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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.06.1999
Aktenzeichen: 3 ObOWi 49/99
Rechtsgebiete: OWiG, FPersV


Vorschriften:

OWiG § 79 Abs. 1 Satz 2
OWiG § 16
OWiG § 79 Abs. 6
OWiG § 80 a Abs. 1
OWiG § 80 a Abs. 3
OWiG § 79 Abs. 5 Satz 1
FPersV § 4 Abs. 1 Satz 1
FPersV § 8 Nr. 1 Buchstabe a
FPersV § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
FPersV § 4 Abs. 1 Satz 1
FPersV § 4 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerisches Oberstes Landesgericht

Beschluß

3 ObOWi 49/99

Der 3. Senat für Bußgeldsachen des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Bayerischen Obersten Landesgericht Lancelle sowie der Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. Vitzthum und Dr. Pettenkofer

am 21. Juni 1999

in dem Bußgeldverfahren

gegen

K. R.

wegen

Verstoßes gegen die Fahrpersonalverordnung

nach Anhörung der Staatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 18. Januar 1999 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Richter des Amtsgerichts Wolfratshausen zurückverwiesen.

I.

Dem Betroffenen wurde vom Gewerbeaufsichtsamt M. mit Bußgeldbescheid vom 4.8.1998 angelastet, er habe als Fahrer eines Lkw mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von 24 Tonnen am 17.7.1998 dem Kontrollbeamten fahrlässigerweise keine Bescheinigung des Unternehmens oder einen anderen Nachweis dafür vorlegen können, daß er am 13., 14., 15. und 16.7.1998 kein bzw. kein nachweispflichtiges Fahrzeug gelenkt hatte.

Auf seinen Einspruch hin sprach das Amtsgericht Wolfratshausen den Betroffenen am 18.1.1999 von diesem Vorwurf frei. Zur Begründung ist in diesem Urteil ausgeführt, der Betroffene habe nach der Weigerung des stellvertretenden Betriebsinhabers, ihm eine solche Bescheinigung auszustellen, die Durchführung der Fahrt nicht ablehnen müssen. Vielmehr habe er schuldlos gehandelt, als er die Anweisung seines Arbeitgebers befolgte, die Fahrt durchzuführen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, deren Zulassung sie beantragt.

II.

Die nach ihrer Zulassung statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG) und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

Der Betroffene war anläßlich seiner Kontrolle gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der Fahrpersonalverordnung (FPersV) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Fahrpersonalverordnung vom 20.5.1998 (BGBl I S. 1127) verpflichtet, eine Bescheinigung des Unternehmers oder einen anderen geeigneten Nachweis vorzulegen. Denn entgegen Art. 15 Abs. 7 VO (EWG) Nr. 3821/85 konnte er die Schaublätter für die laufende Woche sowie für den letzten Tag der vergangenen Woche, an dem er gefahren war, nicht vorlegen, weil er nach seiner Darstellung in dieser Zeit keine bzw. nur solche Fahrzeuge gelenkt hatte, für deren Führen keine Nachweispflicht besteht. Wer gegen diese Bestimmung vorsätzlich oder fahrlässig verstößt, handelt gemäß § 8 Nr. 1 Buchstabe a) FPersV ordnungswidrig. Dieser Verstoß ist gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 des Fahrpersonalgesetzes (FPersG), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes zur Reform des Güterkraftverkehrsrechts vom 22.7.1998 (BGBl I S. 1485/1495) mit Geldbuße bedroht.

