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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 01.12.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 106/04
Rechtsgebiete: UmwG, SpruchG, BörsG


Vorschriften:

UmwG § 207
SpruchG § 3
SpruchG § 4
BörsG § 38
1. Ist im Rahmen eines von der Gesellschaft beschlossenen regulären Delisting ein Spruchverfahren durchzuführen, beginnt die Antragsfrist mit Veröffentlichung der letzten Delistingentscheidung in einem überregionalen Börsenpflichtblatt.

2. Auch in Spruchverfahren, die nach einem regulären Delisting durchzuführen sind, muss der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung Aktionär der Gesellschaft sein.

3. Ist nach einem regulären Delisting ein Spruchverfahren durchzuführen, bestimmt sich der materiellrechtliche Anspruch entsprechend § 207 UmwG.

4. Es bleibt offen, welche Sachverhalte im Einzelnen den Anspruch auf Überprüfung des Abfindungsangebots im Rahmen eines regulären Delisting begründen.


Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin zu 1 entstand durch formwechselnde Umwandlung einer Aktiengesellschaft für Datenerfassungssysteme. Dieses Unternehmen (künftig Gesellschaft) aus dem Bereich des Elektronikfachhandels war seit 1988 börsennotiert. Das Grundkapital der Gesellschaft betrug 11 Mio. DM, nach der Währungsumstellung 5.624.210,69 EUR, das je zur Hälfte in Stammaktien und stimmrechtslosen Vorzugsaktien aufgeteilt war. In Streubesitz befanden sich noch 1,07 % der Stammaktien und 8,5 % der Vorzugsaktien. Die Aktien der Gesellschaft waren an den Börsen in Frankfurt und München zum amtlichen Handel zugelassen. Die Hauptversammlung der Gesellschaft vom 20./21.5.1999 ermächtigte den Vorstand, bei den beiden Börsen den Widerruf der Zulassung zum Aktienhandel zu beantragen. Die Gesellschaft teilte auf der Hauptversammlung mit, dass die Antragsgegnerin zu 2 als Mehrheitsaktionärin den Minderheitsaktionären ein Kaufangebot von 601 EUR je Stammaktie und 550 EUR je Vorzugsaktie unterbreite. Sämtliche Antragsteller legten in der Hauptversammlung der Gesellschaft vom 20./21.5.1999 Widerspruch gegen den Beschluss zu TOP 9 ein, welcher die Ermächtigung für den Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung enthielt. In der Folgezeit widerriefen zunächst die Bayerische Börse, später auch die Frankfurter Wertpapierbörse die Zulassung der Aktien zum amtlichen Handel. Die letztgenannte Entscheidung wurde am 27.3.2000 im Handelsblatt veröffentlicht. Wegen ihr war ein verwaltungsgerichtliches Verfahren anhängig. Dieses wurde durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4.6.2003 eingestellt, nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten.

Die Antragsteller zu 1, 3, 4 und 5 wandten sich in der Folge gegen verschiedene Beschlüsse der Hauptversammlung vom 20./21.5.1999 in einem Anfechtungsverfahren, das der Bundesgerichtshof letztinstanzlich durch Urteil vom 25.11.2002 entschieden hat (vgl. BGHZ 153, 47 ff.). In dem Berufungsverfahren hierzu stellten die Antragsteller zu 3 und 4 am 10.2.2000 hilfsweise den Antrag auf gerichtliche Nachprüfung des Kaufangebots und beantragten insoweit die Verweisung des Rechtsstreits an ein Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ferner beantragten sie die Aussetzung des Berufungsverfahrens bis zur Entscheidung über die Angemessenheit des Kaufangebots. Das Berufungsgericht wies diese Hilfsanträge im Urteil vom 14.2.2001 zurück. Der Bundesgerichtshof hat im Revisionsverfahren den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag der Antragsteller zu 3 und 4 insoweit an das Landgericht als Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit verwiesen, als sie die Überprüfung der Angemessenheit des Kaufangebots des Mehrheitsaktionärs der Gesellschaft vom 20./21.5.1999 verfolgen.

Mit Schriftsatz vom 11.12.2002 beantragten die Antragsteller zu 1 und 2 die gerichtliche Erhöhung des an die Minderheitsaktionäre abgegebenen Kaufangebots.

Die Gesellschaft führte auf Antrag der Antragsgegnerin zu 2 ein Squeeze-Out-Verfahren durch. Der Übertragungsbeschluss wurde am 24.1.2003 in das Handelsregister eingetragen.

Mit Verfügung vom 29.4.2003 machte das Landgericht im Bundesanzeiger vom 15.5.2003 bekannt, dass wegen des in der Hauptversammlung vom 20./21.5.1999 beschlossenen Delisting der Gesellschaft ein Spruchverfahren anhängig ist. Das Gericht wies ausdrücklich darauf hin, dass die Antragsberechtigung der bisherigen Antragsteller bestritten sei, es des Weiteren ungeklärt sei, ob nach dem zwischenzeitlich beschlossenen und eingetragenen Ausschluss der Minderheitsaktionäre gemäß §§ 327a ff. AktG überhaupt ein Recht zum Anschluss weiterer ehemaliger Aktionäre analog §§ 306 Abs. 3 Satz 2 AktG a.F., 307 Abs. 3 Satz 2 UmwG a.F. bestehe und dass daher ein eventueller Anschluss auf das (Kosten-) Risiko der jeweiligen Antragsteller erfolge. Auf die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters zur Wahrung der Rechte der (ehemaligen) Minderheitsaktionäre wurde hingewiesen.

