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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 06.03.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 9/03
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 1004 Abs. 1
WEG § 10 Abs. 1 Satz 2
WEG § 15 Abs. 3
Der Betrieb eines Pilslokals mit Pizzeria stört bei typisierender Betrachtungsweise mehr als der Betrieb eines Ladens, mag in unmittelbarer Nachbarschaft auch eine weitere Gaststätte vorhanden sein.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage. Der Antragsgegnerin gehört ein im Erdgeschoss gelegenes Teileigentum (Nr. 67), das in der Teilungserklärung vom 14.5.1976 als "Laden" bezeichnet ist. Bereits zum Zeitpunkt der Errichtung der Teilungserklärung wurde dieses Teileigentum als Gaststätte genutzt. Im Jahr 1981 übernahmen die Antragsgegnerin und ihr Ehemann zunächst die Räume in Untermiete zum Betrieb eines Pilslokals.

Im Mietvertrag war das Objekt beschrieben als Laden mit Nebenräumen und einer Toilette. Sie führten im Jahr 1982 Um- und Ausbauarbeiten durch, obwohl die Antragsteller, die sich in einer Eigentümerversammlung vom 21.7.1981 gegen die Nutzungsänderung ausgesprochen hatten, gegen die damaligen Teileigentümer eine einstweilige Anordnung auf Unterlassung der Umbauarbeiten erwirkt hatten. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 1.7.1982 untersagte das Amtsgericht den Rechtsvorgängern der Antragsgegnerin, die Gaststätte selbst zu betreiben oder durch Dritte betreiben zu lassen. Eine Klage der Rechtsvorgänger gegen ihre Mieter sowie die Antragsgegnerin und deren Ehemann als Untermieter auf Räumung und Herausgabe des Teileigentums blieb jedoch erfolglos.

Die Antragsgegnerin erwarb das Teileigentum im Jahr 1991. Im Kaufvertrag ist festgehalten, dem Erwerber sei bekannt, dass eine Genehmigung der Eigentümergemeinschaft zur Nutzung des Teileigentums als Gaststätte nicht vorliegt. Die Antragsgegnerin vermietete die Räume mit Vertrag vom 27./28.2.1991 und 2.5.2000 zum Betrieb einer Gaststätte an ihren Ehemann, der seinerseits die Räume am 27.4.2000 als Pilslokal und Speisegaststätte für die Dauer von fünf Jahren mit einer Verlängerungsoption unterverpachtete.

Die Antragsteller fassten in der Eigentümerversammlung vom 13.7.2000 folgenden Beschluss:

Der Verwalter wird beauftragt und bevollmächtigt, den Eigentümer der Einheit Nr. 2, laut Teilungserklärung Herrn S.... aufzufordern, die Nutzung des Restaurants ... zum 31.12.2000 zu beenden und (die Einheit) nur noch als Laden, wie in der Teilungserklärung eingetragen, zu nutzen. Wird dieser Aufforderung zum 31.12.2000 nicht Folge geleistet, wird der Verwalter beauftragt und bevollmächtigt, einen Rechtsanwalt zu beauftragen und bei Gericht eine Nutzung entsprechend der Teilungserklärung zu verlangen.

Dieser Beschluss, der in einer weiteren Versammlung vom 31.5.2001 bestätigt wurde, ist bestandskräftig.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, es in dem im Aufteilungsplan bezeichneten Laden zu unterlassen, eine Gaststätte zu betreiben oder durch Dritte betreiben zu lassen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 22.2.2002 der Antragsgegnerin untersagt, ihr Teileigentum als Gaststätte zu nutzen oder nutzen zu lassen, sowie für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld angedroht. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 16.12.2002 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist erfolglos.

Das Landgericht hat ausgeführt:

Eine Unterlassungspflicht ergebe sich nicht bereits aus den bestandskräftigen Eigentümerbeschlüssen vom 13.7.2000 und 31.5.2001. Diese seien nicht rechtsgestaltend, sondern gingen von einem bestehenden Unterlassungsanspruch aus. Auf dessen Grundlage beauftragten und bevollmächtigten sie den Verwalter, die notwendigen Maßnahmen zur Durchsetzung des behaupteten Anspruchs zu ergreifen.

