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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 09.07.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 12/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 29
Ist ein Notvorstand eines Vereins nur für bestimmte Aufgaben (z. B. Anmeldungen zum Vereinsregister, Einberufung einer Mitgliederversammlung) bestellt, endet sein Amt mit der Erfüllung dieser Aufgaben. Mit diesem Zeitpunkt erledigt sich die Hauptsache eines gegen den Bestellungsbeschluss anhängigen Beschwerdeverfahrens. Ob der Notvorstand diese Aufgaben ordnungsgemäß wahrgenommen hat (z. B. durch rechtlich mangelfreie Einberufung der Versammlung), kann nicht im Verfahren der - weiteren - Beschwerde gegen seine Bestellung geprüft werden.
Gründe:

I.

Der Verein wurde am 5.8.1981 im Vereinsregister des Amtsgerichts München eingetragen.

In der Mitgliederversammlung vom 23.5.1998 wurde eine Neufassung der Satzung beschlossen; dieser Beschluss wurde am 11.11.1998 eingetragen. Eine weitere Änderung der Satzung wurde in der Mitgliederversammlung vom 25.11.2000 beschlossen. In dieser wurden außerdem der mittlerweile verstorbene P. zum Vorsitzenden sowie der Beteiligte zu 2 zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. P. wurde am 16.3.2001 aufgrund der entsprechenden notariellen Anmeldung vom 19. 1. 2001 als alleiniger Vereinsvorstand im Vereinsregister eingetragen.

In der Mitgliederversammlung vom 16.10.1999 war mehrheitlich der Ausschluss des Beteiligten zu 1 aus dem Verein beschlossen worden. Mit Versäumnisurteil des Landgerichts München I vom 27.1.2003 - 22 O 16993/02 wurde festgestellt, dass der Ausschluss des Beteiligten zu 1 als Vereinsmitglied unwirksam sei. Ferner wurde erkannt, dass die Änderung bzw. Neufassung der Satzung vom 25.11.2000 unwirksam sei. Schließlich hat das Urteil festgestellt, dass die Einberufung zur Mitgliederversammlung zu jenem Datum und die darin gefassten Beschlüsse ungültig seien.

Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil wurde zurückgenommen. Die entsprechenden Eintragungen im Vereinsregister wurden von Amts wegen gelöscht.

In der Mitgliederversammlung vom 30.11.2002 wurde eine weitere, die Auflösung des Vereins betreffende, Änderung der Satzung beschlossen.

Nach dem Tod des damaligen Vorsitzenden P. bestellte das Amtsgericht München auf Antrag des Beteiligten zu 2 diesen durch Beschluss vom 18.2.2003 zum Notvorstand mit dem Wirkungskreis "Anmeldung der am 30.11.2002 beschlossenen Satzungsänderung und Einberufung einer Mitgliederversammlung."

Über einen offenbar in Unkenntnis dieses Beschlusses gestellten Antrag des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1 vom 20. 6. 2003, diesen zum Notvorstand zu berufen, wurde vom Amtsgericht nicht entschieden.

Ein gegen den Bestellungsbeschluss vom 18.2. 2003 als "Erinnerung/Beschwerde" eingelegtes Rechtsmittel des Beteiligten zu 1 unter dem Datum des 7.7.2003 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 8.7.2003 zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 17.3.2003 hatte der Beteiligte zu 2 die am 30.11.2002 beschlossene Satzungsänderung zur Eintragung in das Vereinsregister angemeldet.

Am 21.8.2003 wurde in einer von dem Beteiligten zu 2 einberufenen Mitgliederversammlung die Liquidation des Vereins beschlossen. Hierzu wurden drei Liquidatoren gewählt.

Am 15.12.2003 hat das Landgericht die gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Registergericht- vom 18.2.2003 eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1 verworfen. Die dem Verein im Beschwerdeverfahren erwachsenen außergerichtlichen Kosten wurden dem Beteiligten zu 1 auferlegt. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wurde auf 3000 EURO festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. Zugleich beantragt er, ihn zum Notvorstand zu bestellen.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere formgerecht eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Die gegen die Erstentscheidung im Bestellungsverfahren eingelegte Beschwerde sei unzulässig.

Zwar sei der Beteiligte zu 1 Vereinsmitglied, weil durch rechtskräftiges Versäumnisurteil sein Ausschluss für unwirksam erklärt worden sei, und deshalb grundsätzlich gemäß § 20 Abs. 1 FGG beschwerdeberechtigt. Nachdem jedoch die im Bestellungsbeschluss des Amtsgerichts vom 18.2.2003 genannten Aufgaben erledigt seien, fehle der Beschwerde das Rechtsschutzbedürfnis.

