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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.08.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 102/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1806
BGB § 1807
BGB § 1809
Zur Pflicht des Betreuers, Geld des Betreuten mündelsicher anzulegen und einen Sperrvermerk eintragen zu lassen.
Gründe:

I.

Für die Betroffene besteht seit 1996 eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung und Zuführung zur ärztlichen Behandlung. Zunächst waren zwei ihrer Schwestern - Rosa B. und die weitere Beteiligte - als Betreuerinnen eingesetzt, dann nur noch die weitere Beteiligte. Am 27.9.1999 wurde die weitere Beteiligte als Betreuerin entlassen und eine Vereinsbetreuerin bestellt. Seit 31.3.2001 nimmt die jetzige Betreuerin nach der Entlassung der Vereinsbetreuerin die Betreuung für ihre Schwester wahr. Eine der weiteren Beteiligten von der Betroffenen am 17.1.1983 erteilte Bankvollmacht ist von der Vereinsbetreuerin widerrufen worden. Es liegen zwei von der Betroffenen unterschriebene Vollmachten vom 11.3.1998 und vom 22.3.2004 zugunsten der weiteren Beteiligten vor.

Am 12.11.2002 legte die Betreuerin für die Betroffenen einen Betrag von 13.400 EURO in einem Sparbrief, fällig am 12.11.2003, an. Trotz mehrfacher Aufforderung durch den zuständigen Rechtspfleger, einen Sperrvermerk für den Sparbrief eintragen zu lassen, unternahm die Betreuerin nichts, sondern teilte lediglich mit, die Betroffene wünsche keinen Sperrvermerk. Daraufhin setzte der Rechtspfleger mit Beschluss vom 8.5.2003 gegen die Betreuerin ein Zwangsgeld in Höhe von 50 EURO fest; dieses Zwangsgeld hat die Betreuerin zwischenzeitlich bezahlt.

Am 24.7.2003 stellte sie den Antrag auf Befreiung von der Eintragung eines Sperrvermerks bezüglich des Sparguthabens. Diesen Antrag lehnte der Rechtspfleger am 28.7.2003 ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde nahm die Betreuerin am 13.11.2003 gegenüber dem Landgericht wieder zurück..

Bei Fälligkeit des Sparbriefes wurde der Betrag auf das Girokonto der Betroffenen übertragen; eine Neuanlage durch die Betreuerin erfolgte nicht. Am 2.3.2004 setzte der Rechtspfleger gegen die Betreuerin ein Zwangsgeld in Höhe von 200 EURO fest, weil die Betreuerin eine Versperrung des Sparguthabens nicht vorgenommen und eine Mitteilung über die Neuanlage des Geldes nicht vorgenommen hatte. Auf die Beschwerde der Betreuerin hob der Rechtspfleger den Zwangsgeldbeschluss vom 2.3.2004 auf und forderte sie mit Beschluss vom 10.3.2004 auf, das auf dem Girokonto (u.a. aus der Gutschrift des am 12.11.2003 abgelaufenen Sparbriefs über 13.400 EURO) angesammelte Guthaben binnen zwei Wochen verzinslich und mündelsicher anzulegen und die Anlage versperren zu lassen. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde ein Zwangsgeld von 200 EURO angedroht. Hiergegen wandte sich die Betroffene mit ihrer Beschwerde.

Das Landgericht hat die Beschwerde am 14.4.2004 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Betroffene mit ihrer weiteren Beschwerde, mit der sie erreichen will, dass das Geld nicht angelegt und kein Sperrvermerk eingetragen werden muss.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, § 21, § 27 Abs. 1 FGG, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Wenn für einen Betroffenen ein Betreuer für den Aufgabenkreis Vermögenssorge bestellt sei, habe dieser nach § 1908i Abs. 1, § 1806, § 1807 Abs. 1 Nr. 5 BGB das zum Vermögen eines Betroffenen gehörende Geld verzinslich anzulegen, soweit es nicht zur Bestreitung von Ausgaben bereitzuhalten sei, was bei einem Guthaben von 13.400 EURO unzweifelhaft nicht der Fall sei. Die Betreuerin dürfe daher das Geld der Betreuten nicht einfach anlegen, noch viel weniger aber es nach dem Wunsch der geschäftsunfähigen Betreuten zu Hause verwahren. Sie sei vielmehr verpflichtet, das Sparguthaben, welches aus dem abgelaufenen Sparbrief resultiere, mit einem Sperrvermerk anzulegen. Soweit mit der Beschwerde vorgebracht werde, die Betroffene wolle selbst über ihr Vermögen verfügen und es sei ihr Wunsch, das Geld zu Hause zu verwahren, sei dieser Wunsch wegen der Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen nach § 104 Nr. 2 BGB unbeachtlich. Die von der Betroffenen der weiteren Beteiligten erteilte Vollmacht vom 22.3.2004 sei unwirksam; die Bankvollmacht vom 17.1.1983 sei wegen Widerrufs durch die damalige Berufsbetreuerin gleichfalls unwirksam. Die weiter vorliegende Vorsorgevollmacht vom 13.3.1998 sei wegen der schon damals bestehenden Geschäftsunfähigkeit ebenfalls unwirksam; dies beruhe auf den Feststellungen im Gutachten des Sachverständigen Dr. G. vom 16.5.1998.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO. Die Entscheidung des Landgerichts entspricht der Rechtslage. Die Betreuerin hat den Geldbetrag, der dem Betrag des abgelaufenen Sparbriefes entspricht, mündelsicher anzulegen und einen Sperrvermerk eintragen zu lassen.