Mit Schriftsatz vom 4.6.2003 wiederholten die Antragsteller zu 3 und 4 ihren in der Berufungsbegründungsschrift im aktienrechtlichen Anfechtungsverfahren gestellten Antrag der Überprüfung der Angemessenheit des Kaufangebots an die Minderheitsaktionäre der Gesellschaft.

Der Antragsteller zu 5 machte am 14.7.2003 die gerichtliche Nachprüfung des vorliegenden Kaufangebots geltend.

Nach mündlicher Verhandlung erklärte das Landgericht mit Teilbeschluss vom 15.1.2004 die Anträge der Antragsteller zu 1 mit 4 im Spruchverfahren für zulässig und wies den Antrag des Antragstellers zu 5 als unzulässig zurück. Gegen die landgerichtliche Entscheidung richten sich die Beschwerden des Antragstellers zu 5 sowie der Antragsgegnerinnen zu 1 und 2.

II.

Das Landgericht (vgl. AG 2004, 393 ff.) hielt die Anträge auf Erhöhung des Kaufangebots im Zusammenhang mit dem vollzogenen Delisting für statthaft. Der Rückzug der Gesellschaft aus dem amtlichen Markt der Frankfurter Wertpapierbörse und der Bayerischen Börse führe zu einer Beeinträchtigung des Aktieneigentums, die materiell ausgeglichen werden müsse. Wegen des aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitenden Justizgewährungsanspruchs sei die gerichtliche Nachprüfung des Entschädigungsbetrags zu eröffnen. Die aktienrechtliche Anfechtungsklage biete keinen hinreichenden Ausgleich für den Eigentumseingriff. Deshalb bedürfe es der analogen Heranziehung der Vorschriften über das Spruchverfahren. Gegen eine Analogie seien Einwände nicht zu erheben, da auch bei den Gesetzesberatungen zum Spruchverfahrensgesetz davon ausgegangen worden sei, dass die darin geregelten Verfahrensgegenstände nicht abschließend seien. Auch liege in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 2, die nicht Partei des vorangegangenen Anfechtungsverfahrens war, eine unzulässige echte Rückwirkung nicht vor. Des Weiteren seien die Anträge nicht verfristet. Die Zwei-Monats-Frist für die Anträge könne bei verfassungskonformer Auslegung im (analogen) Spruchverfahren nicht vor Erlass der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in dem präjudiziellen Anfechtungsverfahren zu laufen beginnen. Eine Erledigung des Verfahrens durch die Ergebnisse des nachfolgenden Squeeze-Out-Verfahrens sei nicht eingetreten. Der Antragsteller zu 5 habe keinen zulässigen Antrag gestellt, weil er zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr Aktionär der Gesellschaft war.

III.

1. Die Beschwerden sind als einfache Beschwerden statthaft. Das Landgericht hat sachgerecht zunächst über die Zulässigkeit der Anwendung der Vorschriften über das Spruchverfahren entschieden. Eine solche die Antragsgegnerinnen und den Antragsteller zu 5 beschwerende Zwischenentscheidung ist zulässig und beschwerdefähig (BayObLGZ 1995, 319/321; 2002, 56/58). Diese Entscheidung gehört nicht zu den nicht anfechtbaren Zwischenentscheidungen, sondern regelt eine für das Gesamtverfahren maßgebliche Vorfrage (vgl. Bassenge/Roth/Herbst FGG/RPflG 9. Aufl. § 19 FGG Rn. 4; Keidel/Kahl FGG 15. Aufl. § 19 Rn. 10). Die abgesonderte Verhandlung und Entscheidung über die Zulässigkeit des Verfahrens entsprechend § 280 ZPO ist auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit möglich (vgl. BayObLG ZIP 2004,1952; Keidel/Meyer-Holz Vorbem. zu § 8 Rn. 4). Die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts, in welchem die Zulässigkeit der Anträge nach § 306 AktG a.F. analog geprüft wurde, ist nicht befristet. Die einfache Beschwerde ist hier das statthafte Rechtsmittel (BayObLG aaO; Keidel/Sternal § 22 Rn. 5; MünchKommAktG/Bilda 2. Aufl. § 306 Rn. 104), auch wenn davon auszugehen ist, dass bei einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften über das Spruchverfahren (vgl. § 306 Abs. 2 AktG a.F., § 99 Abs. 3 Satz 2 AktG, § 12 Abs. 1 SpruchG) im Rahmen des Rechtsschutzes gegen Entscheidungen über das so genannte Delistung für die Endentscheidung in der Hauptsache die sofortige Beschwerde gegeben wäre. Es gibt keine gesetzliche Handhabe, im Fall von ausnahmsweise anfechtbaren Zwischenentscheidungen das Rechtsmittel hiergegen den strengeren Bestimmungen der sofortigen Beschwerde zu unterwerfen (BayObLG aaO).

