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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 10.07.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 99/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21 Abs. 3
WEG § 26
WEG § 43
WEG § 45
1. Wenn ein Beschluss über die Entlastung des Verwalters angefochten wird, ist der entlastete Verwalter auch dann am Verfahren zu beteiligen, wenn zwischenzeitlich ein neuer Verwalter bestellt ist. Die Beteiligung am Verfahren kann auch im Rechtsbeschwerdeverfahren nachgeholt werden und erfordert keine Zurückverweisung des Verfahrens, wenn ausgeschlossen werden kann, dass sich der frühere Verwalter aktiv an dem Verfahren in den Vorinstanzen beteiligt hätte.

2. Wird ein Antrag auf Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses rechtskräftig abgewiesen, ist damit über seine Wirksamkeit entschieden und er kann auch nicht als nichtig angesehen werden (Bestätigung von BayObLGZ 1980, 30/36 f.).

3. Ein Eigentümerbeschluss, durch den dem Verwalter Entlastung erteilt wird, entspricht grundsätzlich nicht ordnungsmäßiger Verwaltung (Vorlage an den Bundesgerichtshof wegen Abweichung von OLG Schleswig ZMR 2002, 382).


Gründe:

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Appartement-Hotelanlage. Die Anlage wird seit 1.1.1998 von der weiteren Beteiligten zu 1 verwaltet. Zuvor wurde sie von der weiteren Beteiligten zu 2 verwaltet.

Die Anlage besteht aus 57 Hotelappartements, einer Wohnung und sechs Laden- und Praxiseinheiten. Die 57 Appartements werden gewerblich vermietet. Ihre Wohnungseigentümer haben sich 1978 zu einer Verwaltungs-GmbH, der weiteren Beteiligten zu 2, zusammengeschlossen.

Zur Anlage gehören 64 Kfz-Stellplätze. In der Eigentümerversammlung vom 28.7.1995 wurde beschlossen, dass den Appartementeigentümern 20 Stellplätze im Hof und 28 Stellplätze in der Tiefgarage, den Laden- und Praxiseigentümern sechs Stellplätze im Hof und acht Stellplätze in der Tiefgarage zugewiesen werden. Der Eigentümerbeschluss vom 28.7.1995 wurde von der nunmehrigen Antragstellerin angefochten. Der Antrag auf Ungültigerklärung wurde rechtskräftig abgewiesen.

Bis einschließlich 1996 hat die weitere Beteiligte zu 2 die Abrechnungen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in die Bilanz der GmbH einbezogen und dabei die auf die nicht an der GmbH beteiligten Läden und Praxen entfallenden Kosten diesen als Leistungen der GmbH in Rechnung gestellt. Eine separate Buchhaltung für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bestand bis dahin nicht.

Am 9.11.1996 beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, dass dieser Abrechnungsmodus bis 31.12.1996 beibehalten wird und ab 1.1.1997 eine Abrechnung entsprechend dem Wohnungseigentumsgesetz erfolgt. Dieser Eigentümerbeschluss wurde von der Antragstellerin angefochten. Der Antrag auf Ungültigerklärung des Beschlusses wurde rechtskräftig abgewiesen.

In der Eigentümerversammlung vom 12.9.1998 beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich die von der weiteren Beteiligten zu 2 vorgelegten Abrechnungen für die Kalenderjahre 1994 mit 1997 und die Entlastung der weiteren Beteiligten zu 2 für diese Jahre. Die weiteren in dieser Eigentümerversammlung gefassten und zum Teil angefochtenen Beschlüsse sind für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr von Belang. Die Antragstellerin hat beantragt, die Eigentümerbeschlüsse vom 12.9.1998 bezüglich der Abrechnung. en 1994 mit 1997 und der Verwalterentlastung für ungültig zu erklären.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 3.5.2000 die noch verfahrensgegenständlichen Anträge abgewiesen.