a) Nach § 1908i Abs. 1, § 1806 BGB hat der Betreuer das zum Vermögen des Betroffenen gehörende Geld verzinslich anzulegen, soweit es nicht zur Bestreitung von Ausgaben bereitzuhalten ist. Die Anlage hat nach § 1807 Abs. 1 BGB in den dort aufgezählten mündelsicheren Formen zu erfolgen. Wird das Geld in der Form des § 1807 Abs. 1 Nr. 5 BGB bei einer inländischen öffentlichen Sparkasse oder bei einem anderen Kreditinstitut getätigt, soll der Betreuer nach § 1809 BGB einen Sperrvermerk anbringen lassen. Andere Anlageformen sind nur nach Gestattung des Vormundschaftsgerichts zulässig, § 1811 BGB. Nach § 1817 Abs. 1 BGB kann das Vormundschaftsgericht den Betreuer auf dessen Antrag von diesen Verpflichtungen befreien, wenn der Umfang der Vermögensverwaltung dies rechtfertigt und eine Gefährdung des Vermögens nicht zu besorgen ist.

b) Diese Vorschriften sind durch das Landgericht ohne Rechtsfehler auf den vorliegenden Fall angewandt worden. Für die Betroffene ist u.a. im Aufgabenkreis Vermögenssorge eine Betreuerin bestellt, die für die Betroffene wegen deren Geschäftsunfähigkeit die Vermögensgeschäfte führen soll. Die Vollmachten für diesen Bereich, die jeweils der weiteren Beteiligten erteilt worden sind, sind alle unwirksam. Nach dem Gutachten des Oberarztes Dr. G. des Bezirkskrankenhauses M., eines Arztes für Neurologie und Psychiatrie, vom 9.5.1997 besteht bei der Betroffenen eine Multiinfarktdemenz, hervorgerufen durch mehrere multiple Hirninfarkte. Aufgrund dieser Demenz ist nach den Ausführungen des Sachverständigen die Betroffene bereits seit diesem Zeitpunkt nicht mehr dazu in der Lage, irgendwelche Angelegenheiten, also auch die Vermögenssorge, für sich selbst zu regeln. Die am 11.3.1998 - also nach dem Zeitpunkt des Gutachtens - erteilte Vollmacht für die Vertretung im Bereich Vermögenssorge ist damit wegen der Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen nach § 104 Nr. 2 BGB unwirksam. Dies wurde durch denselben Sachverständigen in einem weiteren Gutachten vom 16.5.1998, welches ausdrücklich zu dieser Frage Stellung genommen hat, ausgeführt.

Ebenso wie dem Gutachter bezüglich der Vollmacht vom 11.3.1998 ist in diesem Zusammenhang auch dem Senat aufgefallen, dass beide Vollmachten nicht eigenhändig von der Betroffenen geschrieben worden sind, sondern von ihr lediglich die Unterschrift unter offensichtlich vorformulierte Texte gesetzt worden ist; dies ist ein Indiz dafür, dass die Betroffene zu einer eigenständigen Formulierung und Abfassung bereits seit Anfang 1998 nicht mehr imstande war. Nach den sachverständigen Ausführungen des Gutachters war die Betroffene bei Abgabe der Unterschrift nicht in der Lage zu überblicken, welche Erklärungen mit welchen Konsequenzen sie unterschreibt. Da sich nach dem ärztlichen Attest vom 24.4.2002 am Zustand der Betroffenen wegen des zugrunde liegenden Krankheitsbildes nichts Wesentliches geändert hat und der Betroffenen weiterhin eine örtliche und zeitliche Desorientiertheit bescheinigt worden ist, ist wegen der weiter bestehenden Geschäftsunfähigkeit auch die am 22.3.2004 erteilte Vollmacht unwirksam.

