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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.12.2000
Aktenzeichen: 3 ObOWi 114/00
Rechtsgebiete: StGB, AFG, AÜG, OWiG


Vorschriften:

StGB § 27 Abs. 1
AFG § 227 a Abs. 2 Nr. 1
AFG § 229 Abs. 1 Nr. 2
AÜG Art. 1 § 16 Abs. 1 Nr. 1 a
OWiG § 9
OWiG § 14 Abs. 1
§ 229 Abs. 1 Nr. 2 AFG sanktioniert bei unerlaubter Beschäftigung von Ausländern nur den Arbeitgeber als Täter.
BayObLG Beschluß

3 ObOWi 114/00

28.12.00

Tatbestand:

Der Betroffene war zur Tatzeit Prokurist der Firma A. GmbH und damals zusammen mit anderen Personen für die Akquisition und Organisation von Montagen zuständig. Diese Firma schloß mit der Firma M. einen als Werkvertrag bezeichneten Vertrag mit einer Auftragssumme von 210021,30 DM. Aufgrund dessen hatte die Firma M. auf dem Werksgelände der B. AG in S. vom 12.8. bis 12.11.1996 die Rohrleitungsmontage zu erbringen. Hierfür wurden zehn kroatischen Arbeitnehmern der Firma M. Arbeitserlaubnisse erteilt.

Tatsächlich überließ jedoch die Firma M. diese ihre Arbeitnehmer zur Ausführung der genannten Arbeiten der Firma A. GmbH, obwohl sie keine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung hatte und auch ihre Arbeitnehmer keine Erlaubnis zur Arbeitsaufnahme bei der Firma A. GmbH besaßen. Den entliehenen Arbeitnehmern, die teilweise mit denen der Firma A. GmbH direkt zusammenarbeiteten, wurden vom Bauleiter dieser Firma die einzelnen Arbeiten zugewiesen. Er ordnete ihnen gegenüber auch erforderliche Samstagsarbeit an. Abgerechnet wurde zwischen beiden Firmen ausschließlich nach den von den kroatischen Arbeitern geleisteten Arbeitsstunden.

Der Betroffene kannte die tatsächliche Abwicklung des geschlossenen Vertrags. Er erkannte auch, dass es sich um unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung handelte.

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen am 5.9.2000 wegen vorsätzlichen Tätigwerdenlassens eines von einem Verleiher ohne Erlaubnis überlassenen Leiharbeitnehmers in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Beschäftigen eines Ausländers zur Geldbuße von 5000 DM.

Die auf die Verletzung des formellen und des materiellen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte mit der Sachrüge vorläufigen Erfolg.

Aus den Gründen:

1. Allerdings tragen die Feststellungen des Amtsrichters seine Auffassung, dass die Firma M. auf der Baustelle in S. nicht etwa als Subunternehmerin der Firma A. GmbH oder auf sonstiger werk- oder dienstvertraglicher Grundlage tätig wurde, sondern ihre Arbeiter der Firma A. GmbH als Leiharbeitnehmer überlassen hat. Denn bei Ausführung der in Rede stehenden Arbeiten standen hinsichtlich der kroatischen Arbeiter das Recht der Arbeitsorganisation und das Weisungsrecht nicht der Firma M., sondern der Firma A. GmbH zu. Auch zeigt die ausschließliche Abrechnung auf Stundenbasis, dass die Firma M. ihre Vertragspflichten erfüllt hatte, sobald sie ihre Arbeitskräfte der Firma A. GmbH zur Verfügung gestellt hatte. Das Leistungs- und Vergütungsrisiko wie auch das Gewährleistungs- und Haftungsrisiko des Werkunternehmers hatte sie dagegen nicht zu tragen.

Angesichts der Zahl der Leiharbeitnehmer und der Dauer ihrer Überlassung bestehen auch keine Bedenken gegen die Ansicht des Amtsrichters, dass der Inhaber bzw. der Verantwortliche der Firma M. gewerbsmäßig im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 1 AÜG gehandelt hat.

Keine Bedenken bestehen angesichts der tatsächlichen Vertragsabwicklung gegen die Feststellung des Amtsrichters, wonach der Betroffene erkannt hat, dass die Arbeiter der Firma M. von der Firma A. GmbH als Leiharbeitnehmer beschäftigt wurden.

