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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 06.03.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 90/02
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 4
WEG § 12
WEG § 25
ZPO § 256
Ein Beschluss, mit dem die Wohnungseigentümer einer Teilung eines Wohnungseigentums nicht zustimmen, ist wegen fehlender Beschlusskompetenz unwirksam.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Anlage, die von dem weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Nach § 7 Nr. 1 der Teilungserklärung ist zur Veräußerung eines Wohnungs- und Teileigentums, von bestimmten Ausnahmen abgesehen, die Zustimmung des Verwalters erforderlich, die nur aus wichtigem Grund versagt werden kann. Die Zustimmung des Verwalters kann durch einen Beschluss der Wohnungseigentümer ersetzt werden.

Auf dem Grundstück der Wohnungseigentümer befindet sich ein kleines Nebengebäude. Das Wohnungseigentum der Antragstellerin war im Grundbuch als "Sondereigentum an Wohnung und Badehaus" bezeichnet. In der ursprünglichen Teilungserklärung vom 25.8.1988 ist im Zusammenhang mit der Einräumung von Sondernutzungsrechten bei der Bezeichnung des Wohnungseigentums der Antragstellerin das Nebengebäude als "Sommerhaus" bezeichnet. Das Badehaus gehörte nach der ursprünglichen Teilungserklärung zu der mit Nr. 11 bezeichneten Eigentumswohnung. Die Antragstellerin teilte mit Urkunde vom 20.8.2000 das ihr gehörige Wohnungseigentum Nr. 11 auf in die weiter bestehend bleibende Einheit Nr. 11 und eine neu gebildete Einheit Nr. 18, dessen Sondereigentum das Badehaus bildet.

Mit Kaufvertrag vom 20.8.2000 verkaufte die Antragstellerin die neu gebildete Wohnungseinheit Nr. 18. Der damalige Verwalter wurde aufgefordert, die Zustimmung zur Veräußerung zu erteilen. Er berief daraufhin eine Eigentümerversammlung ein. Im Einladungsschreiben waren als Tagesordnungspunkte (TOP)^unter anderen angegeben:

4. Erörterung des Nachtrags zur Teilungserklärung vom 20.8.2000

5. Beschluss über Zustimmung / Verweigerung zum Kaufvertrag über das Badehaus

Unter TOP 5 fassten die Wohnungseigentümer zunächst folgenden Beschluss:

Sämtliche anwesenden Eigentümer und 5 durch entsprechende Vollmachten vertretenen Eigentümer - also 13 Eigentümer - verweigern die Zustimmung des Verwalters zum Kaufvertrag. 3 Gegenstimmen.

Daran anschließend wurde folgender Antrag gestellt:

Es wird beantragt, den Nachtrag zur Teilungserklärung vom 20.8.2000 ebenfalls nicht zu genehmigen und beim Grundbuchamt zu beantragen, auch diesen Antrag zurückzuweisen.

Dieser Antrag wurde angenommen.

Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht folgende Anträge gestellt:

I. Es wird festgestellt, dass die Beschlüsse zu TOP 5

- auf Verweigerung der Verwalterzustimmung zum Kaufvertrag der Antragstellerin vom 20.8.2000,

- auf Nichtgenehmigung des Nachtrages zur Teilungserklärung vom 20.8.2000,

nichtig sind.

Hilfsweise wird beantragt, die beiden Beschlüsse für ungültig zu erklären.

II. Die Antragsgegner werden verurteilt, dem notariellen Kaufvertrag vom 20.8.2000 zuzustimmen,

hilfsweise dem Verwalter die Anweisung zu erteilen, zuzustimmen.

Das Amtsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 30.5.2001 als unbegründet abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt. Die Käufer haben der Antragstellerin mit Schreiben vom 29.5.2001 eine Nachfrist mit Ablehnungsandrohung zur Herbeiführung der Verwalterzustimmung zum 8.6.2001 gesetzt. Nach Fristablauf haben sie Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass der Erfüllungsanspruch der Beklagten aus dem Kaufvertrag erloschen ist, und haben Schadensersatz geltend gemacht.

Die Antragstellerin hat daraufhin vor dem Landgericht wegen der verlangten Zustimmung zum Kaufvertrag vom 20.8.2000 die Hauptsache für erledigt erklärt und im Übrigen folgende Anträge gestellt:

Es wird festgestellt, dass die Beschlüsse zu TOP 5

- auf Verweigerung der Verwalterzustimmung zum notariellen Kaufvertrag vom 20.8.2000, und

- auf Nichtgenehmigung des Nachtrags zur Teilungserklärung vom 20.8.2000,

nichtig sind, hilfsweise, die Beschlüsse für ungültig zu erklären.