2. Auf die Beschwerden der Antragsgegnerinnen wird der Beschluss des Landgerichts dahingehend abgeändert, dass auch die Anträge der Antragsteller zu 1 und 2 im Spruchverfahren nicht zulässig sind. Die Beschwerde des Antragstellers zu 5 wird zurückgewiesen.

a) Die Anträge der Antragsteller zu 1 und 2 sind bei Gericht nicht innerhalb der Antragsfrist eingegangen.

Gesetzliche Vorschriften über die Fristen für die Einreichung von Anträgen auf Gewährung bzw. Überprüfung einer Barabfindung in den Fällen des regulären Delisting bestehen nicht. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.11.2002 sind in diesen Fällen die für das Spruchverfahren geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden (BGHZ 153, 47/58 ff.). Nach § 304 Abs. 4 Satz 2, § 305 Abs. 5 Satz 4, § 320b Abs. 3 Satz 2, § 327f Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. kann der Antrag auf Durchführung eines Spruchverfahrens nur binnen zwei Monaten nach dem Tag gestellt werden, an dem die angegriffene Strukturmaßnahme nach § 10 HGB als bekannt gemacht gilt. Die Drei-Monats-Frist des § 4 SpruchG gilt für den hier zu entscheidenden Fall noch nicht (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 SpruchG). Anknüpfungspunkt für den Beginn des Fristlaufs für eigenständige Anträge in Spruchverfahren ist sowohl nach den genannten Vorschriften des Aktiengesetzes als auch nach § 4 SpruchG die Bekanntmachung der Eintragung der angegriffenen Strukturmaßnahme im Handelsregister. In Fällen des Delisting findet eine Eintragung in das Handelsregister, an die für den Beginn der Frist für die Antragstellung angeknüpft werden könnte, nicht statt. Sonach bedarf es im Rahmen der analogen Anwendung der Vorschriften über das Spruchverfahren eines der Bekanntmachung der Handelsregistereintragung vergleichbaren Publizitätsakts, an den angeknüpft werden könnte. Denkbar ist die Anknüpfung entweder an - sofern gegeben - den einschlägigen Beschluss der Hauptversammlung, die tatsächliche Einstellung des Börsenhandels oder die Veröffentlichung der Entscheidung über den Widerruf der Zulassung des Aktienhandels an der konkreten Börse.

Nach herrschender Auffassung ist für den Fristbeginn die Veröffentlichung der Delisting- entscheidung in mindestens einem überregionalen Börsenpflichtblatt maßgebend (OLG Zweibrücken ZIP 2004, 1666/1667; Heidel DB 2003, 548/551; Klöcker/Frowein SpruchG § 4 Rn. 10; Land/Behnke DB 2003, 2531/2535). Der Senat folgt dieser Auffassung, weil sie die Interessen der außenstehenden Aktionäre in erforderlichem Umfang berücksichtigt. Das Abstellen auf einen etwa ergangenen Beschluss der Hauptversammlung wäre nicht sachgerecht, weil ein Publizitätsakt fehlt und auch bei einem positiven Beschluss über das durchzuführende Delisting letztlich nicht gesichert ist, ob und vor allem wann es tatsächlich durchgeführt wird. Demgegenüber erscheint es vorzugswürdig, auf die Veröffentlichung der Widerrufsentscheidung abzustellen. Mit ihr erhält dieser Verwaltungsakt seine Außenwirkung und es werden die diesbezüglichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsmittelfristen in Gang gesetzt (vgl. OLG Zweibrücken aaO). Die Wahrnehmung der Veröffentlichung ist dem antragstellenden Aktionär gerade nach vorgängiger Beschlussfassung durch die Hauptversammlung möglich und zumutbar. Deshalb kann hieran der Fristbeginn für ein Spruchverfahren ohne verfassungsrechtlich bedenkliche Einschränkungen des Eigentumsrechts des außenstehenden Aktionärs angeknüpft werden (vgl. hierzu OLG Zweibrücken aaO). Auf den Umstand, dass die Widerrufsentscheidung verwaltungsgerichtlich angefochten wurde, kommt es nicht an, weil das Delistung hier entsprechend der Widerrufsentscheidung tatsächlich durchgeführt wurde und somit ein Eingriffstatbestand gegeben war.

Im gegenständlichen Verfahren ist die Antragsfrist für die Durchführung eines Spruchverfahrens am 27.5.2000 abgelaufen, da die Veröffentlichung der Frankfurter Börse über die Widerrufsentscheidung der Zulassung der Aktien zum amtlichen Handel am 27.3.2000 im Handelsblatt (Ausgabe Nr. 61), einem überregionalen Börsenpflichtblatt, erfolgt ist. Auf die zeitlich davor liegende Bekanntmachung der Widerrufsentscheidung der Bayerischen Börse in der Börsenzeitung am 23.12.1999 ist für die Antragsfrist nicht abzustellen, weil die Einstellung des Handels in einem geregelten Markt an dieser Börse bei fortdauernder Notierung an der Börse Frankfurt noch kein ausgleichspflichtiges Delisting darstellt (vgl. BGHZ 153, 47/55). Sonach sind die Anträge der Antragsteller zu 1 und 2, die am 12.12.2002 bei Gericht eingegangen sind, verfristet.