Der Unterlassungsanspruch folge aus § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 Abs. 1 BGB. Die Bezeichnung des Teileigentums in der Teilungserklärung als "Laden" sei eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter. Für die Auslegung der Teilungserklärung sei es nicht erheblich, dass der teilende Eigentümer die Räume zwar als Laden bezeichnet, tatsächlich aber seinerzeit schon als Gaststätte verpachtet gehabt hätte. Eine Gaststätte lasse sich nicht mit einem Laden gleichsetzen. Bei einer typisierenden Betrachtungsweise störe der Betrieb einer Gaststätte mehr als die Nutzung des Teileigentums als Laden. Es sei auch im vorliegenden Fall von intensiveren Geräusch- und Geruchsbelästigungen auszugehen.

Der Unterlassungsanspruch sei zudem nicht verwirkt. Jedenfalls sei das Umstandsmoment nicht erfüllt. Die Antragsteller seien vertretbar zu der Rechtsansicht gelangt, sie seien aufgrund der erfolglos gebliebenen Räumungsklage bis zum Ablauf der Mietzeit gehindert gewesen, die Nutzung der Einheit als Gaststätte zu unterbinden. Die Antragsgegnerin könne sich auch nicht auf einen Vertrauenstatbestand berufen. Sie habe nämlich von Anfang an gewusst, dass die Räume zweckbestimmungswidrig genutzt würden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Vorgehen des Verwalters gegen die Antragsgegnerin ist vom Auftrag und von der Vollmacht der Wohnungseigentümer umfasst. Die unrichtige Bezeichnung des Eigentümers wie der Teileigentumseinheit im Eigentümerbeschluss schadet nicht, weil rechtlich allein maßgeblich der tatsächliche Wille der Beteiligten ist (Palandt/Heinrichs BGE 62. Aufl. § 133 Rn. 8). Unerheblich ist auch, dass verschiedene Wohnungseigentümer gegen den Beschluss gestimmt haben. Wesentlich ist nur, dass das Gewollte auch von allen Wohnungseigentümern erkannt wurde (BGH NJW 1984, 721). Das tatsächlich Gewollte ist auch für einen Dritten aus dem übrigen Inhalt des Protokolls über die Eigentümerversammlung erkennbar.

b) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass sich die Unterlassungspflicht hier nicht bereits aus den bestandskräftigen Eigentümerbeschlüssen vom 13.7.2000 und 31.5.2001 ergibt, weil diese die Untersagung der Gaststättennutzung nicht rechtsgestaltend regeln, sondern nur Maßnahmen zur Durchsetzung des materiellen Anspruchs festlegen (vgl. auch BayObLG Beschluss vom 31.10.2002, 2Z BR 95/02 Umdruck S. 4/5).

c) Der Unterlassungsanspruch folgt aus § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dem Landgericht ist zu folgen, dass die Bezeichnung des Teileigentums in der Teilungserklärung als "Laden" eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter bildet (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 1 WEG; etwa BayObLG ZMR 2000, 53; ZMR 2000, 234). Zulässig ist zwar grundsätzlich auch noch eine andere Nutzung, als sie sich auf grund dieser Zweckbestimmung ergibt; dies gilt aber nur, sofern sie nicht mehr stört oder beeinträchtigt als eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung.

