Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.10.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 98/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 45
Die Beschwerdesumme kann nicht- durch Erweiterung des erstinstanzlichen Antrags im Beschwerdeverfahren erreicht werden.
BayObLG Beschluß

LG Traunstein 4 T 4444/99; AG Altötting 1 UR II 18/99

2Z BR 98/00

12.10.00

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Demharter, Werdich und Dr. Delius

am 12. Oktober 2000

in der Wohnungseigentumssache

wegen Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin zu 2 gegen den Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 21. Juni 2000 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Feststellungsantrag der Antragsteller als unzulässig abgewiesen wird.

II. Die Antragsteller zu 1 und zu 2 haben als Gesamtschuldner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren beim Amtsgericht wird auf 1000 DM, die Geschäftswerte für den zweiten und dritten Rechtszug werden auf jeweils 4000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von dem weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Nach der Gemeinschaftsordnung sind die Kosten der Müllabfuhr nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile zu tragen. Da für die von der Antragstellerin zu 2 in ihrer Einheit betriebene Gaststätte besonders viel Müll anfiel, wurde für diese eine gesonderte Mülltonne angeschafft. Mit den hierfür jährlich anfallenden Müllabfuhrkosten in Höhe von 798 DM wurde allein die Antragstellerin zu 2 belastet. Die übrigen Müllabfuhrkosten wurden auf die anderen Wohnungseigentümer nach Miteigentumsanteilen umgelegt. Auf der Grundlage dieses Verteilungsschlüssels beschlossen die Wohnungseigentümer am 25.3.1999 die Jahresabrechnung 1998 und den Wirtschaftsplan 1999.

Die Antragsteller haben beantragt, die Eigentümerbeschlüsse über die Umlage der Müllabfuhrkosten für ungültig zu erklären; zur Begründung haben sie ausgeführt, die Beschlüsse verstießen in diesem Punkt gegen die Gemeinschaftsordnung. Die Antragsgegner haben demgegenüber die Auffassung vertreten, die Eigentümerbeschlüsse seien nicht zu beanstanden, weil die Gemeinschaftsordnung durch Eigentümerbeschlüsse entsprechend abgeändert worden sei. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 8.11.1999 den Antrag abgewiesen. Gegen diesen Beschluss haben die Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt. Im Beschwerdeverfahren haben sie ihr ursprüngliches Ziel weiterverfolgt und zusätzlich die Feststellung beantragt, die Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung über die Umlage der Müllabfuhrkosten seien nicht durch Eigentümerbeschlüsse geändert worden. Das Landgericht hat am 21.6.2000 die sofortige Beschwerde der Antragsteller verworfen. Hiergegen haben die Antragsteller sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Der Antragsteller zu 1 hat am 25.9.2000 sein Rechtsmittel zurückgenommen.

II.

Das Rechtsmittel der Antragstellerin zu 2 hat keinen Erfolg.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstands zulässig, wenn das Landgericht wie hier die Erstbeschwerde wegen Nichterreichung der erforderlichen Beschwer als unzulässig verworfen hat (BGHZ 119, 216/217; BayObLG WuM 1999, 130/1.31 m.w.N.).

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Rechtsmittel sei unzulässig, weil der Wert der Beschwer auch unter Zusammenrechnung der beiden Anträge 1500 DM nicht übersteige. Der Antragsteller zu 1 sei nicht beschwert; bei dem den angefochtenen Eigentümerbeschlüssen zugrunde gelegten Verteilungsschlüssel zahle er nämlich weniger als bei einer der Gemeinschaftsordnung entsprechenden Umlage. Die Beschwer der Antragstellerin zu 2 betrage hinsichtlich der beiden angefochtenen Eigentümerbeschlüsse nur 263, 60 DM. Der Unterschied der beiden Umlageschlüssel wirke sich zu Lasten der Antragstellerin pro Jahr lediglich in Höhe von 131,80 DM aus. Eine Beschwer der Antragsteller könne nicht aus dem Interesse an einer richtigen, an der Gemeinschaftsordnung orientierten Erledigung der Angelegenheiten der Wohnungseigentümer entnommen werden. Der beim Amtsgericht gestellte Antrag auf Ungültigerklärung der Eigentümerbeschlüsse habe nicht so ausgelegt werden können, dass zugleich die Feststellung beantragt worden sei, eine Änderung der Gemeinschaftsordnung liege nicht vor. Durch die Antragserweiterung im Beschwerdeverfahren habe die Rechtsmittelbeschwer nicht erhöht werden können.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Auch im Verfahren auf Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG bemißt sich die Rechtsmittelbeschwer nach § 45 Abs. 1 WEG allein nach dem vermögenswerten Interesse des einzelnen Beschwerdeführers an der Änderung der angefochtenen Entscheidung (BayObLG,WE 1991, 370). Dieses vermögenswerte Interesse der Antragstellerin zu 2 ist, wie das Landgericht rechtsfehlerfrei dargelegt hat, mit 263,60 DM zu bemessen, liegt also unter der Grenze des § 45 Abs. 1 WEG.