b) Es besteht kein Anlass, den Fristbeginn auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs hinauszuschieben. Der Fristlauf war auch nicht durch höhere Gewalt gehemmt. Die Antragsteller zu 1 und 2 können sich nicht auf den Rechtsgedanken des § 203 Abs. 2 BGB a.F. (§ 206 BGB) berufen.

aa) Die Antragsfrist in Spruchverfahren ist sowohl nach altem wie nach neuem Recht eine zwingende materiellrechtliche Ausschlussfrist, mit der Folge dass ihre Versäumung zu einem Verlust des Anspruchs auf Durchführung eines Spruchverfahrens führt (BayObLGZ 2002, 56/59; Hüffer AktG 6. Aufl. Anh. zu § 305 § 4 SpruchG Rn. 2 m.w.N). Nachdem es sich um eine Ausschluss- und nicht um eine Verjährungsfrist handelt, kommt eine Hemmung oder Unterbrechung nach den zivilrechtlichen Vorschriften im Grundsatz nicht in Betracht (vgl MünchKommAktG/Bilda § 304 Rn. 224; Palandt/Heinrichs BGB 63. Aufl. § 206 Rn. 3). Hieran ist auch weiterhin festzuhalten. Gleichwohl ist der Ausschluss des Anspruchs auf Durchführung eines Spruchverfahrens im hier zu entscheidenden Fall nicht ohne weiteres zu rechtfertigen, da sich der materiellrechtliche Anspruch im Fall des regulären Delisting erst durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs konkretisiert hat. Sonach bedarf es hier ausnahmsweise eines Korrektivs, das diesem Umstand Rechnung trägt. Der Senat hält es deshalb für gerechtfertigt, für die Beurteilung der Einhaltung der Antragsfrist ausnahmsweise den Rechtsgedanken des § 206 BGB heranzuziehen.

bb) Selbst unter Zugrundelegung des Umstandes, dass die Rechtsverfolgung in einem Spruchverfahren nach erfolgtem regulären Delisting hier wegen höherer Gewalt gehemmt sein könnte, beginnt der Fristlauf nicht erst mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.11.2002; der bis dahin verstrichene Zeitraum ist auch nicht in die Frist einzurechnen.

Die Verhinderung der Rechtsverfolgung einer gerichtlichen Erhöhung des Abfindungsanspruchs in einem Spruchverfahren aufgrund höherer Gewalt vor der zitierten höchstrichterlichen Entscheidung ist nicht zu bejahen. An die Annahme höherer Gewalt sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH NJW 1997, 3164). Das Hindernis muss auf Ereignissen beruhen, die auch durch äußerste, billigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden konnten, schon das geringste Verschulden schließt höhere Gewalt aus (vgl. BGHZ 81, 353/355). Dabei stellen Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum des Anspruchinhabers in aller Regel keine höhere Gewalt dar, es sei denn, sie sind durch ein Fehlverhalten von Behörden oder Gerichten hervorgerufen oder verstärkt worden oder selbst bei aller vernünftigerweise zumutbaren Sorgfalt nicht zu vermeiden gewesen (BGHZ 129, 282/289). Der Umstand, dass bis zur "Macrotron"- Entscheidung des Bundesgerichtshofs die Frage der Zulässigkeit eines Spruchverfahrens in Delisting-Fällen nicht höchstrichterlich geklärt war, ist keine höhere Gewalt im Sinn des § 206 BGB. Selbst eine dem Anspruch entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung führt nach herrschender Auffassung nicht zu einer Hemmung der Verjährung bei der Geltendmachung des Anspruchs (vgl. MünchKommBGB/Grothe 4. Aufl. § 203 Rn. 5; Palandt/Heinrichs § 206 Rn. 7). Das Gleiche gilt, wenn ein Anspruch von der Rechtsprechung neu entwickelt wird, da es auch in einem solchen Fall jedem zuzumuten ist, das Risiko der Rechtsverfolgung auf sich zu nehmen (vgl. Staudinger/Peters BGB 13. Aufl. § 206 Rn. 8 und 9; Palandt/Heinrichs aaO). Das Risiko der Rechtsverfolgung im Rahmen eines Spruchverfahrens ist schon deshalb zumutbar, weil die Frage des gesellschaftsrechtlichen Ausgleichs in Delisting-Fällen in Gestalt einer Barabfindung nicht erst seit der "Macrotron"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs, sondern bereits seit geraumer Zeit erörtert wird (vgl. Vollmer/Grupp ZGR 1995, 458/474 ff.). Auch die von den Antragstellern zu 3 und 4 im Anfechtungsverfahren gegen den Delisting-Beschluss gestellten und hierher verwiesenen hilfsweise gestellten Anträge auf Überprüfung des Pflichtangebots der Antragsgegnerin zu 2 zeigen, dass an diese Art der Rechtsverfolgung schon zeitnah zu dem Delistingbeschluss der Gesellschaft zu denken und sie damit nicht unzumutbar war.