Der Charakter eines Geschäftsbetriebs in einem Laden ist ganz wesentlich dadurch geprägt, dass ein Laden an beschränkte Betriebszeiten gebunden ist (siehe etwa BayObLG ZMR 2000, 234; BayObLG WuM 1998, 619; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 567/568). Durch die Liberalisierung des Gesetzes über den Ladenschluss (siehe Gesetz vom 30.7.1996 BGBl I S. 1186) wurden zwar die allgemeinen Ladenschlusszeiten, in denen Ladengeschäfte für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen sein müssen, nicht unerheblich verkürzt (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 LadSchlG). Dennoch decken sich nach wie vor Öffnungszeiten von Läden und Gaststätten typischerweise nicht. Aus dem unstreitigen Akteninhalt, nämlich dem vorgelegten Unterpachtvertrag, ergibt sich zudem, dass das Pachtobjekt eine gaststättenrechtliche Konzession von 6.00 Uhr bis 1.00 Uhr hat und die vertraglich festgelegten Mindestöffnungszeiten sich auf sechs Tage pro Woche mindestens ab 11.00 Uhr bis 1.00 Uhr belaufen. Schon dies rechtfertigt bei typisierter Betrachtungsweise (siehe etwa BayObLG ZMR 2001, 987; BayObLG NJW-RR 2000, 1465; BayObLG WUM 1998, 619; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 587/588) ohne weiteres den Schluss, dass der Gaststättenbetrieb störender ist als ein Ladengeschäft. Dabei kommt es nicht darauf an, dass nach den strittigen Behauptungen der Antragsgegnerin der Betrieb beschwerdefrei geführt wird. Das Landgericht brauchte dem nicht nachzugehen. Rechtsfehlerfrei und damit für den Senat nach § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 ZPO bindend hat das Landgericht aufgrund der erteilten gaststättenrechtlichen Genehmigung und der vorhandenen Einrichtungen zudem darauf abgestellt, dass von dem Betrieb stärkere Geräusch- und Geruchsemissionen ausgehen als von einem Ladengeschäft. Diese Beeinträchtigungen sind auch während der allgemeinen Betriebszeiten eines Ladens vorhanden, so dass der Unterlassungsanspruch in der Regel, so auch hier, nicht auf den Zeitraum außerhalb der allgemeinen Betriebszeiten beschränkt werden kann (vgl. BayObLG WuM 1998, 619; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 587/588). Der Umstand, dass in der gleichen Wohnanlage und in unmittelbarer Nachbarschaft ein Cafe-/Bistrobetrieb wegen Verwirkung eines Unterlassungsanspruchs zu dulden ist (vgl. BayObLG Beschluss vom 31.10.2002, 2Z BR 95/02), führt zu keiner anderen Beurteilung. Dieses Lokal lässt sich zwar nach der allgemeinen Lebenserfahrung ebenso wenig emissionsfrei betreiben. Es liegt jedoch auf der Hand, dass durch einen weiteren Gaststättenbetrieb der vorhandene Geräuschpegel erhöht und vermehrt wird. Zudem bedingt eine weitere Gaststätte nach der allgemeinen Lebenserfahrung daneben auch zusätzliche Geruchsbelästigungen, die hier durch ein andersartiges Speisenangebot noch verstärkt werden. Schließlich decken sich Öffnungszeiten und Publikumsstruktur nicht zwangsläufig. Dass die fragliche Umgebung durch eine Vielzahl von Betrieben geprägt ist, die über die gewöhnlichen Ladenöffnungszeiten hinaus Publikumsverkehr haben, ist nicht ersichtlich.

e) Der Unterlassungsanspruch ist auch nicht verwirkt. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler die maßgeblichen Tatsachen gewürdigt, aus denen sich folgern lässt, dass das Umstandsmoment nicht erfüllt ist (vgl. nur BayObLG ZMR 2001, 987). So haben sich die Antragsteller jedenfalls schon 1982 bemüht, die Nutzung als Gaststätte zu unterbinden. Dass sie nach dem mietrechtlichen Urteil des Amtsgerichts aus dem Jahr 1983 zunächst keine weiteren juristischen Schritte gegen den Gaststättenbetrieb unternahmen, kann ihnen nicht als widersprüchliches Verhalten angelastet werden. Zudem hat das Landgericht auch zutreffend erkannt, dass sich die Antragsgegnerin auf einen Vertrauenstatbestand nicht berufen kann, weil sie das Teileigentum 1991 im Wissen um die unerlaubte Gaststättennutzung erworben hat.

Es kommt der Antragsgegnerin auch nicht zugute, dass die Antragsteller ihre Rechte gegenüber dem Betreiber einer weiteren Gaststätte in der Wohnanlage nicht mit der gleichen Nachhaltigkeit durchgesetzt haben. Wohnungseigentümer sind grundsätzlich nicht verpflichtet, gegen die zweckwidrige Nutzung verschiedenen Teileigentums gleichermaßen vorzugehen. Ob die Antragsgegnerin auf den Fortbestand der bisherigen Nutzungsform bauen darf, beurteilt sich allein nach dem Verhalten der Wohnungseigentümer ihr gegenüber. Ein gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßendes missbräuchliches Vorgehen zulasten der Antragsgegnerin ist nicht festgestellt.

3. Dem Senat erscheint es nach § 47 WEG angemessen, der in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsgegnerin neben den Gerichtskosten auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller aufzuerlegen.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird in Übereinstimmung mit der Geschäftswertfestsetzung der Vorinstanzen auf 5000 EUR festgesetzt (§ 48 Abs. 3 Satz 1 WEG).

Ende der Entscheidung

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