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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.07.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 90/04
Rechtsgebiete: BGB, FGG, WEG


Vorschriften:

BGB § 1004
FGG § 27
WEG § 14
WEG § 15
WEG § 22
1. Ob durch eine bauliche Veränderung der optische Gesamteindruck der Anlage nachteilig verändert wird, obliegt der Beurteilung durch den Tatrichter.

2. Ist die Anwendung des § 22 Abs. 1 WEG abbedungen, kann sich ein Wohnungseigentümer grundsätzlich auf die Verletzung von Vorschriften des Baurechts berufen, wenn nach der Teilungserklärung die verschiedenen Wohneinheiten wirtschaftlich selbständig sein sollen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die baurechtlichen Vorschriften nachbarschützenden Charakter haben.


Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Dem Antragsgegner steht ein Sondernutzungsrecht an der seinem Sondereigentum vorgelagerten Grundstücksfläche zu.

In Nr. IV. 4. der Teilungserklärung ist bestimmt, dass die einzelnen Einheiten, soweit gesetzlich möglich, jeweils wirtschaftlich getrennte Einheiten bilden. Nr. IV. 8. der Teilungserklärung bestimmt unter anderem, dass zu baulichen Veränderungen und Aufwendungen aller Art es nicht der Zustimmung der anderen Eigentümer bedarf, soweit davon kein Gemeinschaftseigentum, für das auch kein Sondernutzungsrecht besteht, betroffen ist.

Der Antragsgegner errichtete an der Hausmauer vor der Terrassentüre seines Wohnzimmers auf seiner Sondernutzungsfläche eine dreistufige Betontreppe. Ferner befindet sich auf der Sondernutzungsfläche des Antragsgegners ein als Geräte- und Abstellraum genutztes ehemaliges Transformatorenhäuschen. Dieses Häuschen ist nicht genehmigt, wurde jedoch vom Landratsamt geduldet.

Die Antragstellerin hat, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, beim Amtsgericht beantragt, den Antragsgegner zur Beseitigung der Betontreppe und des Transformatorenhäuschens zu verpflichten. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 7.11.2003 die Anträge abgewiesen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin am 22.3.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Für die Treppe sei Nr. IV. 8. der Teilungserklärung nicht einschlägig, weil die Außenmauer des Gebäudes und damit Gemeinschaftseigentum betroffen sei. Die Antragstellerin könne ihren Beseitigungsanspruch nicht auf eine optische Beeinträchtigung stützen, da bloß optisch wahrnehmbare, das ästhetische Empfinden beeinträchtigende Zustände auf einem Grundstück dem davon betroffenen Nachbarn nicht schon allein aus diesem Grunde einen Abwehranspruch nach § 1400 (gemeint wohl 1004) BGB gäben. Wie sich aus den Lichtbildern entnehmen lasse, entstehe hier überdies durch die Errichtung der Treppe keine ästhetisch nachteilige Änderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnungseigentumsanlage.

Das Transformatorenhäuschen bedürfe keiner Zustimmung nach § 22 WEG. Verstöße gegen privatrechtliches oder drittschützendes öffentlich-rechtliches Nachbarrecht seien nicht ersichtlich. Hinsichtlich des Bauwerks bestehe ein Duldungsverwaltungsakt des Landratsamts, der dem Betroffenen eine geschützte baurechtliche Rechtsposition verschaffe, nach der auch bei Verletzung drittschützender Vorschriften er so zu behandeln sei, als wäre die Anlage genehmigt.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

a) Das Landgericht geht nach seinen tatsächlichen Feststellungen zutreffend und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen davon aus, dass die Errichtung der Treppe eine bauliche Veränderung darstellt, auf die Nr. IV. 8. der Teilungserklärung nicht anwendbar ist. Im Ausgangspunkt unzutreffend lehnt das Landgericht jedoch eine Anwendung des § 1004 BGB ab. Nach § 1004 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 3, § 22 Abs. 1, § 14 Nr. 1 WEG kann wohnungseigentumsrechtlich jede Beeinträchtigung abgewehrt werden, die über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht. Dabei entspricht es ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. BGHZ 116, 392; Beschluss des Senats vom 9.6.2004 - 2Z BR 044/04), dass auch eine optische Beeinträchtigung einen Abwehranspruch begründen kann. Das Landgericht hat jedoch in seiner Hilfsbegründung festgestellt, dass die Errichtung der Treppe keine ästhetisch nachteilige Änderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnungseigentumsanlage bewirkt. Diese Beurteilung obliegt in erster Linie dem Tatrichter. Der Senat ist an diese Würdigung gebunden, da sie einen Rechtsfehler nicht erkennen lässt (vgl. BayObLG NZM 2000, 392; Beschluss des Senats vom 9.6.2004 - 2Z BR 044/04). Insbesondere hat das Landgericht nicht dadurch gegen § 12 FGG verstoßen, dass es keinen Augenschein eingenommen hat, weil die Lichtbilder einen hinreichenden Aufschluss über die Treppe geben.

b) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass hinsichtlich des Transformatorenhäuschens § 22 Abs. 1 WEG nicht anwendbar ist, da diese Regelung durch Nr. IV. 8. der Teilungserklärung insoweit abbedungen ist. Eine solche Abbedingung ist rechtlich zulässig und führt dazu, dass für einen Anspruch auf Beseitigung nicht die §§ 22 Abs. 1, 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG maßgebend sind, sondern die allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts, die hier entsprechend anwendbar sind (BayObLG ZMR 2000, 234/236; BayObLGZ 2001, 41/45; Beschlüsse des Senats vom 5.5.2004 - 2Z BR 269/03 und vom 19.5.2004 - 2Z BR 067/04). Eine abweichende Regelung der Teilungserklärung ist nicht gegeben. Vielmehr ergibt sich aus Nr. IV. 4., dass die einzelnen Einheiten jeweils wirtschaftlich getrennte Einheiten bilden sollen, was ebenfalls weitgehend zur Anwendung des allgemeinen Nachbarrechts führt.

Ein privatrechtlicher Abwehranspruch besteht nicht, da nach § 1004 Abs. 1 BGB mangels einer Einwirkung kein Abwehranspruch besteht (vgl. Palandt/Bassenge BGB 63. Aufl. § 906 Rn. 4) und § 14 Nr. 1 WEG insoweit wegen der Abbedingung des § 22 Abs. 1 WEG in der Teilungserklärung nicht anwendbar ist.

Auf öffentlich-rechtliche Normen kann sich die Antragstellerin nur berufen, wenn diese nachbarschützend sind (vgl. Beschluss des Senats vom 19.5.2004 - 2Z BR 067/04). Umstände, aus denen sich ergeben würde, dass nachbarschützende öffentlich-rechtliche Normen verletzt sind, wurden vom Landgericht nicht festgestellt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Wie dem Duldungsbescheid des Landratsamts vom 26.11.2001 zu entnehmen ist, wird der Verstoß gegen den Bebauungsplan der Gemeinde insoweit geduldet, als sich das Gebäude im Anbauverbotsbereich befindet. Auch die Antragstellerin hat als Verstoß gegen öffentliches Recht, abgesehen von der fehlenden Genehmigung, lediglich einen Verstoß gegen die Baulinien konkret genannt. Insoweit handelt es sich aber um ortsplanerische Regelungen und nicht um nachbarschützende Vorschriften.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht der Billigkeit, der in allen Instanzen mit den in der Rechtsbeschwerde noch verfahrensgegenständlichen Anträgen unterlegenen Antragstellerin die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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