Der Senat folgt insoweit weder dem Landgericht noch dem OLG Zweibrücken (ZIP 2004, 1666/1668). Ein Vorlage an den Bundesgerichtshof hierwegen nach § 28 Abs. 2 FGG ist nicht erforderlich, weil diese Rechtsfrage für die Entscheidung des OLG Zweibrücken nicht tragend war.

3. Zu Recht hat das Landgericht die Antragsbefugnis des Antragstellers zu 5 verneint. Er war zum Zeitpunkt seines Antrags nicht mehr Aktionär der Gesellschaft. Auch in Spruchverfahren, die aufgrund eines regulären Delisting durchzuführen sind, muss der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung Aktionär der Gesellschaft sein (vgl. BayObLGZ 2002, 56/61 = DB 2002, 1650/1651; AnwK-Aktienrecht/Meilicke § 306 Rn. 3; MünchKommAktG/Bilda § 304 Rn. 214 ff.). Insoweit ergeben sich aus dem Umstand, dass das Spruchverfahren auf einem regulären Delisting beruht, keine Besonderheiten in Bezug auf die Antragstellung. Der Antragsteller zu 5 war zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr Aktionär der Gesellschaft. Aufgrund des durchgeführten Squeeze-Out hat der Antragsteller zu 5 seine Antragsberechtigung vor Antragstellung verloren. Die Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister erfolgte am 24.1.2003. Damit gingen alle Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär über (§ 327e Abs. 3 Satz 1 AktG). Das Squeeze-Out begründet einen originär eigenen Anspruch auf Überprüfung dieser Strukturmaßnahme gemäß § 327f AktG. Eine Antragsberechtigung hieraus für das gegenständliche Verfahren ergibt sich jedoch nicht.

Auch aus der Bekanntmachung des Landgerichts im Bundesanzeiger vom 15.5.2003 über das anhängige Spruchverfahren ergibt sich nichts anderes. Das Landgericht hat in der Bekanntmachung zu Recht darauf hingewiesen, dass wegen des vorangegangenen Squeeze-Out die Antragsberechtigung zweifelhaft ist und jede Anschlussantragstellung auf das Risiko des Antragstellers erfolgt. Der Antragsteller zu 5 konnte angesichts des Verlautbarungstextes nicht darauf vertrauen, dass er noch einen zulässigen Folgeantrag auf Nachprüfung des Kaufangebots der Antragsgegnerin zu 2 stellen konnte. Nach der Rechtsprechung des Senats war schon zum Zeitpunkt der Bekanntmachung des anhängigen Spruchverfahrens im Bundesanzeiger eine zulässige Anschlussantragstellung mangels fehlender Aktionärseigenschaft nicht mehr möglich.

4. Die Anträge der Antragsteller zu 3 und 4 sind im Ergebnis fristgerecht gestellt.

Die Anträge datieren vom 10.2.2000 und sind somit vor der Veröffentlichung der Widerrufsentscheidung der Frankfurter Wertpapierbörse am 27.3.2000 gerichtlich anhängig geworden. Sie waren jedoch als Hilfsanträge im Rahmen des Berufungsverfahrens über die Anfechtungsklagen gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung vom 20./21.5.1999 gestellt. Die Antragstellung bei dem Berufungsgericht des Anfechtungsverfahrens wahrte die Ausschlussfrist auf Durchführung eines Spruchverfahrens nicht, weil nur eine solche bei dem zuständigen Gericht fristwahrend wirkt (Klöcker/Frowein § 4 Rn. 13; MünchKomm AktG/Volhard 2. Aufl. § 4 SpruchG Rn. 5).

Der Antrag auf Nachprüfung des Kaufangebots wurde erst nach Ablauf der Antragsfrist mit Eingang der Verweisungsentscheidung des Bundesgerichtshofs beim Landgericht anhängig. Den Antragstellern zu 3 und 4 kommt aber nach den oben unter Nr. 2 angestellten Überlegungen hier ausnahmsweise der Rechtsgedanke des § 206 BGB zu Gute. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit eines Spruchverfahrens in diesem Delistingfall verneint und folglich den Hilfsantrag zurückgewiesen. Unabhängig von dem Umstand, ob man die Zulässigkeit eines Spruchverfahrens bei einer derartigen Maßnahme bejaht, hätte zeitnah zur Antragstellung eine Verweisung an das zuständige Gericht erfolgen müssen, da das Zivilgericht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für die Entscheidung eines Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständig gewesen wäre. Schon um eine mögliche Rechtsschutzverkürzung der Antragsteller zu 3 und 4 zu vermeiden, hätte die Verweisung dieses Hilfsantrags an das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit erfolgen müssen. Wäre sie zeitgerecht erfolgt, hätten sich für die Antragsteller zu 3 und 4 keine Fristprobleme aufgetan. Da die Verfristung der Anträge maßgeblich nicht auf einem Verschulden der Antragsteller beruht, ist der Fristlauf in der Zeit zwischen Antragstellung und Eingang des Verfahrens beim Landgericht als gehemmt anzusehen.

