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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.07.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 89/04
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 1004 Abs. 1
WEG § 15 Abs. 3
1. Die Nutzung von als Teileigentum ausgewiesenen Hobbyräumen als eigenständige Wohnung stört bei generalisierender Betrachtungsweise mehr als eine zweckbestimmungsmäßige Nutzung.

2. Bestimmt die Gemeinschaftsordnung einer Anlage, die aus Wohnungen sowie aus Hobbyräumen in Speicher und Keller als selbständigen Teileigentumsrechten besteht, dass die Hobbyräume, auch wenn sie mit der darüber oder darunter liegenden Wohnung verbunden wurden, nicht zum ständigen Aufenthalt bestimmt sind, ihre Nutzung aber zu Wohnzwecken insoweit zulässig ist, als nicht öffentlich-rechtliche Vorschriften des Baurechts entgegenstehen, so ist damit nicht die Nutzung zweier nach Wanddurchbruch zusammengelegter Hobbyräume als neue selbständige Wohnung erlaubt.


Gründe:

I. Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Diese besteht gemäß der Teilungserklärung vom 7.12.1995 aus drei Wohnblocks mit Wohnungen, Hobbyräumen und Garagenstellplätzen, an denen jeweils selbständiges Wohnungs- bzw. Teileigentum begründet wurde. Dem Antragsgegner gehören neben einem Tiefgaragenstellplatz die zwei in der Teilungserklärung als Hobbyräume ausgewiesenen und nebeneinander gelegenen Teileigentumsrechte Nr. 72 und Nr. 74 im Dachgeschoß Ost des Blocks C mit Heizflächen von 37,38 m² und 21,22 m² sowie Miteigentumsanteilen von 3,2/1.000 und 1,8/1.000. Die Gemeinschaftsordnung regelt in § 1 Nr. 3 die Nutzung der Hobbyräume folgendermaßen:

Die Hobbyräume im Kellergeschoß bzw. Dachgeschoß sind - auch wenn sie mit der darüber oder darunter liegenden Wohnung verbunden wurden - nicht zum ständigen Aufenthalt bestimmt. Ihre Nutzung ist aber zu Wohnzwecken insoweit zulässig, als nicht öffentlich-rechtliche Vorschriften des Baurechts entgegenstehen.

Nach der Baubeschreibung sind die Hobbyräume mit Teppichboden belegt und mit Heizkörper ausgestattet. Als Sonderwunsch ist die Installation einer Nassraumzelle vorgesehen.

Der Antragsgegner ließ nach Freistellung vom bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren die Wohnungstrennwand zwischen den beiden Hobbyräumen teilweise durchbrechen sowie Dachfenster, Küche und Bad einbauen. Seit Frühjahr 1999 vermietet der Antragsgegner die Räume nebst Stellplatz als selbständige Wohnung.

In der Folgezeit kam es in der Eigentümergemeinschaft zu verschiedenen Beschlussfassungen mit dem Ziel, den Antragsgegner dazu zu bewegen, die Nutzung der Räume als selbständige Wohnung zu beenden und den ursprünglichen Zustand des Gemeinschaftseigentums wiederherzustellen. Zuletzt fassten die Wohnungseigentümer am 17.5.2002 den unangefochtenen Beschluss, die widerrechtliche Nutzung der Hobbyräume als Wohnraum "nicht zu akzeptieren" und eine Rechtsanwaltskanzlei zu beauftragen, die Beendigung der Wohnraumnutzung durchzusetzen.

Die Antragsteller haben, soweit noch erheblich, beantragt, den Antragsgegner unter Androhung eines Ordnungsgelds zu verpflichten, die Nutzung der beiden Räume als selbständige Wohneinheit zu unterlassen und bestehende Nutzungs- und/oder Mietverhältnisse umgehend zu beenden. Das Amtsgericht hat den Antrag am 13.6.2002 abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht am 18.3.2004 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

II. Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Umbaumaßnahmen des Antragsgegners hätten eine Umwandlung des an den Räumen bestehenden Teileigentums in Wohnungseigentum nicht bewirkt. Der Antragsgegner könne die Räume aber gemäß der Gemeinschaftsordnung zu Wohnzwecken nutzen. Deren Auslegung ergebe keine Beschränkung auf den Fall, dass ein Hobbyraum mit einer vorhandenen Wohnung verbunden werde. Ein Unterlassungsanspruch der Wohnungseigentümer bestehe nicht, weil ihnen durch die gewählte Nutzung kein über das unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil erwachse. Ein solcher sei nicht in dem vorgenommenen Wanddurchbruch und in der Beseitigung der Abgeschlossenheit zu erblicken. Die tatsächliche Vereinigung der beiden je in Teileigentum stehenden Hobbyräume beeinträchtige die Antragsteller nicht. Anhaltspunkte für eine vermehrte oder störendere Nutzung der verbundenen Räumlichkeiten fehlten. Von dem einen zum anderen Teileigentum sei ein direkter Zugang geschaffen worden, was die Notwendigkeit, das Treppenhaus und damit Gemeinschaftseigentum in Anspruch zu nehmen, entfallen lasse und nach Lage der Dinge eher vorteilhaft sei. Die bestandskräftigen Beschlüsse der Wohnungseigentümer im Zusammenhang mit der beanstandeten Nutzung der Räume böten keine selbständige Anspruchsgrundlage für Unterlassungsansprüche. Denn Beschlüsse mit einem solchen Inhalt wären mangels Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer als nichtig anzusehen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Den Antragstellern steht unabhängig von der Beschlusslage in der Eigentümergemeinschaft aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 15 Abs. 3 WEG gegen den Antragsgegner ein Anspruch zu, die Nutzung der Hobbyräume als selbständige Wohnung zu unterlassen.

a) Übereinstimmend mit der nun herrschenden Rechtsprechung geht das Landgericht davon aus, dass der Antragsgegner ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer die ihm gehörenden zwei Teileigentumsrechte tatsächlich verbinden kann (BGHZ 146, 241; BayObLGZ 2000, 252; Palandt/Bassenge BGB 63. Aufl. § 6 WEG Rn. 7).

