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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.04.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 100/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 26
BGB § 37
BGB § 60
Eine Vereinssatzung kann bestimmen, dass 20 % der Mitglieder die Einberufung der Mitgliederversammlung verlangen können.
Der 3.Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Nitsche

am 18.April 2001

in der Vereinssache

auf die weitere Beschwerde des Vereins

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die weitere Beschwerde werden der Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 5.März 2001 und die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Augsburg vom 16.Januar 2001 aufgehoben.

II. Die Akten werden an das Amtsgericht Augsburg zurückgegeben.

Gründe:

I.

Mit der am 8.12.2000 eingegangenen Urkunde meldeten die Vorstandstandsmitglieder sich und den Verein zur Eintragung im Vereinsregister an.

Als Vorstandsmitglieder sollen eingetragen werden:

1. A, 1.Vorsitzender, 2. B, stellvertretender Vorsitzender, 3. C, 2.stellvertretender Vorsitzender.

In § 9 Abs. 5 der Satzung des angemeldeten Vereins ist bestimmt:

"Der Vorstand kann eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen. Er hat innerhalb von 6 Wochen eine außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen, wenn mindestens 20 Prozent der Mitglieder dies schriftlich verlangen. Für die außerordentliche Mitgliederversammlung gelten die Einladungsformalien der ordentlichen Mitgliederversammlung. Die Tagesordnung ist bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung nicht erweiterbar.

§ 10 der Satzung lautet:

(1) Der Vorstand besteht aus 5 Mitgliedern. Er führt die Geschäfte des Vereins ehrenamtlich. Zum Vorstand gehören

a) der Vorsitzende b) der 1. Stellvertreter c) der 2. Stellvertreter d) der Schriftführer e) der Schatzmeister

(2) Gesetzliche Vertreter im Sinne von § 26 BGB sind der Vorsitzende sowie der erste und zweite Stellvertreter des Vorsitzenden. Sie sind einzelvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

(3)...

Mit Zwischenverfügung vom 16.1.2001 wies das Amtsgericht darauf hin, der weiteren Behandlung stehe entgegen, dass (Nr. 1) in § 9 Abs. 5 der Satzung für die Pflicht zur Einberufung der Mitgliederversammlung eine Minderheit von 20 % bestimmt sei und (Nr. 2) dass in § 10 Abs. 1 der Satzung die Formulierung "Stellvertreter" missverständlich sei, da trotz des nachfolgenden Absatzes der Eindruck entstehe, die Tätigkeit der stellvertretenden Vorsitzenden sei bedingt. Die vom Urkundsnotar eingelegte Beschwerde hat das Landgericht am 5.3.2001 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die weitere Beschwerde des Notars.

II.

Die weitere Beschwerde des Notars ist zulässig. Er ist als Urkundsnotar, der den Eintragungsantrag gestellt hat, gemäß § 29 Abs. 1 Satz 3 FGG postulationsfähig. Die Befugnis des Vereins zur weiteren Beschwerde ergibt sich aus der Zurückweisung der Erstbeschwerde (vgl. BayObLGZ 1998, 195; Bassenge/Herbst FGG/ RPflG 8.Aufl. § 27 Rn. 7).

III.

Das Rechtsmittel ist begründet.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es folge der Auffassung, dass das Minderheitenrecht nicht gewahrt sei, wenn die Satzung mehr als 10 % der Mitglieder für die Einberufung einer Mitgliederversammlung verlange. Es erscheine sachgerecht, § 37 Abs. 1 BGB entsprechend den zwingenden Vorschriften von § 50 Abs. 1 GmbHG und § 45 Abs. 1 Genossenschaftsgesetz, die beide die Minderheit mit höchstens 10 % bestimmen, auszulegen. Sachliche Gründe für eine Abweichung der Qualifizierung der Minderheit im Vereinsrecht seien nicht ersichtlich. Zutreffend habe das Amtsgericht auch die Bezeichnung der Vorstandsmitglieder mit "1.Stellvertreter" und "2.Stellvertreter" in § 10 (1) der Satzung beanstandet. Zwar sei in der vorgelegten Satzung nicht bestimmt, dass der 1. bzw. 2.Stellvertreter "bei Verhinderung des Vorsitzenden" Vorstand im Sinne des BGB sind. Die Formulierung "Stellvertreter" sei dennoch missverständlich, da sie den Eindruck erwecken könne, die Tätigkeit als Vorstand sei durch den Vertretungsfall bedingt.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.

