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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.07.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 92/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 15 Abs. 1
WEG § 21 Abs. 1
WEG § 21 Abs. 3
WEG § 21 Abs. 4
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 4
1. Ob eine größere Investition (hier: Anschluss an die gemeindliche Wasserversorgung) aus Mitteln der dafür betragsmäßig ausreichenden Instandhaltungsrückstellung finanziert oder dafür unter den Wohnungseigentümern eine Sonderumlage erhoben wird, unterliegt dem pflichtgemäßen Ermessen der Wohnungseigentümer. Im Allgemeinen ist bei einer betragsmäßig ausreichenden Instandhaltungsrückstellung die Feststellung erforderlich, mit welchen anderen Instandhaltungs-/Instandsetzungsmaßnahmen und mit welchem finanziellen Sanierungsaufwand in nächster Zeit in der Eigentümergemeinschaft zu rechnen ist.

2. Die Gemeinschaftsordnung kann die Zweckbindung der Instandhaltungsrückstellung im Einzelnen festlegen.


Gründe:

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, deren Verwalterin die weitere Beteiligte ist. Die Anlage verfügte bisher über einen eigenen Brunnen. Inzwischen wird sie von der gemeindlichen Wasserversorgung erschlossen, für die Anschluss- und Benutzungszwang besteht.

Nach § 7 der Gemeinschaftsordnung (GO) sind die gemeinschaftlichen Gebäudeteile und Einrichtungen des Grundstücks aus einer Instandhaltungsrückstellung instand zu halten oder nach Eintritt von Schäden wiederherzustellen. Die Höhe der Instandhaltungsrückstellung bestimmt die Eigentümerversammlung. Weiter bestimmt die Gemeinschaftsordnung, dass sämtliche Miteigentümer verpflichtet sind, nach Maßgabe ihrer 1/1.000-Anteile die überschießenden Kosten bar aufzubringen, sofern die Instandhaltungsrückstellung zur Beseitigung von Schäden nicht ausreicht.

In der Eigentümerversammlung vom 19.10.2002 wurde beschlossen, zur Deckung der Kosten des Anschlusses an die gemeindliche Wasserversorgung zwei Sonderumlagen von jeweils 8.947,61 EURO zum 1.6.2003 und zum 1.6.2005 anteilig zu erheben.

Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht beantragt, diesen Beschluss für ungültig zu erklären. Sie ist der Auffassung, die Kosten für den Anschluss müssten der Instandhaltungsrückstellung entnommen werden. Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 11.6.2003 abgewiesen, das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin am 24.9.2003 zurückgewiesen. Auf die sofortige weitere Beschwerde hat der Senat am 10.12.2003 den Beschluss des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen (2Z BR 208/03 = WuM 2004, 112). Das Landgericht hat mit Beschluss vom 18.3.2004 die sofortige Beschwerde der Antragstellerin erneut zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Instandhaltungsrückstellung in der Eigentümergemeinschaft habe nicht eine Höhe erreicht, die unter Berücksichtigung eventuell anstehender sonstiger Instandhaltungsmaßnahmen für die Kosten des Wasseranschlusses ausreichend gewesen wäre. Trotz des gemäß § 7 GO eingeschränkten Ermessensspielraums der Wohnungseigentümer habe entschieden werden können, die Kosten des Wasseranschlusses nicht aus der Rückstellung zu entnehmen. Die Rückstellung habe am 19.2.2002 knapp 24.000 EURO betragen. Mit der Finanzierung des Wasseranschlusses wäre sie auf ca. 6.000 EURO abgeschmolzen. Die Jahresabrechnung vom 2.10.2002 weise bereits einen höheren Abgang auf dem Rücklagenkonto aus, als an Beiträgen eingegangen sei; dies deute auf erhöhte Instandhaltungskosten hin. Für die Wohnung eines offenbar insolventen Eigentümers sei ein Nachzahlungsbetrag von knapp 1.700 EURO ausgewiesen, deren Zufluss ungewiss sei. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung seien auch weitere Investitionen diskutiert worden, so die Erneuerung der Kaltwasserzähler und der Heizkostenverteiler mit einem geschätzten Gesamtkostenaufwand von rund 13.700 DM (etwa 7.000 EURO). Auch wenn diese Maßnahmen verschoben worden seien, hätten sie doch in die wirtschaftlichen Überlegungen einbezogen werden können. Des Weiteren sei eine Treppe sanierungsbedürftig, was voraussichtliche Kosten von etwa 3.200 EURO verursache. Darüber sei zwar erst in der Eigentümerversammlung vom 11.10.2003 gesprochen worden; erkennbar sei die notwendige Maßnahme aber sicher schon im Oktober 2002 gewesen. Schließlich seien, worauf es aber nicht mehr entscheidend ankomme, nur rund 12.600 EURO als Barmittel aus der Rücklage verfügbar, weil der Rest von rund 9.000 EURO in vorrätig gehaltenem Heizöl gebunden sei.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Nach § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG gehört die Ansammlung einer angemessenen Instandhaltungsrückstellung zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung, die durch Stimmenmehrheit beschlossen werden kann (§ 21 Abs. 3 WEG) und auf die jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch hat (§ 21 Abs. 4 WEG). Ob größere Reparaturarbeiten aus der hierfür wahrscheinlich ausreichenden Instandhaltungsrückstellung bezahlt werden sollen oder ob insoweit eine Sonderumlage erhoben wird, liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Wohnungseigentümer; es besteht kein Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers, immer zunächst die Rücklage auszuschöpfen (BayObLG ZMR 2003, 694).