Dadurch ändert sich eine Zweckbestimmung der Einheiten nicht. Die Umwandlung des Inhalts des Sondereigentums bedürfte vielmehr der Mitwirkung aller Wohnungseigentümer (BayObLG WuM 1996, 357/358; NJW-RR 1997, 586/587; Staudinger/Rapp WEG § 1 Rn. 11).

b) In der Teilungserklärung und in der Gemeinschaftsordnung sind die Räume als Teileigentum und als Hobbyraum ausgewiesen. Darin liegt eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter (allg. M.; z.B. BayObLG ZWE 2000, 122 = NZM 2000, 44 - LS -; NZM 1999, 33; ZMR 1998, 360/361; FGPrax 1996, 57; WuM 1994, 222). Die Räume dürfen ungeachtet weitergehender öffentlich-rechtlicher Genehmigung grundsätzlich nur als Hobbyräume genutzt werden. Gemeint ist damit eine Raumnutzung, die zwar ein gelegentliches Benutzen zu Wohnzwecken (etwa als Gästezimmer) erlaubt, nicht aber den Mittelpunkt der Lebensführung einer Person oder einer Familie bildet (BayObLG FGPrax 1996, 57; siehe auch BayObLGZ 1998, 39). Dem stehen die bauliche Ausrüstung und die technischen Anschlüsse der Räume nicht entgegen. Zulässig ist aber auch eine andere Nutzung, sofern sie nicht mehr stört oder beeinträchtigt als eine Nutzung als Hobbyraum (BayObLG NJW-RR 1989, 719/720; WuM 1999, 178).

c) Eine weitergehende Nutzung wird nicht durch § 1 Nr. 3 der Gemeinschaftsordnung ermöglicht. Das Landgericht legt die Klausel dahin aus, dass eine Wohnraumnutzung der Hobbyräume immer dann im Verhältnis der Eigentümer untereinander erlaubt sein soll, wenn baurechtliche Vorschriften dem nicht entgegenstehen. Der Senat, der die Teilungserklärung als Grundbucherklärung selbständig auslegen kann, folgt dem nicht. Nach dem Wortlaut der Erklärung und dem Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt (siehe BGHZ 139, 288/292 m.w.N.), eröffnet die Klausel Wohnungseigentümern, denen zugleich ein Hobbyraum zu Teileigentum gehört, die Möglichkeit, den Hobbyraum mit oder ohne bauliche Verbindung mit der Wohnung auch zu Wohnzwecken zu nutzen. Dahinstehen kann insoweit, ob die Klausel, soweit sie ausdrücklich auch eine Nutzung zu Wohnzwecken als zulässig bezeichnet, damit eine Dauerbenutzung durch Bewohner einschließt, die in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen sind (vgl. BayObLG FGPrax 1996, 57/58). Ersichtlich eröffnet die Klausel aber nicht die Möglichkeit, weiteren selbständigen Wohnraum ausschließlich in Hobbyräumen allein unter der Voraussetzung zu schaffen, dass öffentlich-rechtliche Bauvorschriften nicht entgegenstehen.

d) Eine Nutzung der Teileigentumsrechte des Antragsgegners als Wohnung stört mehr als eine zweckbestimmungsmäßige Nutzung als Hobbyraum. Die Frage ist anhand einer typisierenden, d.h. verallgemeinernden Betrachtungsweise zu beurteilen (st. Rspr.; z.B. BayObLG ZWE 2000, 122/123). Danach erfährt die Wohnanlage bei der Vergrößerung um eine weitere Wohneinheit typischerweise eine intensivere Nutzung, als wenn eine bereits vorhandene Wohnung um einen Hobbyraum vergrößert wird und damit von mehr Personen genutzt werden kann. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, dass konkrete Beeinträchtigungen vorgetragen oder erwiesen sind. Es genügt, dass mit solchen nach dem gewöhnlichen Gang der Dinge zu rechnen ist (BayObLG ZWE 2000, 122/123 m.w.N.). Davon ist hier auszugehen. Darauf, dass die derzeitige Mietpartei des Antragsgegners besonders ruhig und zurückgezogen lebt, kommt es nicht an.

e) Der Antragsgegner ist dementsprechend gemäß dem Hauptantrag verpflichtet, die Nutzung der Hobbyräume als selbständige Wohnung zu unterlassen. Um ihm die Möglichkeit einzuräumen, sich in angemessener Zeit auf diese Rechtslage einzustellen, wird die Verpflichtung erst ab 1.3.2005 in Kraft gesetzt (vgl. z.B. BayObLGZ 1994, 237/244; BayObLG NJW-RR 1995, 1103).

3. Der Senat hält es gemäß § 47 Satz 1 WEG für angemessen, dem Antragsgegner als Unterlegenem die Gerichtskosten aller Rechtszüge aufzuerlegen; von der Anordnung, dass außergerichtliche Kosten zu erstatten sind (§ 47 Satz 2 WEG), wird nicht Gebrauch gemacht, weil in den Rechtszügen unterschiedliche Entscheidungen ergangen sind.

Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Ausgehend von einer Wertdifferenz von knapp 75.000 EURO für die gleichen Räume als Hobbyräume einerseits und als selbständige Wohnung andererseits erscheint es angemessen, das beiderseitige Interesse mit rund 1/3 zu bewerten.



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