Entgegen der Auffassung der Gesellschaft liegen bei den Anträgen der Antragsteller zu 3 und 4 nicht nur verfahrensrechtliche Begehren auf Teilverweisung des Rechtsstreits an das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit vor, sondern ausdrücklich bezeichnete Anträge auf Überprüfung der Angemessenheit des Kaufangebots der Antragsgegnerin zu 2 im Zusammenhang mit dem durchzuführenden Delisting. Es kann keinen ernsthaften Zweifeln unterliegen, dass die Antragsteller zu 3 und 4 in dem Schriftsatz vom 10.2.2000 Sachanträge gestellt und sich nicht nur auf Verfahrensanträge beschränkt haben.

Es ist ferner unschädlich, dass die Anträge bereits vor Veröffentlichung des Widerrufs der Zulassung des Aktienhandels an der Frankfurter Börse gestellt worden sind. Ein vor Fristbeginn gestellter Antrag wird mit Fristbeginn wirksam, soweit er vom Antragsberechtigten weiterverfolgt wird (vgl. BayObLGZ 2002, 56/64 = DB 2002, 1650/1652; OLG Stuttgart DB 1992, 1470). Dies ist hier gegeben. Die Antragsteller zu 3 und 4 haben sich in dem anhängigen Spruchverfahren ausdrücklich auf die im Anfechtungsrechtsstreit gestellten Anträge auf Überprüfung des Kaufangebots berufen.

5. Die Beschwerden der Antragsgegnerinnen haben im Übrigen keinen Erfolg.

a) Der Bundesgerichtshof hat in dem aktienrechtlichen Anfechtungsverfahren entschieden, dass ein adäquater Schutz der Minderheit beim regulären Delisting nur dann gewährleistet ist, wenn Inhalt des Pflichtangebots die Erstattung des vollen Werts des Aktieneigentums ist, und dass die Minderheitsaktionäre diesen Umstand in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen können (BGHZ 153, 47). Dem folgt der Senat in der hier zu entscheidenden Sachverhaltskonstellation. Offen geblieben ist, auf welcher materiellrechtlichen Rechtsgrundlage ein Anspruch auf Barabfindung beim regulären Delisting besteht (vgl. Ekkenga ZGR 2003, 878/905; Adolff/Tieves BB 2003, 797/801). Eine gesetzliche Anspruchsgrundlage sieht das Gesellschaftsrecht nicht vor.

b) Die gesellschaftsrechtliche Literatur erörtert die Fragestellung, welche materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage den von einem Delisting betroffenen Minderheitsaktionären zur Verfügung steht, eingehend.

aa) So hält Benecke es für sachgerecht, das Konzept des Bundesgerichtshofs mit einer Gesamtanalogie zu allen Vorschriften zu begründen, die ein Abfindungsangebot vorsehen (WM 2004, 1125). Dieser Ansatz führt allerdings nicht weiter, da sich hierdurch eine Kontur des zu prüfenden materiellrechtlichen Anspruchs nicht abzeichnet. Es ist zu bedenken, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Eigentumsrecht des Mehrheitsaktionärs und/oder der abfindungspflichtigen Gesellschaft berührt (vgl. Krämer/Theiß AG 2003, 225/241) und hierfür eine gesetzliche Eingriffsnorm nicht zur Verfügung steht. Ein solcher Eingriff ist deshalb aufgrund der analogen Anwendung von bestehenden Rechtsnormen nur dann zu rechtfertigen, wenn die Konturen des sich hieraus ergebenden materiellrechtlichen Anspruchs klar umrissen sind und er in seinem Anwendungsbereich begrenzt ist.

bb) Mehrheitlich wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass der materiell-rechtliche Anspruch für eine Barabfindung nach einem Delisting in analoger Anwendung zu § 207 UmwG zu bestimmen ist (vgl. Adolff/Tieves BB 2003, 797/802; Hellwig/Bormann ZGR 2002, 465/489; Land/Behnke DB 2003, 2531/2533; Vollmer/Grupp ZGR 1995, 459/475 f.; Hüffer § 119 AktG Rn. 25; ähnlich Baumbach/Hopt HGB 31. Aufl. § 38 BörsG Rn. 6; a.A. mit detaillierter Begründung: Ekkenga ZGR 2003, 878, 896 f.; Mülbert ZHR 165 [2001], 105, 137 f.). Als Begründung für die analoge Anwendung der Vorschrift über das Angebot der Barabfindung bei Formwechseln wird angeführt, dass eine faktische Nähe zwischen der Einstellung der Börsennotierung und der Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine GmbH bestehe, weil die Fungibilität der Gesellschaftsanteile stark eingeschränkt und die Publizitäts- und Informationspflichten verkürzt werden (vgl. Hellwig/Bormann ZGR 2002, 465/488).

