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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.11.2001
Aktenzeichen: 3 ObOWi 81/01
Rechtsgebiete: StVO


Vorschriften:

StVO § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1
StVO § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3
Zur Frage der Höchstgeschwindigkeit eines als Omnibus und LKW zugelassenes Fahrzeug mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 t.
Tatbestand:

Bei einer Verkehrskontrolle am 15.11.2000 wurde gegen 9.30 Uhr festgestellt, dass der Betroffene den Transporter Daimler Benz mit über 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht zwischen 8 Uhr und 9.30 Uhr mindestens viermal mit Geschwindigkeiten laut Schaublatt von 112 km/h gefahren hatte, außerdem fehlte auf dem Schaublatt der Vorname des Betroffenen und der Fahrzeugschein wurde nicht mitgeführt. Laut Fahrzeugbrief kann dieses Fahrzeug wahlweise als Kraftomnibus und als Lkw benutzt werden. Als Kraftomnibus wird ihm die Eignung bescheinigt, auf Bundesautobahnen eine Geschwindigkeit von 100 km/h zu fahren. Zum Kontrollzeitpunkt war nur der Fahrersitz im Fahrzeug und dieses selbst als Lastwagen eingerichtet und beladen.

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen am 29.3.2001 wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung mit mindestens vier Spitzen in Tateinheit mit Nichtmitführen des Fahrzeugscheins und unvollständiger Ausfüllung einer Diagrammscheibe zu einer Geldbuße von 600 DM und erlegte ihm ein einmonatiges Fahrverbot auf.

Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte keinen Erfolg.

Gründe:

1. Der Schuldspruch begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

1.1. Die Rüge der verspäteten Urteilsabsetzung ist zumindest unbegründet, da das Urteil ausweislich Blatt 59 der Akten am 25.4.2001, also innerhalb der Fünfwochenfrist des § 275 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StPO zu den Akten gelangt ist. Eines Vermerks auf der Urteilsausfertigung bedarf es insoweit nicht.

1.2. Die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO ist ebenfalls unbegründet; denn der Tatrichter war zu der vom Betroffenen vermissten Aufklärung nicht gedrängt. Die Beweisbehauptung der Rechtsbeschwerde, die Auskunft der Zulassungsstelle hätte ergeben, dass im Laderaum des Fahrzeugs befindliche Rücksitze ausgebaut gewesen seien, gleichwohl eine Zulassung für eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h ohne Einschränkung erteilt worden sei, findet nämlich in dem von der Verteidigung angeführten Kfz-Brief keine Stütze. Der Kfz-Brief weist nämlich unter A Ziffer 33 nur aus, dass das (zunächst) als Kraftomnibus zugelassene Fahrzeug für eine Geschwindigkeit von 100 km/h auf Bundesautobahnen geeignet ist. Dies entspricht der in § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a StVO u.a. genannten Voraussetzung dafür, dass ein Kraftomnibus ohne Anhänger auf Autobahnen eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h einhalten darf. Hiervon ist auch das Amtsgericht ausgegangen. Von einer Zulassung für eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h ohne Beschränkung kann daher keine Rede sein, zumal auch die Zulassung im Kfz-Brief zur alternativen Verwendung als Lkw keinerlei Angaben über eine Höchstgeschwindigkeit enthält.

1.3. Auch sachlich-rechtlich hält der Schuldspruch einer Überprüfung stand.

1.3.1. Der Amtsrichter hat den Betroffenen zu Recht wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 18 StVO, § 24 StVG verurteilt. Das vom Betroffenen geführte Fahrzeug weist nach den Feststellungen des Tatrichters ein zulässiges Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t auf, so dass es auch über § 23 Abs. 6 a StVZO nicht als Personenkraftwagen eingeordnet werden kann. Zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsüberschreitung war das Fahrzeug auch nicht als Kraftomnibus eingesetzt, so dass auch die Bestimmung des § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 StVO nicht zur Anwendung kommen kann, abgesehen davon, dass der Betroffene auch nach dieser Vorschrift die höchstzulässige Geschwindigkeit (wenn auch in geringerem Maße) überschritten hätte.