b) Die Antragstellerin zu 2 hat beim Amtsgericht den Antrag gestellt, die Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären. Im Wohnungseigentumsverfahren ist das Gericht an die gestellten Anträge grundsätzlich nicht streng gebunden. Es hat vielmehr den Willen des Antragstellers zu erforschen und im übrigen ohne Bindung an den erklärten Antrag in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Allerdings darf das Gericht bei einem Leistungsantrag dem Antragsteller nicht mehr oder etwas ganz anderes zusprechen, als er begehrt (BayObLG WE 1991, 140). Der beim Amtsgericht gestellte Anfechtungsantrag enthielt nicht zusätzlich das Feststellungsbegehren, die Gemeinschaftsordnung sei nicht abgeändert worden. Für eine solche Auslegung finden sich in den Schriftsätzen der Antragsteller im verfahren beim Amtsgericht keine Anhaltspunkte. Abgesehen davon war der Anfechtungsantrag zulässig; für eine Umdeutung oder Auslegung bestand schon deshalb keine Veranlassung. Hinzu kommt, dass bei einer stattgebenden Entscheidung über einen Feststellungsantrag dem Antragsteller etwas anderes zugesprochen würde, als bei einem Antrag auf Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses.

c) Die Beschwerdesumme konnte im Beschwerdeverfahren nicht durch Erweiterung des erstinstanzlichen Antrags erreicht werden. Da sich die Beschwer aus dem Auseinanderfallen von Antrag und Entscheidungsinhalt ergibt, der neue Antrag in der unteren Instanz gar nicht gestellt war, fehlt es insoweit schon an einer Beschwer des Rechtsmittelführers, womit sich die Frage nach ihrer Höhe nicht mehr stellt (Stein/Jonas/ Grunsky ZPO 21. Aufl. Einl. II vor §§ 511 f. Rn. 34).

d), Allerdings hätte das Landgericht den gestellten Feststellungsantrag verbescheiden müssen. In Betracht kam nur eine Abweisung als unzulässig. Voraussetzung für einen zulässigen neuen Antrag wäre eine zulässige Beschwerde gewesen, an der es fehlt. Der Senat holt die unterbliebene Entscheidung nach.

III.

Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 47 WEG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat grundsätzlich derjenige, der ein Rechtsmittel zurücknimmt, die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Ausnahmsweise kann jedoch von der Anordnung einer Kostenerstattung abgesehen werden. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor (vgl. z.B. BayObLG NJW-RR 1999, 1245). Es ist somit angemessen, dass der Antragsteller zu 1 und die Antragstellerin zu 2 als Gesamtschuldner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen haben.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Maßgebend ist das Interesse aller Beteiligten. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann nicht auf die Höhe der jährlichen Müllkosten abgestellt werden, da Verfahrensgegenstand nur die Frage ist, nach welchem Verteilungsschlüssel die Müllkosten umzulegen sind. Der Senat hält es für angemessen, den Geschäftswert für das Verfahren beim Amtsgericht auf 1000 DM festzusetzen. Im Beschwerdeverfahren und im Rechtsbeschwerdeverfahren erhöht sich der Geschäftswert auf jeweils 4000 DM, da hier zusätzlich der Feststellungsantrag gestellt wurde.

IV.

Für ein etwaiges neues Verfahren wird bemerkt: Auch wiederholte bestandskräftige Eigentümerbeschlüsse über eine Jahresabrechnung oder einen Wirtschaftsplan, die von der Gemeinschaftsordnung oder der gesetzlichen Regelung über die Kostenvertellung abweichen, bewirken grundsätzlich keine Änderung der Gemeinschaftsordnung oder des Gesetzes (BayObLGZ 1974, 172; BayObLG WE 1997, 158 f.).

Ende der Entscheidung

Zurück