cc) Der Senat sieht im hier zu entscheidenden Fall keine Bedenken gegen die analoge Anwendung von § 207 UmwG als Anspruchsgrundlage für eine Barabfindung für das durchgeführte reguläre Delisting. Der Senat sieht die vorgetragenen Einwände, dass das Umwandlungsgesetz auf das Kriterium der Börsennotierung nicht abstellt (so Ekkenga aaO). Gleichwohl kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass publikumsoffene und geschlossene Gesellschaften sich in ihrer Ausprägung stark unterscheiden. Die Umwandlung einer börsennotierten Aktiengesellschaft in eine geschlossene Gesellschaft durch ein Delisting ist in Bezug auf die Verkehrsfähigkeit der Anteilsrechte der Gesellschafter, auf welche unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten abzustellen ist, durchaus vergleichbar mit einem Rechtsformwechsel einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (vgl. Hüffer § 119 Rn. 24). Nachdem die Verkehrsfähigkeit der Anteilsrechte ein wesentliches Element des Aktieneigentums darstellt (vgl. BVerfGE 100, 289/305; BGHZ 153, 47/55), bedarf es aus verfassungsrechtlichen Erwägungen jedenfalls in dem hier zu entscheidenden Fall eines materiellrechtlichen Schutzes als Ausgleich für das von der Hauptversammlung beschlossene Delisting. Für die Heranziehung gesellschaftsrechtlicher Vorschriften zur Gewährleistung eines angemessenen Ausgleichs spricht überdies, dass gesetzliche Regelungen des Börsenrechts, die einen Ausgleich der Anteilsinhaber für die Einstellung der Börsennotierung vorsehen, nicht (mehr) bestehen (vgl. hierzu BGHZ 153, 47/56 f.). Somit ist die für eine analoge Anwendung der Vorschriften über gesellschaftsrechtliche Abfindungen bei Strukturmaßnahmen zu fordernde Regelungslücke eröffnet.

Gegen die entsprechende Heranziehung von § 207 UmwG spricht im hier zu entscheidenden Fall auch nicht die Grenze für den Erwerb eigener Aktien gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 AktG. Diese Vorschrift stellt keinen Hinderungsgrund für die Rechtmäßigkeit des hier vorliegenden Abfindungsangebots dar, weil dieses nicht von der Gesellschaft, sondern von der Antragsgegnerin zu 2 öffentlich abgegeben worden ist. Die Gesellschaft selbst hat in ihrer Stellungnahme das Kaufangebot begrüßt und den Aktionären empfohlen, dieses anzunehmen. Eine rechtliche Verpflichtung der Gesellschaft selbst lässt sich hieraus nicht herleiten. Sofern das Abfindungsangebot nicht von der Gesellschaft, sondern von den vorhandenen Mehrheitsgesellschaftern abgegeben wird, bedarf es zur Präzisierung des materiellen Anspruchs der ergänzenden analogen Anwendung von § 305 AktG (vgl. Adolff/Tieves BB 2003, 797/803).

dd) Die noch verbliebenen Antragsteller erfüllen die weiteren Tatbestandsvoraussetzung von § 207 UmwG analog, denn sie haben sämtlich in der Hauptversammlung vom 20./21.5.1999 gegen den Delistingbeschluss Widerspruch eingelegt.

c) Die Durchsetzung des vorbeschriebenen materiellrechtlichen Anspruchs scheitert nicht daran, dass für die Fälle des Delisting das Spruchverfahren nicht gesetzlich vorgesehen ist. Der Senat hat in einem früheren Verfahren entschieden, dass bei einem gegebenen materiellrechtlichen Anspruch keine Bedenken gegen eine analoge Anwendung der Vorschriften über das Spruchverfahren bestehen (BayObLG ZIP 1998, 2002/2004). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Auffassung bestehen nicht (BVerfG ZIP 2000, 1670/1673; BGHZ 153, 47/58).

d) Die Inanspruchnahme der beiden Antragsgegnerinnen erfolgte zu Recht. Der Anspruch richtet sich im gegenständlichen Fall sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen die Antragsgegnerin zu 2. Dieses Ergebnis ergibt sich aus der Gesamtschau der Ansprüche, die in einem Spruchverfahren verfolgt werden können.

aa) In Fällen der Barabfindung bei einer formwechselnden Umwandlung ergibt sich die Inanspruchnahme der Gesellschaft bereits aus § 207 UmwG. Im Übrigen sieht das Spruchverfahrensgesetz vor, dass richtiger Antragsgegner der Rechtsträger neuer Rechtsform ist (§ 5 Nr. 4 SpruchG). Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zu 1 ist hier nicht zu bestreiten, nachdem die in Rede stehende Maßnahme die Gesellschaft betrifft (vgl. Adolff/Tieves BB 2003, 797/803).

bb) Ferner wird auch die Antragsgegnerin zu 2 nicht zu Unrecht in Anspruch genommen. Die hiergegen geltend gemachten Einwände der sofortigen Beschwerde greifen nicht durch.

