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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Urteil verkündet am 25.05.1999
Aktenzeichen: 2Z RR 670/98
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 717 Abs. 2
BGB § 839
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerisches Oberstes Landesgericht

2Z RR 670/98 OLG Bamberg 4 U 106/98 LG Coburg 12 0 39/98

Verkündet am 25. Mai 1999

Die Urkundsbeamtin: Brunner

Justizangestellte

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Dr. Tilch sowie der Richter Lehr, Demharter, Werdich und Dr. Delius

ohne mündliche Verhandlung, dem Schluß der mündlichen Verhandlung entspricht der 17. Mai 1999,

in dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes,

für Recht erkannt:

I. Die Revision des Klägers gegen das Endurteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 9. November 1998 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der beklagten Stadt Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit der Pfändung eines Computers.

Mit Bescheid vom 22.3.1988 verpflichtete die Beklagte den Kläger, sein Grundstück an die Wasserversorgung der Beklagten anzuschließen und diese zu benutzen. Für den Fall, daß der Kläger dieser Verpflichtung nicht nachkommen sollte, drohte die Beklagte Zwangsgeld von insgesamt 3.000 DM an. Nachdem die Rechtsmittel des Klägers gegen den Bescheid vom 22.3.1988 erfolglos geblieben waren; erstellte die Beklagte am 4.10.1994 wegen der Zwangsgelder einschließlich Nebenkosten ein Ausstandsverzeichnis über 3.146,50 DM. Vollstreckungsschutz wurde dem Kläger vom Verwaltungsgericht am 15.11.1994 versagt.

Am 20.12.1994 unternahm der Gerichtsvollzieher einen Vollstreckungsversuch. Der Kläger erklärte sich an diesem Tag gegenüber der Beklagten bereit, den Wasseranschluß vornehmen zu lassen. Die Beklagte beantragte am 28.12.1994 beim Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluß für die Wohnung und die Geschäftsräume des Klägers zum Zwecke der Zwangsvollstreckung aus dem Ausstandsverzeichnis; der Beschluß wurde am 10.1.1995 erlassen. Am 12.1.1995 wurde das Grundstück des Klägers an die städtische Wasserversorgung angeschlossen.

Am 18.1.1995 pfändete der Gerichtsvollzieher einen Computer des Klägers, beließ diesen aber beim Kläger. Durch einstweilige Anordnung vom 14.2.1995 gab das Verwaltungsgericht auf den Antrag des Klägers vom 23.11.1994 der Beklagten auf, die Beitreibung des Zwangsgeldes einzustellen. Gegen diesen Bescheid legte die Beklagte Beschwerde ein, gab aber gleichwohl die gepfändete Computeranlage am 9.3.1995 frei.

Der Kläger ist der Meinung, mit dem Anschluß an die Wasserleitung am 12.1.1995 hätte die Zwangsvollstreckung eingestellt werden müssen. Jedenfalls hätte nachdem Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 14.2.1995 der Pfandgegenstand freigegeben werden müssen. Aufgrund der Pfändung habe er den Auftrag, ein Betriebsdatenerfassungsprogramm zu erstellen, nicht ausführen können, so daß der Vertrag am 20.1.1995 ihm gegenüber gekündigt worden sei und er das vereinbarte Entgelt von 150.000 DM nicht erhalten habe. Außerdem sei die Pfändung Anlaß für einen Umsatzrückgang bei ihm in den Jahren 1995 und 1996 gewesen, den er mit einem Teilbetrag von 50.000 DM geltend mache.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 200.000 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Das Landgericht hat die Klage am 11.5.1998 abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers durch Endurteil vom 9.11.1998 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, der die Beklagte entgegentritt.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seines Urteils unter Bezugnahme auf die Gründe der landgerichtlichen Entscheidung ausgeführt: Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei zu Recht wegen fehlenden Verschuldens abgewiesen worden. Ein Schadensersatzanspruch ohne Verschulden nach § 717 Abs. 2 ZP0 komme nicht in Betracht, weil Zwangsgeldbescheide nicht unter die Vorschrift fielen. Der zuständige Beamte der Beklagten habe erkannt, daß nach dem Anschluß an die Wasserversorgung das Zwangsgeld möglicherweise nicht mehr weiter vollstreckt werden könne. Er habe daher die Frage mit Kollegen erörtert und bei der Landesanwaltschaft und dem zuständigen Sachbearbeiter beim Landratsamt Rücksprache genommen. Dabei sei ihm die Zulässigkeit der weiteren Beitreibung der Zwangsgelder jeweils bestätigt worden. Der Beamte habe damit nicht schuldhaft gehandelt, zumal keineswegs eindeutig sei, ob Art. 37 Abs. 4 Satz 2 VwZVG auf den vorliegenden Fall anwendbar sei. Schließlich habe der Anschluß- und Benutzungszwang durchaus auch im Sinne des Duldens der Anschließung und des Unterlassens der Benutzung eines eigenen Brunnens verstanden werden können. Durch den Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 14.2.1995 sei lediglich die Einstellung der Beitreibung, nicht aber die Aufhebung bisheriger Vollstreckungshandlungen angeordnet worden. Schuldhaftes Handeln ergebe sich auch nicht aus einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz, weil dazu jegliche Anhaltspunkte fehlten. Verschulden könne auch nicht damit begründet werden, daß ein verwirkter Anspruch beigetrieben worden sei. Denn auch insoweit fehle jeglicher Sachvortrag des Klägers.