a) Die vom Notar eingelegte Erstbeschwerde ist zulässig. Dies hat das Rechtsbeschwerdegericht selbständig zu prüfen (vgl. BayObLG, GmbHR 1998, 1123/1124). Das Landgericht durfte davon ausgehen, dass der Notar die Erstbeschwerde für die Beteiligten eingelegt hat. Zwar trifft die Vollmachtsvermutung des § 129 Satz 1 FGG, die auch die Einlegung von Rechtsmitteln umfasst (Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8.Aufl. § 129 Rn.2), nicht zu, weil sie nur für den gilt, der zu einer Anmeldung öffentlich-rechtlich verpflichtet ist (BayObLGZ 1984, 29/32 m.w.N.; BayObLG ZIP 2000, 791) und keine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Anmeldung des Vereins besteht (§ 78 Abs. 1 BGB i.V.m. § 59 BGB; Soergel/Hadding BGB 13.Aufl. § 59 Rn.2). Die Kammer durfte aber annehmen, dass der Notar nicht ohne Vollmacht handeln wird (vgl. BayObLGZ 1984, 29/32; Jansen FGG 2.Aufl. § 13 Rn.46; Keidel/ Winkler FGG 14.Aufl. § 129 Rn.5) und dass er, auch wenn die Rechtsmittelschrift keine entsprechende Erklärung enthält, das Rechtsmittel für den Berechtigten einlegt (vgl. BayObLGZ 1987, 314/316 m.w.N.). Dies ist hier der Vorverein, vertreten durch seinen Vorstand (vgl. BayObLGZ 1991, 52; Reichert Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts 8.Aufl. Rn.177; Soergel/Hadding § 60 Rn. 5).

b) Die Bestimmung des § 9 Absatz 5 der Satzung ist zulässig. Diese regelt, dass eine Mitgliederversammlung einzuberufen ist, wenn mindestens 20 % der Mitglieder dies verlangt. Das Landgericht sieht hierin einen Verstoß gegen § 37 Absatz 1 BGB, der bestimmt, dass die Mitgliederversammlung zu berufen ist, "wenn der durch die Satzung bestimmte Teil oder in Ermangelung einer Bestimmung der zehnte Teil der Mitglieder" dies verlangt. Die Satzung könne aus dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes nur einen niedrigeren Teil als ein Zehntel der Mitglieder bestimmen. Dieser auch in der Literatur vertretenen Auffassung (z.B. Soergel/Hadding § 37 Rn.5; MünchKomm/Reuter BGB 3.Aufl § 37 Rn. 1; Reichert Rn. 791) folgt der Senat nicht. Die Satzung kann als Voraussetzung für das Einberufungsverlangen auch ein höheres Quorum als 10 % vorsehen (KG NJW 1962, 1917; OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 995; Staudinger/Weick BGB 1995 § 37 Rn.3; Erman/Westermann BGB 10.Aufl. § 37 Rn.l; RGRKomm/Steffen BGB 12.Aufl. § 37 Rn.l; Palandt/Heinrichs BGB 60.Aufl. § 37 Rn. 1; Sauter/Schweyer Der eingetragene Verein 16.Aufl. Rn.159; Stöber Handbuch zum Vereinsrecht 7.Aufl. Rn. 425). Der Wortlaut des § 37 Abs. 1 BGB ist eindeutig: Der zehnte Teil der Mitglieder soll nur dann gelten, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt. Die Grenze des Minderheitenschutzes unterliegt damit grundsätzlich der Satzungsregelung und damit der Entscheidung der Mitgliederversammlung. Hierin unterscheidet sich § 37 Abs. 1 BGB von § 50 Abs. 1 GmbHG (vgl. hierzu Baumbach/Hueck GmbHG 17.Aufl. § 50 Rn.2), der die Mindestquote (der zehnte Teil des Stammkapitals) zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung nicht unter den Vorbehalt der Satzung stellt, und von § 45 Abs. 1 GenG, der der Satzung nur vorbehält, für die Einberufung der Generalversammlung eine geringere Quote als den zehnten Teil der Genossen festzulegen. Wo bei eingetragenen Vereinen aus Gründen des Minderheitenschutzes die Grenzen rechtsmissbräuchlicher Regelung zu ziehen sind (zu den Grenzen vgl. KG und OLG Stuttgart je aaO), bedarf hier keiner Entscheidung. Diese sind jedenfalls bei einem Einberufungsquorum von 20 % der Mitglieder nicht überschritten.

b) Die Vertretungsregelung in § 10 der Satzung ist nicht missverständlich. Sie gibt eindeutig darüber Auskunft, wer den Verein wie vertreten kann. Absatz 1 regelt die Zusammensetzung des Vorstands. Absatz 2 Satz 1 stellt klar, welche von den in Absatz 1 genannten Vorstandsmitgliedern gesetzliche Vertreter des Vereins im Sinne des § 26 BGB sind. Für diese bestimmt Absatz 2 Satz 2, dass sie einzelvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sind.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass von der Frage der Missverständlichkeit der Vertretungsregelung in der Satzung die Frage zu unterscheiden ist, inwieweit der Vertreterzusatz, wie angemeldet, im Vereinsregister eingetragen werden kann (vgl. BGH NJW 1998, 1071 und BayObLGZ 1997, 107 zur Nichteintragungsfähigkeit des Vertreterzusatzes bei Geschäftsführern einer GmbH).

3. Der Beschluss des Landgerichts und die Zwischenverfügung des Amtsgerichts müssen daher aufgehoben werden. Die Akten werden an das Amtsgericht zurückgegeben, damit dieses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats über die Anmeldung entscheiden kann.

Ende der Entscheidung

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