(i) Nach dem Spruchverfahrensgesetz ist Antragsgegner in Fällen der Überprüfung eines Abfindungsangebots derjenige, der ein Angebot gemacht hat oder hätte machen müssen (§ 5 Nr. 1 und Nr. 3). Die Regelung ist sachgerecht, da der Anbietende die Höhe des zu zahlenden Betrags festlegt und die Abfindung auch zu bezahlen hat. Für den Rechtszustand vor Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes, der hier aufgrund des Eingangs der Anträge anzuwenden ist (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 SpruchG), war die Frage umstritten, wurde aber überwiegend dahingehend entschieden, dass auch der Anbietende richtiger Antragsgegner eines Spruchverfahrens ist (vgl. AnwK-Aktienrecht-Heidel/Lochner § 327 f. Rn. 6 m.w.N.; MünchKommAktG/Bilda § 306 Rn. 52 m.w.N.). Gegen die Einbeziehung der Antragsgegnerin zu 2 spricht nicht, dass das Angebot auf anderer, nämlich börsenrechtlicher Rechtsgrundlage abgegeben worden ist und eine Befristung vorgesehen hat. Sofern im Rahmen einer Strukturmaßnahme ein Abfindungsangebot zu unterbreiten ist, führt das Unterbleiben eines solchen oder seine fehlende Ordnungsmäßigkeit nur dazu, dass im Rahmen eines Spruchverfahrens die angemessene Abfindung bestimmt wird (vgl. § 305 Abs. 5 Satz 2, § 320b Abs. 2, § 327f Abs. 1 Satz 2 AktG). Für ein Spruchverfahren nach Durchführung des regulären Delisting kann nach den Darlegungen zu Buchst. b sachlich nichts anderes gelten. Gegenstand dieses Verfahrens ist die Überprüfung der Angemessenheit des Kaufangebots der Antragsgegnerin zu 2 auf Erwerb der Aktien der außenstehenden Aktionäre für die Zeit vom 22.5.1999 bis 23.1.2003.

(ii) Die Antragsgegnerin zu 2 kann des Weiteren nicht geltend machen, dass sie durch die Einbeziehung in das Spruchverfahren rechtsstaatlich unzulässig wegen Verletzung des Rückwirkungsverbots beeinträchtigt wird. Eine echte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Sie liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerfGE 11, 139/145, st. Rspr.). Diese für die Gesetzgebung entwickelte Rechtsprechung muss auch hier Anwendung finden, nachdem der Bundesgerichtshof für eine börsenrechtliche Maßnahme das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren, das es für die Fälle des Delisting in der Rechtsprechung zuvor nicht gegeben hat, quasi gesetzesgleich eröffnet hat. Ein Eingriff in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Sachverhalte durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu Lasten der Antragsgegnerin zu 2 ist aber nicht festzustellen. Es würde der Sach- und Rechtslage nicht gerecht, wenn das bis 31.7.1999 befristete freiwillige Kaufangebot der Antragsgegnerin zu 2 isoliert betrachtet würde. Vielmehr steht fest, dass dieses Kaufangebot Bestandteil der Maßnahmen war, die als Ergebnis das Delisting der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 1 an den Börsen in Frankfurt und München zeitigen sollten. Auf der Hauptversammlung der Gesellschaft vom 20./21.5.1999 ist das Delisting von den außenstehenden Aktionären heftig bekämpft und nachfolgend auch gerichtlich angefochten worden. Bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.11.2002 (BGHZ 153, 47 ff.) war somit nicht abschließend geklärt, welchen Voraussetzungen das Delisting überhaupt unterliegt und welches Schicksal das Kaufangebot der Antragsgegnerin zu 2 nehmen wird. Gegenstand des zivilgerichtlichen Verfahrens war im Übrigen nicht nur die Anfechtung von in der Hauptversammlung vom 20./21.5.1999 gefassten Beschlüssen, sondern auch der Hilfsantrag der hiesigen Antragsteller zu 3 und zu 4 auf Überprüfung der Angemessenheit des Kaufangebots der Antragsgegnerin zu 2. Auch wenn die Antragsgegnerin zu 2 formell nicht an diesem zivilgerichtlichen Verfahren beteiligt war, konnte sie während der Anhängigkeit des Anfechtungsverfahrens nicht davon ausgehen, dass nach Ablauf der Angebotsfrist ihr Kaufangebot einen in der Vergangenheit abgewickelten Sachverhalt darstellen würde. Des Weiteren ist zu bedenken, dass auch das verwaltungsgerichtliche Verfahren über die Zulässigkeit des Delisting, in welchem das Kaufangebot abgegeben worden ist, erst mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4.6.2003 endete. Sonach bestand für die Antragsgegnerin zu 2 jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt kein Vertrauensschutz, dass in Bezug auf das Kaufangebot zur Erreichung des Delisting keine Änderungen mehr gefordert würden. Zuletzt ist ein Vertrauensschutz auch deshalb zu verneinen, weil in der gesellschaftsrechtlichen Literatur bereits lange vor dem Zeitpunkt der Abgabe des Kaufangebots der Antragsgegnerin zu 2 die Verpflichtung einer Gesellschaft auf Zahlung einer angemessenen Barabfindung bei dem Börsenaustritt erörtert worden ist (vgl. Vollmer/Krupp ZGR 1995, 459/475).

(iii) Nachdem die Antragsgegnerin zu 2 somit nicht davon ausgehen konnte, dass ihr Kaufangebot ohne Abänderung zum Delisting der Gesellschaft führen würde, bestand insoweit keine gesicherte eigentumsrechtliche Position, in die durch das gegenständliche Verfahren eingegriffen würde. Schließlich ist eine Verletzung von Verfahrensrechten der Antragsgegnerin zu 2 nicht erkennbar. In dem hier vorliegenden Verfahren, welches über die Bewertung des abgegebenen Kaufangebots befindet, stehen ihr alle Rechte als Beteiligte zur Verfügung. Es ist im Übrigen nicht erkennbar, dass ihre Beteiligung am Anfechtungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof dort ein anderes Ergebnis erbracht hätte.

Ende der Entscheidung

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