Im Verfahren vor dem Landgericht hat die Antragstellerin den Antrag auf Ungültigerklärung der Jahresabrechnung 1997 fallen gelassen und stattdessen beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, die Einnahmen, die von der Hotel Verwaltungs-GmbH .im Anfechtungszeitraum aus der Vermietung von im Gemeinschaftseigentum stehenden Kfz-Plätzen rechtswidrig erzielt wurden, an die Gemeinschaft herauszuverlangen, diese als Einnahmen in die Jahresabrechnung aufzunehmen und anteilmäßig an sämtliche Eigentümer zu verteilen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 22.7.2002 die sofortig Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt teilweise zu einer Vorlage an den Bundesgerichtshof, im Übrigen ist es unbegründet.

1. Die Vorinstanzen haben die weitere Beteiligte zu 2 nicht formell am Verfahren beteiligt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, da die Beschlüsse über deren Entlastung verfahrensgegenständlich sind. Im vorliegenden Fall zwingt dies jedoch nicht zu einer Zurückverweisung. Der Senat hat die frühere Verwalterin am Verfahren beteiligt. Von ihr persönlich ist hierzu keine Äußerung erfolgt, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die frühere Verwalterin auch bei einer förmlichen Beteiligung in den Vorinstanzen auf das Verfahren keinen Einfluss genommen hätte. Das rechtliche Gehör ist der weiteren Beteiligten zu 2 durch die Beteiligung im Rechtsbeschwerdeverfahren gewährt.

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Jahresabrechnungen 1994 bis 1996 seien nicht unklar. Der Abrechnungsmodus sei durch den Eigentümerbeschluss vom 9.11.1996 gebilligt. Die Wirksamkeit dieses Eigentümerbeschlusses stehe rechtskräftig fest. Die Beteiligte zu 1 habe im Verfahren die Herkunft und Berechnung der einzelnen Kosten deutlich gemacht, so dass sie schlüssig nachvollzogen werden könnten. Sie seien im Laufe des Verfahrens so weit aufgeklärt worden, dass es weder einer Überprüfung durch einen Sachverständigen noch einer neuen Abrechnung bedürfe.

Die Abrechnungen 1994 bis 1997 seien auch inhaltlich richtig, und zwar auch hinsichtlich der Einnahmen aus der Vermietung von Tiefgaragen-Stellplätzen. In die Jahresabrechnung seien .nur die tatsächlichen Einnahmen der Wohnungseigentümer aufzunehmen. Die der weiteren Beteiligten zu 2 als Zusammenschluss sämtlicher Appartementeigentümer zugeflossen en Einnahmen aus der Überlassung der ihnen zugewiesenen Tiefgaragen-Stellplätze seien keine Einnahmen der Wohnungseigentümergemeinschaft und gehörten deshalb nicht in die Jahresabrechnungen. Vielmehr stellten diese Privateinnahmen der Appartementeigentümer dar. Die gemäß Eigentümerbeschluss vom 28.7.1995 als "Rundungsdifferenz" übrig gebliebenen Stellplätze seien in die Jahresabrechnung als Einnahmen eingestellt und anteilig an die einzelnen Teileigentümer verteilt worden.

Die Antragstellerin habe auch keinen Anspruch auf Herausgabe angeblich rechtswidrig erzielter Einnahmen aus der Vermietung von Tiefgaragen-Stellplätzen. Entsprechend den vorstehenden Ausführungen stünden diese Einnahmen nicht der Wohnungseigentümergemeinschaft zu, so dass weder eine Verpflichtung der Antragsgegner bestehe, diese Einnahmen an die Gemeinschaft herauszuverlangen, noch diese in die Jahresabrechnung aufzunehmen und anteilig zu verteilen. Die Antragstellerin habe auch keinen Anspruch auf eine Vereinbarung über die Einräumung von Sondernutzungsrechten an Kfz-Stellplätzen.

