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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.11.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 96/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 48 Abs. 3 Satz 2
Soll der Geschäftswert unter dem Interesse aller Beteiligten liegen, so muß er sich nicht allgemein auf den fünffachen Wert des Eigeninteresses eines Beteiligten beschränken.
BayObLG Beschluss

LG München I - 1 T 18966/99; AG München 481 UR II 576/99

2Z BR 96/00

17.11.00

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Dr. Delius am 17. November 2000 in der Wohnungseigentumssache wegen Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses, hier: Geschäftswertfestsetzung,

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 21. März 2000 dahin abgeändert, dass der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 8500 DM festgesetzt wird.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren vor dem Amtsgericht wird auf 9000 DM und der für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 8500 DM festgesetzt. Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 17. September 1999 und des Senats vom 22. Mai 2000 werden entsprechend abgeändert.

Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von dem weiteren Beteiligten zu 1 verwaltet wird.

Am 16.6.1999 beschlossen die Wohnungseigentümer unter Tagesordnungspunkt (TOP) 8, zur Sanierung der Tiefgarage eine Sonderumlage von 70000 DM zu erheben, die anteilig von allen Wohnungs- und Teileigentümern erhoben werden solle.

Die Antragsteller haben beantragt, diesen Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären, weil die Sonderumlage nicht auch von den Wohnungseigentümern mitgetragen werden müsse, die keinen Tiefgaragenstellplatz hätten. Außerdem haben sie beantragt, einen angeblich am 16.6.1999 ebenfalls gefassten Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären, durch den ihnen die Einsicht in den Hausmeistervertrag und den Verwaltervertrag verweigert worden sei; insoweit wurde das verfahren vor dem Amtsgericht übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das Amtsgericht hat am 15.10.1999 den Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 16.6.1999 zu TOP 8 abgewiesen und den Antragstellern 9/10 der Gerichtskosten auferlegt, von der Erstattung außergerichtlicher Kosten aber abgesehen; der Geschäftswert wurde am 17.9.1999 auf 70500 DM festgesetzt. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 21.3.2000 die sofortige Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen und ihnen die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt; den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren hat es auf 70000 DM festgesetzt. Die sofortige weitere Beschwerde hiergegen haben die Antragsteller wieder zurückgenommen. Der Senat hat durch Beschluss vom 22.5.2000 den Antragstellern die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens auferlegt und von der Erstattung außergerichtlicher Kosten abgesehen; der Geschäftswert wurde auf 70000 DM festgesetzt.

Die Antragsteller haben gegen die Geschäftswertfestsetzung in dem Beschluss des Landgerichts vom 21.3.2000 Beschwerde eingelegt, mit der sie eine Herabsetzung des Geschäftswerts anstreben. Außerdem haben sie angeregt, auch den Geschäftswert des Verfahrens vor dem Amtsgericht und den des Rechtsbeschwerdeverfahrens entsprechend herabzusetzen. Zur Begründung haben die Antragsteller ausgeführt, auf sie entfalle von der Sonderumlage ein Betrag von etwa 1700 DM. Aufgrund der festgesetzten Geschäftswerte hätten sie Kosten von etwa 30000 DM zu tragen. Sie halten einen Geschäftswert in Höhe des fünffachen Eigeninteresses, also von etwa 8500 DM für angemessen.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Vertreter der Staatskasse, der weiteren Beteiligten zu 2, hält einen Geschäftswert von 7000 DM für angemessen. Die Antragsgegner haben beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Geschäftswertbeschwerde ist zulässig (§ 43 Abs. 1 WEG, § 31 Abs. 3 Satz 1, § 14 Abs. 3, 4 KostO, § 567 Abs. 2, § 568 Abs. 1, §§ 569 ff. ZPO) und begründet.

1. Nach § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG ist in Wohnungseigentumssachen der Geschäftswert nach dem Interesse der Beteiligten an der Entscheidung festzusetzen. Beteiligt sind hier außer den Antragstellern sämtliche Wohnungs- und Teileigentümer sowie der Verwalter (§ 43 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 2 WEG). Gegenstand des Beschlussanfechtungsverfahrens war es nicht, den Eigentümerbeschluss über die Erhebung einer Sonderumlage von 70000 DM insgesamt zu beseitigen. Es ging vielmehr nur darum, wie dieser Betrag auf die einzelnen Wohnungs- und Teileigentümer umgelegt werden sollte. Schon im Hinblick darauf kann bei Berücksichtigung des Interesses aller Beteiligten nicht von einem Geschäftswert von 70000 DM ausgegangen werden; der Senat hält auf der Grundlage des § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG vielmehr einen Geschäftswert von 35000 DM für angemessen.

2. Die sich aus diesem Geschäftswert ergebende Kostenbelastung der Antragsteller läge weit über ihrem Eigeninteresse, das entsprechend ihrem Anteil an der Sonderumlage etwa 1700 DM beträgt. Die Kosten stünden damit nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem Interesse der Beteiligten an der Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses. In diesem Fall ist der Geschäftswert nach § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG niedriger festzusetzen, als dies nach § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG geboten wäre.

Der Senat hält einen Geschäftswert von 8500 DM unter Berücksichtigung einerseits des Interesses der Antragsteller, andererseits aber auch des Interesses der Gesamtheit der Wohnungseigentümer für angemessen. Dies entspricht etwa dem fünffachen Wert des Eigeninteresses der Antragsteller. Eine allgemeine Begrenzung des Geschäftswerts auf den fünffachen Wert des Eigeninteresses hält der Senat jedoch nicht für sachgerecht (a.M. OLG Hamm ZWE 2000, 483). Dabei handelt es sich um einen willkürlich festgesetzten Betrag, der es ausschließt, den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls gerecht zu werden. Im wesentlichen aus denselben Gründen hat der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts eine solche starre Regelung, die vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.2.1992 (NJW 1992, 1673) und der anschließenden Änderung des § 48 WEG durch Art. 8 Abs. 11 Nr. 3 des Gesetzes vom 24.6.1994 (BGBl I.S. 1325) vom Kammergericht (NJW-RR 1988, 14) seiner Entscheidung vom 11.9.1987 zugrunde gelegt wurde, durch Beschluss vom 20.10.1988 (BayObLGZ 1988, 319) abgelehnt. Die dortigen Ausführungen haben auch nach der Gesetzesänderung unverändert Gültigkeit.

3. Auf die Beschwerde wird der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens entsprechend herabgesetzt. Zugleich ändert der Senat von Amts wegen gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO die Geschäftswertfestsetzung in den Beschlüssen des Amtsgerichts vom 17.9.1999 und des Senats vom 22.5.2000 entsprechend ab.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (§ 31 Abs. 3 Satz 2, 3 KostO).

Ende der Entscheidung

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