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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.02.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 10/01
Rechtsgebiete: BVormVG


Vorschriften:

BVormVG § 1 Abs. 3
Es steht im pflichtgemässen Ermessen des Tatrichters ob, für welchen Zeitraum und in welchem Ausmaß einem Berufsbetreuer auf der Grundlage von § 1 Abs. 3 BVormVG ein Härteausgleich gewährt wird.
BayObLG Beschluss

LG Regensburg 7 T 227/00; AG Regensburg XVII 0925/96

3Z BR 10/01

21.02.01

BayObLGZ 2001 Nr.10

Der 3.Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl und Dr. Schreieder

am 21.Februar 2001

in der Betreuungssache

auf die sofortige weitere Beschwerde der Betreuerin

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 13. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 17.10.1996 bestellte das Amtsgericht für die mittellose Betroffene eine Berufsbetreuerin.

Deren Vergütung aus der Staatskasse legte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zunächst einen Stundensatz von 75 DM, ab dem vierten Quartal 1997 einen Stundensatz von 60 DM jeweils zuzüglich Umsatzsteuer zugrunde.

Mit Schreiben vom 16.12.1999 regte die Staatskasse an, die der Betreuerin für das erste, zweite und dritte Quartal 1999 zustehende Vergütung gerichtlich festzusetzen, und zwar auf der Basis eines Stundensatzes von 45 DM. Gemäß dem von ihr vorgelegten Diplom verfüge die Betreuerin allenfalls über die für einen Stundensatz von 45 DM erforderliche, nicht jedoch über die für einen Stundensatz von 60 DM notwendige Qualifikation.

Mit Beschluss vom 29.2.2000 setzte das Amtsgericht die Nettovergütung für den betreffenden Zeitraum gleichwohl unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 60 DM fest. Dies sei aufgrund der Übergangsregelung des § 1 Abs. 3 BVormVG gerechtfertigt.

Auf die sofortige Beschwerde der Staatskasse hat das Landgericht der Betreuerin mit Beschluss vom 13.12.2000 lediglich einen Stundensatz von 50 DM zugebilligt und den amtsgerichtlichen Festsetzungsbeschluss entsprechend abgeändert. Hiergegen wendet sich die Betreuerin mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere vom Landgericht zugelassen (§ 69e Satz 1, § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG), bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat die Bemessung des Stundensatzes wie folgt begründet:

Die Übergangsregelung des § 1 Abs. 3 BVormVG rechtfertige es nicht, der Betreuerin, deren Qualifikation lediglich die Voraussetzungen für einen Stundensatz von 45 DM erfülle, weiterhin den bisherigen Stundensatz von 60 DM zuzugestehen. Unter den gegebenen Umständen sei vielmehr, ungeachtet der Vorschrift des § 1 Abs. 3 Satz 2 BVormVG, wonach eine übergangsweise zu zahlende Vergütung sich an der bisherigen Vergütung orientieren soll, eine Abschmelzung des bisherigen Stundensatzes auf 50 DM vorzunehmen. Die Betreuerin habe nicht dargelegt, dass sie beabsichtige, durch eine Fortbildung im Sinne des § 2 BVormVG die Qualifikation für den höheren Stundensatz von 60 DM zu erwerben. Soweit sie vorbringe, neben dem Verdienst aus ihrer Dolmetschertätigkeit und dem Bezug einer Betriebsrente nach ihrem verstorbenen Ehemann etwa die Hälfte ihres Einkommens aus der Betreuung mittelloser Betreuter zu erzielen und im Vertrauen auf die weitere Gewährung des bisherigen Stundensatzes von 60 DM Aufwendungen gemacht zu haben, vermöge dies einen höheren Stundensatz als 50 DM nicht zu rechtfertigen. Die Betreuerin habe bei den in jüngerer Zeit getätigten Investitionen nicht mehr darauf vertrauen dürfen, dass ihr der bisherige Stundensatz auch zukünftig ohne jedwede Einschränkung gewährt werde. Insbesondere wegen der beträchtlich angestiegenen Belastung der Etats der Länderjustizminister durch die daraus zu zahlenden Betreuervergütungen sei eine Änderung des Vergütungsrechts für Berufsbetreuer bereits seit Herbst 1995 öffentlich diskutiert worden und eine Verschlechterung der Einkommenssituation der Berufsbetreuer absehbar gewesen. Die Unfallversicherung, die Krankenzusatzversicherung und die private Rentenversicherung der Betreuerin seien nicht ausschließlich der Betreuertätigkeit zuzuordnen. Entsprechendes gelte für die Anschaffung des neuen Fahrzeugs, für die Einrichtung eines Arbeitszimmers und für die Installation eines Telefon- bzw-. Telefaxanschlusses. Schließlich sei auch nicht nachvollziehbar, dass die Betreuerin nur zur Fertigung von Abrechnungen eine eigene Kraft eingestellt habe, der sie monatlich 630 DM zahle.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).

a) Der Stundensatz, der der Vergütung eines Berufsbetreuers aus der Staatskasse zugrunde zu legen ist, beträgt gemäß der seit 1.1.1999 geltenden gesetzlichen Regelung je nach der Qualifikation des Betreuers 35, 45 oder 60 DM (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1836a BGB, § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 BVormVG).