II.

Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG wegen Verletzung von Amtspflichten der Beklagten gegenüber dem Kläger durch den für die Beklagte handelnden Beamten im Zusammenhang mit der Pfändung des Computers verneint.

1. Verwaltungsakte bayerischer Behörden, mit denen die Vornahme einer Handlung, eine Duldung oder eine Unterlassung gefordert wird, können nach den Vorschriften der Art. 29 ff. des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.11.1970 (BayRS 2010-2-I) mit Zwangsmitteln vollstreckt werden. Eines der in Betracht kommenden Zwangsmittel ist das Zwangsgeld (Art. 29 Abs. 2 Nr. 1 VwZVG). Wird die Pflicht zu einer Handlung, einer Duldung oder einer Unterlassung nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erfüllt, kann die Vollstreckungsbehörde (vgl. dazu Art. 30 Abs. 1 Satz 1 VwZVG) den Pflichtigen durch Zwangsgeld zur Erfüllung anhalten (Art. 31 Abs. 1 VwZVG). Das Zwangsgeld wird nach den Vorschriften der Art. 23 ff. VwZVG beigetrieben, wobei die Androhung des Zwangsgeldes gemäß Art. 36 VwZVG ein Leistungsbescheid im Sinn des Art. 23 Abs. 1 VwZVG ist (Art. 31 Abs. 3 Satz 1, 2 VwZVG). Wird die Pflicht, zu deren Erfüllung durch das Zwangsgeld angehalten werden soll, nicht innerhalb der bei der Androhung gemäß Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG gesetzten Frist erfüllt, so wird die Zwangsgeldforderung im Sinn des Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG fällig (Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG). Das Zwangsmittel kann dann von der Vollstreckungsbehörde, auch wiederholt, angewendet werden (Art. 37 Abs. 1 Satz 1, 2 VwZVG). Die Anwendung ist einzustellen, sobald der Pflichtige seiner Verpflichtung nachkommt (Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG). Die Beitreibung ist jedoch grundsätzlich nur dann einzustellen, wenn der Pflichtige seiner Verpflichtung tatsächlich nachkommt; mit bloßen Erklärungen des Pflichtigen braucht sich die Vollstreckungsbehörde in der Regel nicht zu begnügen (Giehl Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern Art. 37 VwZVG Anm. IV 1). Ein angedrohtes Zwangsgeld ist jedoch grundsätzlich weiter beizutreiben, wenn einer Duldungs- oder Unterlassungspflicht zuwidergehandelt worden ist, deren Erfüllung durch die Androhung des Zwangsgeldes erreicht werden sollte (Art. 37 Abs. 4 Satz 2 VwZVG).

2. Das Bayerische Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz unterscheidet zwischen Handlungs- sowie Duldungs- und Unterlassungspflichten, die Gegenstand einer Vollstreckung sein können (vgl. Art. 29 Abs. 1, Art. 31 Abs. 1 VwZVG). Diese Unterscheidung liegt auch dem Art. 37 Abs. 4 VwZVG zugrunde. Es gilt der Grundsatz, daß die Anwendung der Zwangsmittel einzustellen ist, sobald der Pflichtige seiner Verpflichtung nachgekommen ist. Dieser in Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG aufgestellte Grundsatz erfährt in Satz 2 eine Einschränkung. Danach kann ein angedrohtes Zwangsgeld trotz Erfüllung der Verpflichtung, die erzwungen werden soll, dann weiter beigetrieben werden, wenn es sich bei der Verpflichtung um eine Duldungs- oder Unterlassungspflicht handelt. Die Regelung dient dem Zweck, die sofortige Durchsetzung von Duldungs- oder Unterlassungspflichten zu erleichtern (Giehl aaO Anm. IV 2; vgl. OVG NW DVBl 1989, 889; Engelhardt/App VwVG-VwZG 4. Aufl. § 15 VwVG Anm. 5). Daraus folgt, daß nur bei einer Handlungspflicht die Beitreibung eines zu ihrer Erfüllung angedrohten Zwangsgeldes in keinem Fall mehr zulässig ist, wenn die Pflicht erfüllt ist, dagegen bei Zuwiderhandlungen gegen eine Duldungs- oder Unterlassungspflicht eine weitere Beitreibung grundsätzlich zulässig ist (BayVGH BayVBl 1992, 22).