a) Das Landgericht hat ohne Rechtsverstoß und damit für den Senat bindend (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. § 559 ZPO) festgestellt, dass im Hinblick auf anstehende weitere Instandhaltungsmaßnahmen der Betrag der Instandhaltungsrückstellung nicht ausreicht, um auch den Anschluss an die gemeindliche Wasserversorgung zu decken. Das Landgericht konnte hierbei allgemein den erhöhten Instandhaltungsbedarf in der Ende der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts errichteten Wohnanlage, der sich in höheren Ab- als Zugängen auf dem Instandhaltungskonto widerspiegelt, ebenso berücksichtigen wie konkret die anstehenden weiteren Investitionen im Bereich der Energieversorgung. Hierbei handelt es sich nicht um unverbindliche und unbestimmte Absichten der Wohnungseigentümer. Dies zeigt schon der Umstand, dass sich die Gemeinschaft damit befasste und vom Verwalter bereits Kostenangebote eingeholt wurden. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht es hingenommen, dass nach dem Ermessen der Wohnungseigentümer die Rücklage auch zur Finanzierung von Pflasterarbeiten im Zusammenhang mit einer Stützmauer- und Treppensanierung herangezogen werden soll. Ebenso ist es rechtsfehlerfrei, davon auszugehen, dass sich sämtliche Maßnahmen bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Umlagenfinanzierung des gemeindlichen Wasseranschlusses hinreichend abzeichneten. Einzelne Maßnahmen müssen zwar erst noch umgesetzt werden; dies bildet jedoch keinen Widerspruch. Zudem besteht nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin über den Austausch des Warmwasserzählers bereits seit 29.10.2002 eine verbindliche Absprache.

b) Das Landgericht hat ferner festgestellt, dass ein wesentlicher Teil der Instandhaltungsrückstellung in vorrätig gehaltenem Heizöl gebunden ist. Es ist zweifelhaft, ob auf der Grundlage der durch die Gemeinschaftsordnung festgelegten Zweckbindung der Rücklage die Eigentümergemeinschaft oder der Verwalter berechtigt war, die Rücklage dafür heranzuziehen (siehe BayObLG Beschluss vom 13.4.1984, 2Z BR 19/83 = DWE 1984, 124/125 - Leitsatz). Wenn aber schon ein Teil der Rücklage in der Heizölbevorratung gebunden ist, widerspricht bei dieser Sachlage ein Beschluss der Wohnungseigentümer, eine anstehende bauliche Maßnahme durch Sonderumlage zu finanzieren, nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Denn als Alternative bliebe nur die Möglichkeit, den Heizölbestand, etwa durch Verkauf, wieder aufzulösen. Dass dies in der Regel verlustbringend und damit unwirtschaftlich ist, liegt auf der Hand. Es kommt bei dieser Sachlage auch nicht mehr darauf an, dass die Rücklage nach ihrer ausdrücklichen Zweckbestimmung für den Ausgleich von Wohngeldausfällen insolventer Wohnungseigentümer nicht, auch nicht vorübergehend, herangezogen werden darf (Staudinger/Bub WEG § 21 Rn. 209; Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 21 Rn. 170).

c) Dem Beschluss der Wohnungseigentümer, eine Sonderumlage zu erheben, steht auch nicht die gemäß § 21 Abs. 1 WEG vorrangige Regelung in § 7 GO entgegen. Sie schreibt zwar für die Gemeinschaft zwingend die Bildung einer Rücklage vor; sie schafft jedoch keinen Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers darauf, immer zunächst die Rücklage auszuschöpfen (siehe auch OLG Köln NZM 1998, 878). Das folgt für die gegenständliche Maßnahme auch nicht aus der Nachschusspflicht der Miteigentümer, sofern die Instandhaltungsrückstellung zur Beseitigung von Schäden nicht ausreicht. Gemäß dieser Regelung ist zwar zunächst die Instandhaltungsrückstellung aufzuzehren, bevor die Wohnungseigentümer die überschießenden Kosten im Weg der Umlage bar aufzubringen haben. Das gilt jedoch nur zur Beseitigung von Schäden. Dazu zählt aber die vorgesehene Maßnahme nicht. So kann es letztlich auch dahinstehen, ob die Anschlusskosten an die gemeindliche Wasserversorgung solche sind, die nach § 7 GO überhaupt aus der Instandhaltungsrückstellung finanziert werden könnten.

3. Dem Senat erscheint es nach § 47 WEG angemessen, der in allen Rechtszügen unterlegenen Antragstellerin die gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Es erscheint in diesem Fall auch billig, eine Kostenerstattung zugunsten der obsiegenden Eigentümergemeinschaft anzuordnen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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