Hat der Betreuer Betreuungen schon seit mindestens 1.1.1997 berufsmäßig geführt, kann ihm das Gericht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG für den Zeitraum bis zum 30.6.2001 einen über 35 bzw. 45 DM hinausgehenden Stundensatz zubilligen, und zwar unabhängig davon, wann der Betreuer die konkrete Betreuung, für die er die Vergütung beansprucht, übernommen hat (vgl. OLG Düsseldorf FGPrax 2000, 194; OLG Hamm FGPrax 2000, 20). Die Bestimmung des § 1 Abs. 3 BVormVG stellt eine Härteregelung dar. Sie will unzumutbare Nachteile vermeiden, die sich für Berufsbetreuer aus dem Wechsel der für die Vergütung ihrer Tätigkeit maßgeblichen Bemessungskriterien ergeben können (vgl. BayObLGZ 2000, 136/138). Sie dient der Besitzstandswahrung (vgl. OLG Dresden FamRZ 2000, 552/553; OLG Hamm FGPrax 1999, 223 und 2000, 20; Wagenitz/Engers FamRZ 1998, 1273/ 1275) und gewährt Vertrauensschutz im Hinblick darauf, dass die auf den bisher erzielten Einnahmen beruhenden Einkommenserwartungen in der Regel einen wesentlichen Faktor finanzieller Dispositionen und wirtschaftlicher Kalkulation darstellen. Die seit mindestens zwei Jahren tätigen Berufsbetreuer, denen bisher höhere Stundensätze bewilligt wurden als ihnen nach der Neuregelung zustünden, sollen Gelegenheit erhalten, sich der veränderten Vergütungssituation anzupassen, z.B. indem sie durch die in § 2 BVormVG vorgesehene Umschulung und Fortbildung eine zu einem höheren Stundensatz führende Qualifikation erreichen oder die Unkosten in einer Weise reduzieren, dass ihnen ihre Tätigkeit auch bei geringerer Vergütung eine ausreichende Existenzgrundlage verschafft (vgl. BayObLGZ 2000, 136/138 f.. und 2000 Nr.71; OLG Braunschweig BtPrax 2000, 130; OLG Düsseldorf FGPrax 2000, 194; OLG Hamm FGPrax 1999, 223/224 und 2000, 20; Dodegge NJW 2000, 2704/2713).

Ob, für welchen Zeitraum und in welchem Ausmaß einem Berufsbetreuer auf der Grundlage von § 1 Abs. 3 BVormVG ein Härteausgleich gewährt wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters (vgl. BayObLGZ 2000, 136/138; OLG Dresden FamRZ 2000, 552/553; Zimmermann FamRZ 1999, 630/635). Dieser hat alle nach dem Sinn und Zweck der Härteregelung relevanten Umstände zu berücksichtigen, in erster Linie, wie erheblich der dem Betreuer nunmehr noch zustehende Stundensatz hinter dem bisher gewährten zurückbleibt (vgl. OLG Dresden FamRZ 2000, 552/553). Das Ermessen des Gerichts ist allerdings insoweit eingeschränkt, als der abweichend von § 1 Abs. 1 BVormVG zuzubilligende Stundensatz zwar 60 DM nicht übersteigen darf (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG), sich jedoch an dem bisherigen Stundensatz orientieren soll (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BVormVG).

b) Die Ermessensentscheidung des Tatrichters ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nur eingeschränkt überprüfbar (BayObLGZ 2000, 136/138). Diese Überprüfung ergibt hier keinen Rechtsfehler. Das Landgericht hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt verfahrensfehlerfrei und damit für den Senat bindend festgestellt (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 ZPO). Auch seine Überlegungen zur Ausübung des Ermessens sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Kammer hat bei ihrer Entscheidung die dargestellten Grundsätze beachtet, insbesondere alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und in vertretbarer Weise gewichtet. Ihre Erwägungen rechtfertigen es auch unter Berücksichtigung des § 1 Abs. 3 Satz 2 BVormVG, der Betreuerin nur einen unter 60 DM liegenden Stundensatz zuzuerkennen. Nach dieser Vorschrift stellt die bisherige Vergütung einen zwar besonders wichtigen Orientierungspunkt, aber nicht das ausschließliche Kriterium für die Höhe der zu gewährenden Vergütung dar (vgl. auch LG Koblenz FamRZ 2000, 181 und Zimmermann FamRZ 1999, 630/635 f.). Jedenfalls wenn die bisherige Vergütung den nach der Neuregelung gültigen Höchstbetrag nur geringfügig übersteigt oder gar, wie hier, im Rahmen des nach der Neuregelung Zulässigen liegt, darf der Tatrichter für die Bemessung des Umfangs des Härteausgleichs Umstände, die nach der Intention des Gesetzgebers die Grundlage hierfür bilden, bei der Ausübung seines Ermessens berücksichtigen. Die Erwägungen des Landgerichts insbesondere zur Frage der Härte für die Betreuerin, etwa zu Umfang und Bedeutung der durch sie getätigten Investitionen und deren Berücksichtigung bei der Festlegung des Stundensatzes, sind nicht zu beanstanden. Auf die Schwierigkeit der konkreten Betreuung hat das Landgericht zu Recht nicht abgestellt (vgl. OLG Hamm FGPrax 1999, 223).

3. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass der Betreuerin bei ihr anfallende Umsatzsteuer zusätzlich zu dem festgesetzten Vergütungsbetrag zu erstatten ist (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BVormVG). Mit dem Beschluss vom 29.2.2000 ist lediglich die Nettovergütung festgesetzt worden, da von der Staatskasse nur der Stundensatz beanstandet worden war, den der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zugrunde gelegt hatte. Die Umsatzsteuer und der Ersatz der geltend gemachten Aufwendungen sind daher nicht Gegenstand des Instanzenzugs.

Ende der Entscheidung

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