Die am 11.3.1983 erteilte Bankvollmacht war zwar zunächst wirksam, ist dann aber durch die Berufsbetreuerin widerrufen worden. Der Widerruf ist wirksam. Nach Erteilung einer Vollmacht kann der Betroffene selbst die Vollmacht jederzeit widerrufen; für Generalvollmachten und Vollmachten, die ausschließlich im Interesse des Vollmachtgebers erteilt werden (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 63. Aufl. § 168 Rn. 6), darf der Widerruf nicht ausgeschlossen werden. Nach Eintritt der Geschäftsunfähigkeit ist der Betroffene zwar nicht mehr zu einem wirksamen Widerruf in der Lage (vgl. § 104 Nr. 1, § 105 Abs. 1 BGB; BayObLG FamRZ 2002, 1220), wohl aber ein für ihn bestellter Betreuer, soweit der Widerruf in einen ihm übertragenen Aufgabenkreis fällt (vgl. BayObLG FamRZ 2003, 1219/1220). Der Betreuer handelt dann für den Betroffenen. Der Widerruf der Bankvollmacht fällt in den Aufgabenkreis Vermögenssorge, welcher der Betreuerin übertragen worden war. Der Widerruf diente auch dem Wohl der Betroffenen. Die weitere Beteiligte war kurz zuvor als Betreuerin entlassen worden, da sie sich geweigert hatte, gegenüber dem Gericht Rechnung zu legen. Durch den Widerruf konnte der Gefahr vorgebeugt werden, dass die weitere Beteiligte Verfügungen zu Lasten des Kontos der Betroffenen vornehmen konnte.

Die Betreuerin ist als Schwester nicht von den Vorschriften der §§ 1806 ff. BGB befreit, § 1908i Abs. 2 Satz 2, § 1857a, § 1852 Abs. 2, § 1809, § 1810, § 1853, § 1854 BGB. Einen Befreiungsantrag hat sie nicht gestellt. Diesem hätte auch aus den gleichen Gründen nicht stattgegeben werden können, die im Beschluss des Amtsgerichts vom 28.7.2003 bei der Ablehnung der Befreiung von der Versperrung aufgeführt sind. Nach wie vor besteht eine Gefahr für das Vermögen der Betroffenen. Die Betreuerin ist demnach an die Verpflichtung der mündelsicheren Anlage und der Anbringung eines Sperrvermerks nach § 1806, § 1807, § 1809 BGB gebunden. Diese Vorschriften dienen dem Schutz der Betroffenen. Es soll sichergestellt werden, dass diejenigen Beträge, die sie nicht zur Bestreitung der alltäglichen Ausgaben benötigt, zu ihrem Wohl für den Notfall bzw. zur Bestreitung unvorhergesehener Ausgaben angelegt werden, und dass eine Abhebung und daraus folgende Verringerung des Guthabens nur nach gerichtlicher Genehmigung möglich ist. Dass die Betroffene selbst diesen Sinn nicht einzusehen vermag, darf sie nicht schutzlos machen. Dies gilt im konkreten Fall umso mehr, als die vorgelegten schriftlichen Äußerungen der Betroffenen durchwegs von der weiteren Beteiligten eigenhändig geschrieben und formuliert worden sind, unter deren Einfluss nicht nur die Betroffene, sondern auch die Betreuerin zu stehen scheint, und die ohnehin bereits monatliche Geldzuwendungen von der Betroffenen erhält.

Selbst wenn die Betroffene aber von sich aus den Wunsch geäußert haben sollte, das Geld nicht anlegen zu wollen, ist dies nicht ausschlaggebend. Zwar hat ein Betreuer den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, doch gilt dies nur insoweit, als ein solcher Wunsch dessen Wohl nicht zuwiderläuft, § 1901 Abs. 3 BGB. Es liegt auf der Hand, dass das Verwahren eines Geldbetrages von 13.400 EURO zu Hause - also ohne jeden Zinsertrag - nicht dem Wohl der Betroffenen entsprechen kann. Soweit sie ihren Verwandten Geldbeträge schenken möchte, kann sie dies - über den Betreuer - im Rahmen des § 1804 BGB tun. Dies geschieht auch bereits, da die weitere Beteiligte monatlich neben dem Entgelt für die Pflege einen weiteren Betrag von 500 EURO enthält. Ganz abgesehen davon, dass dieser Betrag, der von der Betreuerin als Taschengeld für die Betroffene deklariert wird, eigentlich bereits den üblichen Rahmen sprengt, ist die Zuwendung weiterer Beträge an die weitere Beteiligte keinesfalls durch § 1804 BGB gedeckt.

Da die Betreuerin offensichtlich nicht bereit ist, das Geld zum Wohl der Betroffenen anzulegen, ist auch die Androhung eines Zwangsgeldes gerechtfertigt. Dies auch deshalb, weil sich die Betreuerin in der Vergangenheit hartnäckig ihren gesetzlichen Pflichten dadurch entzogen hat, dass sie trotz mehrmaliger Aufforderung bis zum Auslauf des Sparbriefes keinen Sperrvermerk angebracht und sogar lieber ein Zwangsgeld bezahlt hat. Es steht damit nicht zu erwarten, dass die Betreuerin allein aufgrund eines gerichtlichen Beschlusses bereit ist, das Geld der Betroffenen mündelsicher anzulegen. Letztlich stellt sich die Frage, ob sie bei weiterer Weigerung als Betreuerin überhaupt noch geeignet ist.

3. Der Geschäftswert wurde nach § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 2 KostO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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