Die Eigentümerbeschlüsse zur Entlastung der Verwaltung seien wirksam. Der Entlastung stehe nicht die Nichteinstellung von Garageneinnahmen der Tiefgarage in die Abrechnung entgegen. Die Nutzung der Stellplätze beruhe auf dem Eigentümerbeschluss vom 28.7.1995 und zuvor auf einer langjährigen tatsächlichen Übung. Die aus der entgeltlichen Fremdnutzung erzielten Einnahmen stünden einzig und allein den jeweiligen Nutzungsberechtigten der zugewiesenen Stellplätze zu.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand, soweit sie sich auf die Eigentümerbeschlüsse über die Abrechnungen für die Jahre 1994 mit 1996 bezieht.

a) Durch die rechtskräftige Abweisung des Antrags auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 9.11.1996 steht fest, dass die früher gepflogene Abrechnungsweise bis Ende des Jahres 1996 rechtmäßig ist. Die Abweisung des Antrags auf Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses schließt auch eine Berufung auf eventuelle Nichtigkeitsgründe aus (BayObLGZ 1980, 30/36 f.). Daran hat auch der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20.9.2000 (NJW 2000, 3500) nichts geändert.

b) Die bei der Akte befindlichen Abrechnungen für 1994 bis 1996 sind, dem damaligen Abrechnungsmodus entsprechend, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar. Zudem hat das Landgericht in rechtsfehlerfreier Weise und damit für den Senat bindend (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 ZPO) festgestellt, dass im Laufe des Verfahrens eine Aufklärung soweit erfolgt ist, dass die Abrechnungen schlüssig nachvollzogen werden können.

c) Die Antragstellerin beruft sich auch erfolglos darauf, dass die Abrechnungen nicht nachvollziehbar seien, da die weitere Beteiligte zu 2 den Belegzwang nicht erfüllt habe. Die Richtigkeit der Abrechnung hängt nicht von der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Aufbewahrung von Belegen ab. Maßgeblich ist lediglich, ob die Abrechnung nachvollziehbar und inhaltlich richtig ist.

d) Die Antragstellerin vermag auch keinen inhaltlichen Fehler der Abrechnungen aufzuzeigen. Sie wendet sich zu Unrecht gegen die Ausführungen des Landgerichts zur Behandlung der Einnahmen für die Tiefgaragen-Stellplätze. Zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass in die Jahresabrechnung nur tatsächlich angefallene Einnahmen einzustellen sind. Da für die Wohnungseigentümer keine Einnahmen angefallen sind, sind die Jahresabrechnungen bereits deshalb in diesem Punkt richtig.

4. Auch hinsichtlich des Verpflichtungsantrags ist das Rechtsmittel ohne Erfolg.

Die beantragte Verpflichtung der Antragsgegner kann nicht erfolgen, da diesen gegenüber der weiteren Beteiligten zu 2 kein Anspruch zusteht.

Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass aufgrund des Eigentümerbeschlusses vom 28.7.1995 eine Gebrauchsregelung besteht, nach der die Wohnungseigentümer die jeweils zugewiesenen Stellplätze ausschließlich nutzen können. Hieraus fließende Erträge sind deshalb keine Einnahmen der Wohnungseigentümer, sondern stehen den jeweils Nutzungsberechtigten zu. Zutreffend ist das Landgericht auch der Auffassung, dass für die Zeit vor dem Eigentümerbeschluss vom 28.7.1995 die Nutzung der Stellplätze aufgrund jahrelanger tatsächlicher und unbeanstandeter Handhabung erfolgt ist,. Die Antragstellerin kann sich deshalb nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht mehr darauf berufen, dass es für die Zeit vor dem Eigentümerbeschluss vom 28.7.19.95 an einer formellen Gebrauchsregelung gefehlt habe. Es bestand nämlich auch keine Regelung, dass die Stellplätze einzelnen Wohnungseigentümern gegen Entgelt zur Verfügung gestellt werden. Wenn einzelne Wohnungseigentümer oder die weitere Beteiligte zu2 die tatsächliche Überlassung dazu genutzt haben, durch Vermietung Einnahmen zu erzielen, so handelt es sich dabei um Ansprüche der Vermieter und nicht um Ansprüche der Wohnungseigentümer. Dass die Wohnungseigentümer untereinander zu einer Entgeltzahlung für die Nutzung der Stellplätze verpflichtet gewesen sein sollten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

5. Hinsichtlich der Eigentümerbeschlüsse über die Verwalterentlastung ist die weitere Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof vorzulegen.

a) Konkrete Umstände, die zu einer Verweigerung der Entlastung führen müssten, sind derzeit nicht ersichtlich.