2. Da im vorliegenden Fall die Arbeitnehmerüberlassung gewerbsmäßig erfolgte, also gemäß Art. 1 § 1 AÜG erlaubnispflichtig war, und ausländische Arbeitnehmer verlieben wurden, die gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 AFG für die ausgeübte Tätigkeit eine Erlaubnis benötigten, greift für den Entleiher neben Art. 1 § 16 Abs. 1 Nr. 1 a AÜG tateinheitlich (§ 19 OWiG) der Tatbestand des § 229 Abs. 1 Nr. 2 AFG ein (vgl. z.B. BayObLGSt 1995, 30 m.w.N.), nicht dagegen der des § 404 Abs. 2 Nr. 2 SGB III. Während nämlich § 404 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 des insoweit am 1.1.1998 in Kraft getretenen SGB III die illegale Ausländerbeschäftigung mit Geldbuße bis zu 500000 DM bedroht, war dieser Verstoß zur Tatzeit durch § 229 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 AFG in der Fassung des Art. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung (BillBG) vom 15.12.1981 (BGBl I S. 1390/1392) nur mit Geldbuße bis 100000 DM bedroht, so dass das zur Tatzeit geltende Gesetz anzuwenden ist (§ 4 Abs. 1, 3 OWiG).

3. Jedoch tragen die Urteilsfeststellungen nicht die Auffassung des Amtsrichters, dass der Betroffene gegen die genannten Bestimmungen verstoßen hat. Dort ist zur innerbetrieblichen Kompetenz des Betroffenen lediglich ausgeführt, dass er für die Akquisition und die Organisation von Montagen zuständig war. Die Annahme, dass er durch die bloße Akquisition der in Rede stehenden Montage gegen das AÜG bzw. das AFG verstoßen haben könnte, findet im angefochtenen Urteil keine Stütze. Soweit er mit der Organisation der genannten Arbeiten befasst war, bleibt mangels näherer Ausführungen im angegriffenen Urteil unklar, ob der Betroffene die kroatischen Leiharbeitnehmer selbst eingestellt bzw. deren Einstellung angeordnet hat oder ob sie von einem Dritten eingestellt wurden und er lediglich ihren Einsatz bei den Montagearbeiten organisiert hat. Von der Klärung dieser Frage hängt es aber ab, ob und gegebenenfalls in welcher Form der Betroffene gegen das AFG bzw. das AÜG verstoßen hat. § 229 Abs. 1 Nr. 2 AFG bedroht in Fällen unerlaubter Beschäftigung von Ausländern als Täter nur den Arbeitgeber mit Geldbuße. Dies ergibt sich aus der Formulierung: "entgegen § 19 Abs. 1 Satz 6" (AFG). Dort nämlich ist festgelegt, dass Arbeitgeber nichtdeutsche Arbeitnehmer nur beschäftigen dürfen, wenn diese eine Erlaubnis nach § 19 Abs. 1 Satz 1 AFG besitzen. Entsprechendes gilt für die schon durch Art. 1 Nr. 3 Buchstabe a) Buchstaben aa) des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung (BillBG) vom 15.12.1981 (BGBl I S. 1390) in das AÜG vom 7.8.1972 (BGBl I S. 1393) eingefügte Norm des Art. 1 § 16 Abs. 1 Nr. 1 a AÜG. Tätig werden läßt im Sinne dieser Bestimmung den Leiharbeitnehmer nur der Entleiher (vgl. dazu auch BT Drucks 9/847 S. 9, VI/2303 S. 15), der in Fällen illegalen Verleihs der hier gegebenen Art zum Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers wird (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG). Entleiher im Sinne des Art. 1 § 16 Abs. 1 Nr. 1 a AÜG ist deswegen nur, wer auch Arbeitgeber im Sinne des § 229 Abs. 1 Nr. 2 AFG ist. Entleiher sind dagegen nicht im entleihenden Betrieb tätige Personen, die nicht mit dem Entleihen des Arbeitnehmers entscheidungskompetent befasst sind, sondern nur dessen konkreten Arbeitseinsatz planen und/oder regeln. Denn während der Entleiher entscheidet, ob er einen Leiharbeitnehmer im Sinn des Art. 1 § 16 Abs. 1 Nr. 1 a AÜG tätig werden läßt, nimmt der damit nicht befasste Betriebsangehörige nur auf die Art und Weise der Tätigkeit des Leiharbeitnehmers Einfluß. Dies hat zur Konsequenz, dass Personen, die weder der Arbeitgeber bzw. der Entleiher des Leiharbeitnehmers sind noch zum Personenkreis des § 9 Abs. 1 oder Abs. 2 OWiG gehören, nur dann gegen § 229 Abs. 1 Nr. 2 AFG bzw. Art. 1 § 16 Abs. 1 Nr. 1 a AÜ verstoßen, wenn sie sich an einer solchen - vorsätzlich begangenen - Tat im Sinne des § 14 Abs. 1 OWiG vorsätzlich beteiligen.