3. Durch das Zwangsgeld sollten die sich für den Kläger aus dem Bescheid vom 22.3.1988 ergebenden Verpflichtungen erzwungen werden. Dieser Bescheid hat seine Wurzel in einer Satzung der Beklagten, durch die aus Gründen des öffentlichen Wohls der Anschluß an die städtische Wasserversorgung und deren Benutzung vorgeschrieben ist (vgl. Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO). Ziel des Anschluß- und Benutzungszwangs ist es zu erreichen, daß ausschließlich das Wasser der gemeindlichen Wasserversorgung benutzt wird. Im Vordergrund steht damit der Benutzungszwang, während der Anschlußzwang nur eine notwendige Voraussetzung des Benutzungszwangs ist. Der Anschlußzwang verpflichtet dazu, diejenigen Vorrichtungen herzustellen und zu unterhalten, welche die jederzeitige Benutzung des gemeindlichen Wassers ermöglichen, während der Benutzungszwang zur Benutzung der gemeindlichen Wasserversorgungseinrichtung verpflichtet und damit zugleich die Benutzung anderer Wasserquellen untersagt (BayVGHE n.F. 7, 12; 8, 15/19; Widtmann/Grasser GO Art. 24 Rn. 8; Wuttig/Hürholz/Peters Gemeindliches Satzungsrecht in Rechtsprechung und Praxis Teil II Frage 5 Anm. 1, 2). Bei dem im Vordergrund stehenden Benutzungszwang geht es nicht so sehr darum, daß der Pflichtige dazu angehalten wird, das gemeindliche Wasser zu benutzen, als vielmehr darum, ihm die Benutzung von Wasser aus anderen Quellen, z.B. aus einem eigenen Brunnen, zu untersagen. Der untergeordnete Anschlußzwang begründet zwar grundsätzlich eine Handlungspflicht. In aller Regel wird aber entscheidend die Pflicht sein, den Anschluß an die gemeindliche Wasserversorgung zu dulden, die wie hier durch die Städtischen Wasserwerke vorgenommen wird.

Zusammenfassend ergibt sich, daß beim Anschluß- und Benutzungszwang Handlungspflichten nur eine untergeordnete Rolle spielen, maßgebend vielmehr die Pflicht ist, den Anschluß zu dulden und die Benutzung anderen Wassers zu unterlassen. Die Unterlassungsverpflichtung ergibt sich aus dem angeordneten Benutzungszwang und bedarf nicht einer besonderen Aufforderung (so das Verwaltungsgericht in der einstweiligen Anordnung vom 14.2.1995). Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht daher darauf hingewiesen, daß der Anschluß- und Benutzungszwang durchaus als Pflicht des Klägers verstanden werden konnte, den Anschluß an die städtische Wasserversorgung zu dulden und die Benutzung des eigenen Brunnens zu unterlassen. Die Beitreibung des Zwangsgeldes konnte daher auch nach dem tatsächlichen Anschluß des Klägers an die städtische Wasserversorgung weiter betrieben werden, zumal damit zwar der Anschlußzwang, nicht aber auch der Benutzungszwang durchgesetzt war. Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG stand der Beitreibung des Zwangsgelds daher nicht entgegen.

4. Auf die Frage, ob die Beklagte dadurch schuldhaft Amtspflichten gegenüber dem Kläger verletzt hat, daß sie den gepfändeten Computer nicht auf die einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts vom 14.2.1995 hin sogleich freigegeben hat, sondern erst am 9.3.1995, braucht nicht eingegangen zu werden. Denn eine etwa darin liegende Amtspflichtverletzung wäre jedenfalls nicht ursächlich für den geltend gemachten Schaden. Der Vertrag, für den dem Kläger nach seinem Sachvortrag ein Entgelt von 150.000 DM zugesagt war, wurde nämlich bereits am 20.1.1995 gekündigt. Auch hat der Kläger nichts dazu vorgetragen, daß der behauptete Umsatzrückgang seine Ursache gerade in der Freigabe des Computers erst am 9.3.1995 und nicht schon am 14.2.1995 hatte.

Es kann dahinstehen, ob für den Beschluß über die Durchsuchung der Wohnung des Klägers nicht das Amtsgericht sondern das Verwaltungsgericht zuständig gewesen wäre (vgl. BayVGH NJW 1983, 1077). Das Verwaltungsgericht hat zwar durch Beschlug vom 14.2.1995 der Beklagten aufgegeben, die Beitreibung des Zwangsgeldes im Hinblick auf den Anschluß des Klägers an die Wasserversorgung der Beklagten am 12.1.1995 einzustellen. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, daß es den in der Zeit davor, nämlich bereits am 28.12.1994 gestellten Antrag der Beklagten, die Durchsuchung der Wohnung des Klägers anzuordnen, im Gegensatz zum Amtsgericht abgelehnt hätte.

Ende der Entscheidung

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