Dies gilt auch für die Entlastung für das Kalenderjahr 1997. Zwar ist die von der weiteren Beteiligten zu 2 erstellte Abrechnung unvollständig, da der Stand der gemeinschaftlichen Konten nicht ausgewiesen ist (BayObLGZ 1989, 310/314; Beschluss des Senats vom 8.5.2003 - 2Z BR 8/03). Es besteht deshalb ein Anspruch der Wohnungseigentümer auf Nachholung dieser Angaben (BayObLGZ 1989, 310/313; BayObLG NJW-RR 1992, 1169). Ein solcher Anspruch steht grundsätzlich der Entlastung des Verwalters entgegen (BayObLGZ 1989, 310, 314/315). Im vorliegenden Fall kommen diese Grundsätze hinsichtlich der Verwalterentlastung jedoch nicht zum Tragen. Die Abrechnung für das Kalenderjahr 1997 wurde am 29.5.1998 zwar von der weiteren Beteiligten zu 2 erstellt. Zur Erstellung der Abrechnung verpflichtet gewesen wäre aber mangels abweichender Vereinbarung die weitere Beteiligte zu 1 als neue Verwalterin (vgl. Niedenführ/Schulze WEG 6. Aufl. § 28 Rn. 111 m. w. N.). Ein Ergänzungsanspruch kann sich deshalb ebenfalls nur gegen, die weitere Beteiligte zu 1 richten, so dass die Unvollständigkeit der Abrechnung einer Entlastung der weiteren Beteiligten zu 2 nicht entgegensteht.

b) Der Senat möchte gleichwohl die Eigentümerbeschlüsse über die Entlastung der weiteren Beteiligten zu 2 für ungültig erklären, da er der Auffassung ist, dass ein Beschluss über die Entlastung des Verwalters grundsätzlich nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (BayObLGZ 2002, 417 = NJW 2003, 1328; Beschluss des Senats vom 8.5.2003 - 2Z BR 8/03).

Der Senat sieht sich aber hieran gehindert durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Schleswig vom 23.1.2002 (ZMR 2002, 382), der auf weitere Beschwerde hin ergangen ist. Das Oberlandesgericht Schleswig vertritt dort die Auffassung, dass es den Wohnungseigentümergemeinschaften grundsätzlich unbenommen sei, ihrer Verwalterin Entlastung zu erteilen. Die Entlastung der Verwaltung stellt nach Meinung dieses Gerichts grundsätzlich eine Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 3 WEG dar.

c) Die Frage, ob eine Entlastung des Verwalters grundsätzlich, ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, ist in Rechtsprechung und Literatur um stritten. Die Frage verneinen neben dem Senat: AG Kerpen ZMR 1998, 376; AG Köln ZMR 2002, 793; AG Hamburg-Blankenese ZMR 2003, 536; Köhler ZMR 1999, 293; derselbe ZMR 2001, 865,f.; Demharter ZWE 2001, 256; derselbe ZMR 2002, 369 f.; Riecke WE 2002, 197; derselbe WÜM 2003, 256 f.; Greiner WE 2003, 54, 78, 102; Greiner/Vogel ZMR 2003, 465 ff.; Sauren Das Praxislexikon Wohnungseigentum Stichwort Entlastung S. 98. Gegenteiliger Auffassung sind: Niedenführ NZM 2003, 305; Gottschalg NJW 2003, 1293; derselbe Die Haftung von Verwalter und Verwaltungsbeirat in der Wohnungseigentümergemeinschaft Rn. 243; Staudinger/Bub WEG § 28 Rn. 562; Deckert ETW 4, S. 450 Rn. 1268a; Rühlicke ZWE 2003, 54 ff..