Die Antragsgegner haben der Erledigung der Hauptsache nicht zugestimmt.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 30.7.2002 festgestellt, dass die Hauptsache bezüglich der Anfechtung der Eigentümerbeschlüsse zu TOP 5 sowie bezüglich der Zustimmung zum Kaufvertrag vom 20.8.2000 erledigt ist; die Feststellungsanträge der Antragstellerin hat es zurückgewiesen.

Der Beschluss des Landgerichts nennt die Antragsgegner weder namentlich noch ist dem Beschluss eine Eigentümerliste beigefügt. Der Beschluss verweist im Rubrum lediglich auf eine in der Akte befindliche Eigentümerliste.

Die Antragstellerin hat gegen den Beschluss des Landgerichts sofortige weitere Beschwerde mit folgenden Anträgen eingelegt.

Es wird festgestellt, dass die Beschlüsse zu TOP 5

a) auf Verweigerung der Verwalterzustimmung zum notariellen Kaufvertrag vom 20.8.2000, und

b) auf Nichtgenehmigung des Nachtrags zur Teilungserklärung vom 20.8.2000,

nichtig sind.

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt zu einer Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung.

1. Das Landgericht hat die Antragsgegner in seiner Entscheidung nicht ausreichend bezeichnet. Die Beteiligten sind in der Entscheidung selbst mit Namen und Anschrift anzuführen, was auch dadurch geschehen kann, dass auf eine dem Beschluss beigefügte Eigentümerliste Bezug genommen wird. Nicht ausreichend ist es jedoch, dass zur Bezeichnung der Eigentümer lediglich auf eine in der Akte befindliche Liste Bezug genommen wird (vgl. BayObLG NZM 2002, 298 und 346).

Das nötigt jedoch nicht zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und zur Zurückverweisung, da der Senat den Mangel durch Beifügung einer Eigentümerliste zu diesem Beschluss heilen kann.

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragstellerin habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Wohnungseigentümer bzw. der Verwalter einer Veräußerung des Badehauses zustimmen müsse, die sie weiterhin beabsichtige.

Bezüglich der ursprünglichen Beschlussanfechtung sei das Verfahren in der Hauptsache erledigt. Die zum Kaufvertrag vom 20.8.2000 gefassten Beschlüsse müssten nicht mehr vollzogen werden und hätten dadurch ihre Wirkung verloren.

Die Feststellungsanträge seien unbegründet. Die Antragsgegner hätten zu Recht die Zustimmung zum Kaufvertrag verweigert und sich gegen die Änderung der Teilungserklärung gewandt. Bei dem Badehaus handele es sich nicht um eine Wohnung im Sinne von § 1 Abs. 1 WEG; durch die Teilveräußerung werde die Zweckbestimmung des Badehauses geändert und es entstehe zusätzlicher Wohnraum. Es sei unbestritten, dass die Käufer bzw. etwaig andere Kaufinteressenten das Badehaus zumindest als Zweitwohnsitz am Wochenende nutzen wollten bzw. würden. Eine Änderung der Zweckbestimmung hätten die übrigen Wohnungseigentümer aber ohne einstimmige Genehmigung nicht hinzunehmen.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Nicht Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist die Feststellung des Landgerichts, dass sich die Hauptsache bezüglich des Antrags auf Verpflichtung zur Zustimmung zum Kaufvertrag vom 20.8.2000 erledigt habe. Die Beteiligten haben die landgerichtliche Entscheidung insoweit nicht angefochten.

b) Der Beschluss über die Verweigerung der Zustimmung zum Kaufvertrag ist nichtig.

(1) Eine Erledigung der Hauptsache ist insoweit nicht eingetreten. Zwar kann der konkrete Kaufvertrag nicht mehr vollzogen werden. Die Antragstellerin erwägt jedoch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die die Zustimmung zur Veräußerung verweigernden Wohnungseigentümer. Sie hat damit ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses, da dadurch geklärt wird, ob die übrigen Wohnungseigentümer objektiv verpflichtet waren, der Veräußerung zuzustimmen.

(2) Ein Eigentümerbeschluss, durch den die Zustimmung zur Veräußerung eines Wohnungseigentums versagt wird, ist nichtig, wenn ein wichtiger Grund zur Verweigerung der Zustimmung im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 1 WEG nicht vorliegt (BayObLGZ 1980, 29/36; OLG Hamm WE 1993, 52/54). Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn die konkrete Befürchtung besteht, dass der künftige Wohnungseigentümer persönlich oder finanziell unzuverlässig ist (BayObLGZ 1981, 202/203). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn abzusehen ist, dass der Erwerber das Wohnungs- oder Teileigentum in unzulässiger Weise nutzen wird.