Kraftomnibusse sind Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung von mehr als neun Personen (einschließlich Führer) geeignet und bestimmt sind. ob diese in § 4 Abs. 4 Nr. 2 PBefG enthaltene Legaldefinition unmittelbar auch für die StVO gilt (vgl. Lütkes Straßenverkehr PBefG § 4 Anm. 5), kann hier dahinstehen; denn sie stimmt zumindest mit der in § 15 d Abs. 1 Nr. 1 StVZO a.F. aufgeführten überein. Zwar ist auch diese Vorschrift zusammen mit dem gesamten Kapitel "A. Personen" (§§ 1 bis 15 l) der StVZO durch die Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr und zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften FeV - vom 18.8.1998 (BGBl I S. 2214) aufgehoben worden. Aus § 6 Abs. 4 FeV erschließt sich aber, dass der dort verwendete Begriff des Kraftomnibusses sich auf die in Absatz 1 Klasse D und D1 genannten Kraftfahrzeuge erstreckt und damit die Personenbeförderung das konstituierende Merkmal des Kraftomnibusses darstellt.

Die Eignung und Bestimmung zur Personenbeförderung ist aber nicht nur entscheidendes Kriterium für die Bestimmung der Fahrerlaubnisklasse, sondern auch für die Frage der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Denn die Erhöhung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, gegenüber den Kraftfahrzeugen gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO beruht auf einer Entscheidung der Zulassungsbehörde aufgrund der technischen Eignung des einzelnen Kraftomnibusses unter Berücksichtigung der Verkehrssicherheit (vgl. hierzu Bouska DAR 1983, 262/263). Diese wird aber wesentlich davon beeinflusst, ob das Fahrzeug zur Beförderung von Personen oder von Gütern eingesetzt wird. Dem gemäß hängt die Zulassung des Kraftomnibusses unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 StVO für die Frage der Höchstgeschwindigkeit auch davon ab, dass er die Eignung und Bestimmung zur Personenbeförderung behält. Dies war aber nach dem vom Amtsgericht festgestellten Ausbau der Fahrgastsitze und der Beladung mit Gütern nicht mehr der Fall. Die alternative Zulassung als Lkw bedeutet demgegenüber hinsichtlich der Frage der Höchstgeschwindigkeiten nur, dass die für Lkw geltenden Regeln zur Anwendung kommen.

Auch die Überlegung des Tatrichters, dass der Betroffene bei Anwendung der ihm möglichen und zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass er zum Tatzeitpunkt mit einem Lkw und nicht mit einem Kraftomnibus unterwegs gewesen sei, begegnen im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar hat der Amtsrichter damit einen Tatbestandsirrtum zugrunde gelegt, der nach seiner Überzeugung nur zu einer fahrlässigen Begehungsweise geführt hat (§ 11 Abs. 1 Satz 2 OWiG). Ob es sich hinsichtlich der Bewertung des geführten Fahrzeugs als Kraftomnibus um einen Tatbestands- oder aber um einen Verbotsirrtum handelt, kann im vorliegenden Fall jedoch dahinstehen, da der Betroffene durch die Annahme von Fahrlässigkeit nicht beschwert ist. Gleiches gilt auch für die Annahme einer Geschwindigkeitsüberschreitung mit zumindest vier Spitzen.

Das angefochtene Urteil leidet allerdings insoweit an einem Mangel, als der Tatrichter die Einhaltung einer Geschwindigkeit "laut Schaublatt von 112 km/h" angenommen. insoweit aber den Toleranzabzug von 6 km/h (vgl. Hentschel Straßenverkehrsrecht 36. Aufl. StVZO § 57 a Rn. 6 m. w. N.) nicht berücksichtigt hat. Dies hat aber keine Auswirkungen auf den Schuldspruch, sondern ist nur bei der Rechtsfolgenentscheidung zu erörtern.

1.3.2. Die Verurteilung wegen Nichteintragung des Vornamens in das Schaublatt gemäß Art. 15 Abs. 5 Buchst. a VO (EWG) Nr. 3821/85, § 10 Nr. 3 Buchst. b FPersV, § 8 Abs. 1 Nr. 2 FPersG und wegen Nichtmitführens des Kfz-Scheins gemäß § 24 Satz 2, § 69 a Abs. 2 Nr. 9 Buchst. a StVZO, § 24 StVG ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Ersichtlich geht das angegriffene Urteil auch insoweit von fahrlässiger Begehungsweise aus.

1.3.3. Die Annahme eines tateinheitlichen Zusammentreffens der festgestellten Ordnungswidrigkeiten beschwert den Betroffenen nicht.

2. Auch der Rechtsfolgenausspruch hält im Ergebnis einer rechtlichen Überprüfung stand (wird ausgeführt).

Ende der Entscheidung

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