(1) Mit der Entlastung des Verwalters verzichten die Wohnungseigentümer nach ganz herrschender Meinung auf mögliche Ansprüche gegen den Verwalter und opfern damit eigene Vermögensinteressen (vgl. BGHZ 106, 199/202), sei es durch einseitigen Verzicht, durch Erlassvertrag oder durch negatives Schuldanerkenntnis (vgl. Rühlicke ZWE 2003, 54 ff.). Dass die Entlastungsbeschlüsse im vorliegenden Fall diese Wirkung nicht haben sollten, ist ihnen nicht zu entnehmen.

Zu einem solchen Verzicht sind die Wohnungseigentümer nicht verpflichtet; auch hat der Verwalter grundsätzlich keinen Anspruch darauf (OLG Düsseldorf WÜM 1996, 723; ZMR 1996, 622; BayObLG ZWE 2000, 183; ZMR 2001, 567). Dabei kann es dahinstehen, ob ein derartiger Anspruch vertraglich begründet werden kann, da im vorliegenden Fall eine entsprechende vertragliche Vereinbarung fehlt. Wenn die Wohnungseigentümer den Verwalter nicht entlasten, obwohl konkrete Ansprüche gegen ihn derzeit nicht erkennbar sind, dann kann dies nicht den Verwalter zur sofortigen Amtsniederlegung und Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen berechtigen. Andernfalls würde im Ergebnis eine Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Verwalterentlastung begründet. Kommen Ansprüche gegen den Verwalter in Betracht, scheidet eine Entlastung ohne weiteres aus. Fehlen Anhaltspunkte für Ansprüche, bedarf es keiner Entlastung, weil diese ins Leere ginge. Es kann dahinstehen, ob die ausschließlich aus unsachlichen Gründen, also willkürlich, verweigerte Entlastung Ansprüche des Verwalters begründen könnte (vgl. BGHZ 94, 324/327). Ein sachlicher Grund liegt nämlich vor, wenn die Wohnungseigentümer auf mögliche Ansprüche, die sie derzeit nicht erkennen, obwohl sie hierzu in der Lage wären, nicht verzichten wollen, zumal sie bei einer Entlastung die Feststellungslast für die Nichterkennbarkeit der Ansprüche trügen.

(2) Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob ein Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, ist das Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen (§ 21 Abs. 3 WEG).

Die Entlastung des Verwalters dient immer diesem bzw. seiner Haftpflichtversicherung und belastet wegen der damit verbundenen Rechtswirkungen des Anspruchsverzichts die Gesamtheit der Wohnungseigentümer.

Dem kann nicht mit dem Argument begegnet werden, dass die Wohnungseigentümer dem Verwalter naturgemäß Vertrauen entgegenbringen müssen. Das ist keine Rechtfertigung dafür, dass sie auf mögliche Ansprüche gegen den Verwalter verzichten. Nach der Rechtsordnung muss jeder, der am Rechtsverkehr teilnimmt, damit rechnen, dass er bis zum Ende der Verjährungsfrist auf Schadensersatz wegen schuldhafter Pflichtverletzung in Anspruch genommen wird. Warum dies jedenfalls einem gewerbsmäßigen Verwalter von Wohnungseigentum nicht sollte zugemutet werden können, ist nicht erkennbar. Dies gilt umso mehr, als die Verjährungsfrist jetzt nur noch drei Jahre beträgt (§ 195 BGB) und für Ansprüche aus den verfahrensgegenständlichen Kalenderjahren durch Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB begrenzt wird.

Das Argument, die Verwalterentlastung könne deshalb im Interesse der Wohnungseigentümer liegen, weil diese durch einen Verzicht auf mögliche Ansprüche wegen eines ihnen vom Verwalter schuldhaft zugefügten Schadens einen bewährten Verwalter dazu bewegen könnten, die Verwaltertätigkeit weiter auszuüben, hält der Senat nicht für stichhaltig. Vielmehr begründet es Bedenken gegen eine erneute Bestellung desselben Verwalters, wenn dieser seine weitere Tätigkeit von einem Rechtsverzicht auf den er keinen Anspruch hat, abhängig macht und damit seine Interessen über die der Wohnungseigentümer stellt.