Weder den Bestimmungen der FPersV noch denen des FPersG ist zu entnehmen, daß der Fahrer immer dann schuldlos handelt, wenn er dem Kontrollbeamten keine solche Bescheinigungen vorlegen kann, weil er die Fahrt auf Anweisung des Unternehmers durchgeführt hat, ohne sich von ihm eine solche Bescheinigung ausstellen zu lassen. Der Fahrer darf deswegen trotz der Anweisung des Unternehmers die Fahrt grundsätzlich nicht durchführen, wenn er nicht in der Lage sein wird, dem Kontrollbeamten eine Bescheinigung des Unternehmers oder einen anderen geeigneten Nachweis im Sinn des § 4 Abs. 1 Satz 1 FPersV vorzulegen. Denn wenn sich der Unternehmer unter Verstoß gegen seine sich aus § 4 Abs. 1 Satz 2 FPersV ergebende Pflicht weigert, eine entsprechende Bescheinigung auszustellen, den Fahrer aber gleichwohl anweist, die Fahrt durchzuführen, so verstößt er seinerseits gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 FPersV, und diese Ordnungswidrigkeit ist gemäß § 8 Nr. 2 Buchstabe a) FPersV, § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 FPersG mit Geldbuße bedroht. Ein Rechtsgrundsatz etwa des Inhalts, daß der Fahrer schuldlos handelt, wenn er rechtswidrige Weisungen des Unternehmers befolgt, ist dem Fahrpersonalrecht fremd. Das Verhalten des Betroffenen könnte deshalb nur dann gerechtfertigt sein, wenn er die Fahrt aufgrund eines Notstandes im Sinne des § 16 OWiG durchgeführt hat. Hierfür bieten aber die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen keinerlei Anhaltspunkte.

III.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird daher das Urteil des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 18.1.1999 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an einen anderen Richter des Amtsgerichts Wolfratshausen zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

Der Senat entscheidet nach Übertragung der Sache durch den Einzelrichter (§ 80 a Abs. 3 OWiG) in der Besetzung mit drei Richtern (§ 80 a Abs. 1 OWiG) durch Beschluß gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.

VI.

Für das weitere Verfahren wird bemerkt:

Weigert sich der Unternehmer, selbst eine Bescheinigung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 FPersV auszustellen, wird der Fahrer zunächst zu prüfen haben, ob er vom Personal dieses Unternehmens "einen anderen geeigneten Nachweis" im Sinn des § 4 Abs. 1 Satz 1 FPersV erhalten kann. Erst wenn auch diese Möglichkeit ausscheidet, kann sich der Fahrer bei Durchführung der Fahrt ohne die in Rede stehende Bescheinigung dann in einem rechtfertigenden Notstand im Sinne des § 16 Satz 1 OWiG befinden, wenn ihm bei Mißachtung der entsprechenden Weisung des Unternehmers der Verlust des Arbeitsplatzes droht. Denn der Arbeitsplatz ist "ein anderes Rechtsgut" im Sinne dieser Bestimmung (vgl. z.B. BayObLGSt 1994. 108/115; 1953, 124; OLG Oldenburg NJW 1978, 1869). Die Annahme eines solchen Notstandes setzt aber zunächst die Feststellung voraus, daß der Fahrer im Falle weisungswidrigen Verhaltens mit der Kündigung ernsthaft zu rechnen hatte. Zur Prüfung der Frage, ob im Einzelfall eine solche Gefahr bestand, wird regelmäßig der Unternehmer bzw. der verantwortliche Disponent zu hören sein. Zudem wird in der Regel der Sachbearbeiter des zuständigen Gewerbeaufsichtsamtes dazu zu vernehmen sein, ob die bisher durchgeführten Kontrollen des Unternehmens Anhaltspunkte für derartige Praktiken ergeben haben. Schließlich wird sich gegebenenfalls der Tatrichter mit der Frage auseinanderzusetzen haben, aus welchen Gründen es dem Fahrer nicht zumutbar gewesen ist, die rechtswidrige Weisung zu mißachten und einen Kündigungsprozeß oder einen Arbeitsplatzwechsel in Kauf zu nehmen. Denn angesichts der erheblichen Bedeutung der Bestimmungen des Fahrpersonalrechts für die Sicherheit des Straßenverkehrs wird die Beachtung rechtswidriger Weisungen nur ganz ausnahmsweise durch einen Notstand im Sinne des § 16 Satz 1 OWiG gerechtfertigt sein.

Ende der Entscheidung

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