Hierfür sind konkrete Anhaltspunkte nicht gegeben. Das Landgericht hat es als unstreitig behandelt, dass die vormaligen Käufer das Badehaus zumindest als Zweitwohnsitz am Wochenende nutzen wollten und werden. Das Landgericht hat hierzu keine konkreten Feststellungen getroffen. Weder die Ausführungen der Antragstellerin in der Antragsschrift noch in den anderen Schriftsätzen decken die Annahme, dies sei unstreitig. Der Senat kann jedoch in der Sache selbst entscheiden, weil sich aus der Aussage der als Zeugin vernommenen Käuferin die beabsichtigte Nutzung ergibt.

Danach war von den Käufern beabsichtigt, in dem Badehaus die Ferien zu verbringen sowie an Wochenenden sich dort aufzuhalten. Sie wolle dort auch gelegentlich kochen und wenn möglich und zulässig auch gerne eine Innendusche einrichten. Die Absicht, das Badehaus zum dauerhaften Bewohnen zu nutzen, kann der Aussage der Käuferin nicht entnommen werden.

Diese beabsichtigte Nutzungsart verstößt nicht gegen eine vereinbarte Zweckbestimmung. Die im Grundbuch eingetragene Teilungserklärung unterliegt der selbstständigen Auslegung durch das Rechtsbeschwerdegericht, wobei auf den Wortlaut und Sinn abzustellen ist, wie sich dieser für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen und des in Bezug Genommenen ergibt (BGHZ 59, 205/209; BayObLGZ 1980, 29/34).

Einen allgemein feststehenden Begriff "Badehaus" gibt es nicht. Der in der ursprünglichen Teilungserklärung ebenfalls verwendete Begriff Sommerhaus spricht für die Zulässigkeit einer Nutzung, die über die bloße Benutzung in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Baden hinausgeht. Zur Auslegung heranzuziehen ist auch der Umstand, dass das Badehaus von einer Sondernutzungsfläche umgeben ist. Auf dieser Sondernutzungsfläche darf der Nutzungsberechtigte nach der Teilungserklärung eine Terrasse und eine Pergola errichten, diesen Gartenteil als Ziergarten nutzen, und die dem Sondernutzungsrecht unterliegende Fläche durch Bepflanzung mit Büschen oder Hecken von dem übrigen Grundstück abgrenzen. Insgesamt ist deshalb nach der nächstliegenden Bedeutung die Benutzung des Badehauses und des umliegenden Sondernutzungsrechts als Freizeiteinrichtung zulässig.

c) Auch der Beschluss bezüglich der Verweigerung der Zustimmung zum Nachtrag der Teilungserklärung und zum Antrag an das Grundbuchamt, den Eintragungsantrag zurückzuweisen, ist nichtig.

(1) Auch insoweit hat die Antragstellerin ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit. Dieser Beschluss beinhaltete nämlich die Behauptung der Wohnungseigentümer, dass die Teilung ohne ihre Zustimmung nicht wirksam sei. Die Antragstellerin hat ein rechtliches Interesse daran, dass diese Frage zwischen den Wohnungseigentümern verbindlich geklärt wird.

(2) Nach ständiger Rechtsprechung (BGH NJW 1968, 499; NJW 1979, 870) kann ein Wohnungseigentümer sein Wohnungseigentum aufteilen, ohne dass er dazu der Zustimmung anderer Wohnungseigentümer bedarf. Eine solche Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer ist hier auch nicht deshalb erforderlich, weil mit der Aufteilung des Wohnungseigentums eine festgelegte Zweckbestimmung geändert würde (vgl. BGH NJW 1979, 870). Eine Änderung der Zweckbestimmung enthält der Nachtrag zur Teilungserklärung vom 20.8.2000 nicht. Die bloße abstrakte Gefahr einer tatsächlich vereinbarungswidrigen Nutzung führt nicht zu einer rechtlichen Veränderung der Zweckbestimmung.

Da die Wohnungseigentümer somit auf die Teilung des Wohnungseigentums keinerlei Einfluss nehmen können, fehlt es an einer Beschlusskompetenz. Der Beschluss ist deshalb nichtig (BGHZ 146, 158 = NJW 2000, 3500).

4. Es entspricht der Billigkeit, die Antragsgegner als Unterlegene mit den Gerichtskosten aller Instanzen zu belasten (§ 47 Satz 1 WEG). Umstände, die es angezeigt erscheinen ließen, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen, liegen nicht vor (§ 47 Satz 2 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG. Der Senat teilt die Auffassung der Vorinstanzen zur Festsetzung des Geschäftswerts. Da die Verpflichtung zur Zustimmung jedoch nicht Gegenstand der sofortigen weiteren Beschwerde ist, ist der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren geringer anzusetzen.

Ende der Entscheidung

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