Für das weitere Verfahren wird bemerkt:

1. Zunächst wird zu klären sein, ob der Betroffene im Sinne des § 9 OWiG für die Einstellung der Leiharbeitnehmer bei der Firma A. GmbH zuständig war und diese Arbeitnehmer auch selbst eingestellt oder deren Beschäftigung veranlaßt hat.

War dies der Fall, so wird weiterhin zu prüfen sein, ob sich der Betroffene eines Vergehens nach § 227 a Abs. 2 Nr. 1 AFG (jetzt § 407 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) schuldig gemacht hat. Dies liegt angesichts der Zahl der entliehenen Arbeitnehmer und des Zeitraums, währenddessen sie beschäftigt wurden, zwar nahe. Den bisherigen Urteilsfeststellungen ist aber nicht sicher zu entnehmen, ob mehr als fünf von ihnen gleichzeitig mehr als 30 Kalendertage beschäftigt wurden. Gegebenenfalls wird gemäß § 81 OWiG in das Strafverfahren überzugehen ein. Ist der Betroffene wegen Verstoßes gegen die genannten Bußgeldnormen zu verurteilen, so handelt es sich nicht nur um einen, sondern um eine der Zahl der illegalen Arbeitnehmer bzw. der Leiharbeitnehmer (hier also zehn) entsprechende zahl von rechtlich zusammentreffenden Verstößen gegen das AFG, die in Tateinheit mit einer entsprechenden Zahl von rechtlich zusammentreffenden Ordnungswidrigkeiten nach dem AÜG stehen.

War der Betroffene für die Beschäftigung der kroatischen Arbeitnehmer nicht im Sinne des § 9 OWiG verantwortlich, so wird zu klären sein, ob der in der Firma A. GmbH für die Anstellung dieser Arbeitnehmer Verantwortliche vorsätzlich gehandelt hat. Dies legen die bisherigen Urteilsausführungen sehr nahe, bedarf aber der ausdrücklichen Feststellung. Nur dann nämlich kommt eine Verurteilung des Betroffenen wegen Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zu einem Vergehen nach § 227 a Abs. 2 Nr. 1 AFG bzw. wegen Beteiligung (§ 14 OWiG) an unerlaubter Beschäftigung nichtdeutscher Arbeitnehmer nach § 229 Abs. 1 Nr. 2 AFG und der illegalen Arbeitnehmerüberlassung nach Art. 1 § 16 Abs. 1 Nr. 1 a AÜG in Betracht. Der Betroffene konnte zur Haupttat Beihilfe leisten bzw. sich an ihr beteiligen, weil die Haupttat mit der Einstellung der ausländischen Arbeitnehmer zwar vollendet, aber erst mit ihrer Ausstellung beendet war. Die Haupttat wurde durch die Organisation der von diesen Arbeitnehmern auszuführenden Arbeiten auch gefördert.

2. In der Liste der angewandten Vorschriften (§ 260 Abs. 5 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG) sind nur die tatsächlich angewandten, hier also nicht die des SGB III, sondern nur die zur Tatzeit geltenden Bestimmungen des § 227 a Abs. 2 Nr. 1 AFG, gegebenenfalls auch § 27 Abs. 1 StGB, bzw. des § 229 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 AFG, gegebenenfalls auch § 14 OWiG, ferner, falls es beim Bußgeldverfahren verbleibt, Art. 1 § 16 Abs. 1 Nr. 1 a AÜG, § 19 OWiG anzuführen. § 19 AFG und Art. 1 S 1 AÜG brauchen dagegen nicht genannt zu werden.

Ende der Entscheidung

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