalls den Vertrag genehmigt. Die Genehmigung ist spätestens in diesem Verfahren erfolgt. Mit der Berufung auf Nr. 10.3 des Vertrages haben die Wohnungseigentümer zum Ausdruck gebracht, dass sie den Vertrag für und gegen sich gelten lassen wollen. Der Vertrag ist deshalb nach § 177 Abs. 1 BGB wirksam.

(2) Die Auslegung von Nr. 10.3 des Vertrages durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden. Die Auslegung von Verträgen ist Sache des Tatrichters. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Auslegung nur auf Rechtsfehler überprüfen (§ 27 Abs. 1 FGG, § 559 ZPO). Solche sind jedoch nicht ersichtlich. Die Auslegung des Landgerichts, dass unter die Verjährungsregelung alle Ansprüche fallen, die sich aufgrund des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien ergeben, ist naheliegend. Das Landgericht hat bei der Auslegung weder gegen gesetzliche Vorschriften noch gegen die Denkgesetze verstoßen. Rechtsfehler bei der Auslegung werden auch von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt. Soweit sich diese darauf beruft, dass das Vertragsformular von einem Wohnungs- und Grundstückseigentümerverband erstellt worden sei und dass die vom Landgericht für richtig gehaltene Auslegung von dem Verband nicht gewollt gewesen sei, ist dies unerheblich. Der Umstand, dass es sich um ein zur mehrfachen Verwendung bestimmtes Formular handelt, das von der Antragstellerin benutzt wurde, würde im Gegenteil die Anwendung des § 5 AGBG (Art. 229 § 5 EGBGB) nahe legen, was die vom Landgericht unter anderen Gesichtspunkten gefundene Auslegung bestätigen würde.

(3) Der Zeitpunkt des Eintritts der Verjährung wurde vom Landgericht zutreffend berechnet. Hiergegen werden auch von der Rechtsbeschwerde keine Einwendungen erhoben.

b) Das Landgericht hat sich mit den Ansprüchen aus abgetretenem Recht nicht befasst.

Die Antragstellerin stützt ihre Anträge auf zwei verschiedene Lebenssachverhalte, nämlich einmal auf ihr Handeln als Verwalterin der Wohnanlage und einmal auf Ansprüche der Kreissparkasse, die ihr abgetreten sein sollen. Es handelt sich deshalb um einen Fall der alternativen Antragshäufung, bei der ein einheitlicher Anspruch auf verschiedene Lebenssachverhalte gestützt wird (vgl. Thomas/Putzo/Reichold ZPO 24. Aufl. § 260 Rn. 3). Erfolgt eine derartige Antragshäufung nachträglich, so ist diese wie eine Antragsänderung zu behandeln (vgl. BGH NJW 1985, 1841/1842). Eine Antragsänderung ist in entsprechender Anwendung von § 263 ZPO nur zulässig, wenn die Antragsgegner einwilligen oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.

Da eine Einwilligung der Antragsgegner nicht vorlag, hätte das Landgericht die Sachdienlichkeit prüfen müssen. Da dies unterblieben ist, hat der Senat die Sachdienlichkeit selbst zu prüfen (vgl. BGHZ 123, 132).

Die nachträgliche Antragshäufung ist nicht sachdienlich. Die Antragsänderung ist als sachdienlich zuzulassen, wenn der bisherige Streitstoff eine verwertbare Entscheidungsgrundlage bleibt und die Zulassung die endgültige Beilegung des Streits fördert und einen neuen Prozess vermeidet (vgl. BGH NJW 2000, 800). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das Verfahren wurde bis zur nachträglichen Antragshäufung ausschließlich um die eigenen Ansprüche der Antragstellerin und insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verjährung geführt. Mit der Abtretung wird ein völlig neuer Sachverhalt in das Verfahren eingeführt. Die bisherigen Prozessergebnisse sind hierfür nicht verwertbar. Vielmehr wären völlig neue Tatsachenermittlungen erforderlich gewesen, von der Überprüfung der Wirksamkeit der Abtretung bis hin zur Richtigkeit des behaupteten Schuldenstandes.

c) Auch die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen sind nicht zu beanstanden. Die Anträge der Antragstellerin aus eigenem Recht waren wegen der Verjährung erkennbar unbegründet. Eine Entscheidung über die abgetretenen Ansprüche ist nicht erfolgt.

3. Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren folgt aus § 47 WEG, wobei es der Senat auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren für billig erachtet, dass die Antragstellerin die Gerichtskosten trägt und den Antragsgegnern die außergerichtlichen Kosten erstattet.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 WEG.



Ende der Entscheidung

Zurück