(3) Für die Aktiengesellschaft schreibt das Gesetz eine Abstimmung über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat vor. Allerdings ist damit kein Verzicht auf Ersatzansprüche verbunden (§ 120 Abs. 1, 2 Satz 2 AktG). Auch für die GmbH ist im Gesetz die Entlastung des Geschäftsführers vorgesehen (§ 46 Nr. 5 GmbHG), die jedoch einen beschränkten Verzicht auf Ersatzansprüche zur Folge hat. Demgegenüber enthält das WEG keine Bestimmung, die sich mit der Verwalterentlastung befasst. Anders als § 46 Nr. 5 GmbHG spricht § 26 WEG nur die Bestellung und Abberufung, nicht aber auch die Entlastung des Verwalters an. Wenn das Gesellschaftsrecht eine Entlastung grundsätzlich zulässt, kann daher daraus nicht abgeleitet werden, dass dies auch für den Verwalter von Wohnungseigentum gelten muss. Zwischen einer Wohnungseigentümergemeinschaft und einer Handelsgesellschaft bestehen entscheidende Unterschiede, die es nicht zulassen, im Gesellschaftsrecht geltende Rechtsgrundsätze ohne weiteres auf die Wohnungseigentümergemeinschaft zu übertragen. Im Übrigen bestehen zwischen Stellung und Aufgaben eines GmbH-Geschäftsführers einerseits und eines Wohnungseigentumsverwalters andererseits tiefgreifende Unterschiede. Der Geschäftsführer einer GmbH ist deren organschaftlicher Vertreter und hat als solcher umfassende Vertretungsmacht für die Gesellschaft. Vor allem hat er unternehmerische Entscheidungen nach seiner eigenen unternehmerischen Einschätzung zu treffen. Der Verwalter einer Eigentumswohnanlage hingegen ist gesetzlicher Vertreter der Wohnungseigentümer nur in den in § 27 Abs. 1 und 2 WEG aufgeführten Bereichen. Darüber hinaus darf er nur im Rahmen einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht durch die Eigentümerversammlung - entweder im Verwaltervertrag oder durch Eigentümerbeschluss im Einzelfall - für die Wohnungseigentümer handeln. Unternehmerische Entscheidungen hat er, abgesehen von Notmaßnahmen, nicht zu treffen. Vielmehr muss er in jedem Einzelfall die Entscheidung der Wohnungseigentümer einholen. Eine allzu große Annäherung der Eigentümergemeinschaft an eine Gesellschaft birgt auch die Gefahr in sich, dass aus dem Eigentum an der Wohnung, das nach dem Gesetz im Vordergrund steht, eine Beteiligung an einer Gesellschaft wird, die eine Wohnanlage betreibt.

Außerdem erscheinen § 120 AktG, § 46 Nr. 5 GmbHG für eine Rechtsanalogie untauglich, da sie hinsichtlich des Verzichts auf Ersatzansprüche verschiedene Rechtswirkungen auslösen. Der Gesetzgeber hat für die Entlastung verschiedene und im Wohnungseigentumsgesetz gar keine Regelung getroffen.

(4) Durch eine Verwalterentlastung werden Streitigkeiten zwischen einzelnen Wohnungseigentümern und dem Verwalter auch nicht vermieden, sondern eher gefördert. Ein gegen den Verwalter eingestellter Wohnungseigentümer, der die Bedeutung des Entlastungsbeschlusses kennt, wird nämlich bereits diesen anfechten, so dass die Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen bereits im Beschlussanfechtungsverfahren zu klären wäre. Dagegen ist es jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch offen, ob die Wohnungseigentümer überhaupt Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter geltend machen werden.

6. Über Kosten und Geschäftswert ist derzeit nicht zu entscheiden, da das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist.

Ende der Entscheidung

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