Das Amtsgericht habe unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit in seiner Bestellungsverfügung die Befugnis und Vertretungsmacht des Notvorstands in zulässiger Weise auf einzelne Angelegenheiten beschränkt. Diese seien erledigt, nachdem der Beteiligte zu 2 die am 30.11.2002 beschlossenen Satzungsänderung zur Eintragung in das Vereinsregister angemeldet und eine Mitgliederversammlung zum 21.8.2003 einberufen habe, in der die Liquidation des Vereins beschlossen wurde. Damit sei der Mangel i. S. von § 29 BGB behoben und das Amt des Notvorstandes automatisch beendet. Ein förmlicher Widerruf bzw. eine Entlassungsverfügung seitens des bestellenden Gerichts sei unnötig.

Damit könne aber die Beschwerde gegen die Bestellung des Notvorstandes kein rechtserhebliches Ziel mehr verfolgen, zumal das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich keine nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme nach Erledigung der Hauptsache vorsehe.

Soweit die Beschwerdebegründung einwende, der Beteiligte zu 2 als Notvorstand habe keine wirksame Anmeldung der Satzungsänderung vornehmen können, weil die in der Mitgliederversammlung vom 30.11.2002 gefassten Beschlüsse nach Ansicht des Beteiligten zu 1 unwirksam seien, sei dies unbeachtlich. Dies stelle eine weitere Rechtsfrage dar, über die in diesem Verfahren nicht zu befinden sei.

Letztlich wende sich der Beteiligte zu 1 gegen die in der Mitgliederversammlung vom 21.8.2003 beigeschlossene Liquidation des Vereins; diese sei jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens. Sie könne auch nicht mittelbar durch die Anfechtung der Einsetzung des Notvorstandes angegriffen werden. Selbst wenn diese Bestellung innerhalb des Beschwerderechtszuges aufgehoben werden sollte, komme dem keine Rückwirkung in Bezug auf von dem Bestellten vorgenommene Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen zu. Diese blieben vielmehr gültig, sofern sie nicht aus anderen Gründen nichtig oder anfechtbar seien.

Der Beteiligte zu 2 habe aufgrund des gerichtlichen Bestellungsbeschlusses eine Mitgliederversammlung einberufen und diese leiten dürfen. Eine etwaige Aufhebung dieses Beschlusses könne daran nichts ändern, so dass hierauf ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis nicht gestützt werden könne. Das entspreche der Rechtslage bei der Bestellung eines gerichtlichen Notverwalters im Wohnungseigentumsverfahren. Soweit der Beteiligte zu 1 die in der Mitgliederversammlung gefassten Beschlüsse für rechtswidrig bzw. nichtig halte, sei er auf die vor den ordentlichen Gerichten zu erhebende Feststellungsklage gem. § 256 ZPO zu verweisen.

Dem Beteiligten zu 2 seien aufgrund der Erfolglosigkeit seines Rechtsmittels die außergerichtlichen Kosten des Vereins aufzuerlegen gewesen.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

Die Amtsdauer eines Notvorstandes gemäß § 29 BGB endet mit der Behebung des Mangels der Vertretung, für den er bestellt war (BayObLG NZG 2002, 433; Reichert Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts 8. Aufl. Rn. 1280; Palandt/Heinrichs BGB 63. Aufl. § 29 Rn. 8).

Da hier zum Zeitpunkt des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 18.2.2003 der Verein ohne gesetzlichen Vertreter war, bedurfte es einer solchen Bestellung, um die in der Mitgliederversammlung vom 30.11.2002 beschlossene Satzungsänderung beim Registergericht anzumelden. Denn diese Anmeldung musste von mindestens einem zur Vertretung berechtigten Vorstandsmitglied vorgenommen werden (vgl. BGHZ 96, 245; Keidel/Winkler FGG 15. Aufl. § 159 Rn. 18 m.w.N.). Ob diese Satzungsänderung rechtswirksam zustande gekommen war, hatte weder das Registergericht vor Bestellung eines Notvorstandes zu prüfen noch kann dies Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sein. Entsprechende Einwendungen sind - wie das Landgericht zutreffend bemerkt hat - einer Feststellungsklage im ordentlichen Rechtsweg vorbehalten.

Ferner bedurfte es der Bestellung eines Notvorstandes, um eine Mitgliederversammlung einberufen zu können, weil nach § 7 Abs. 1 der Satzung nur der Vorsitzende oder sein Stellvertreter hierzu berechtigt sind. Da hier das Amtsgericht die Befugnis des Notvorstands - abgesehen von der Anmeldung der der Satzungsänderung zum Register - auf die Einberufung einer Mitgliederversammlung beschränkt hatte, endete spätestens mit dem Eintritt der Handlungs- und Vertretungsbefugnis der in dieser Versammlung am 21.8.2003 bestellten Liquidatoren die Amtsdauer des zuvor bestellten Notvorstandes. Etwaige Mängel der Einberufung bzw. der in der Versammlung gefassten Beschlüsse insbesondere zur Liquidation der Gesellschaft, auf die sich der Beteiligte zu 1 berufen will, sind einer Überprüfung im Rahmen einer zivilprozessualen Feststellungsklage zugänglich. Sie können aber nicht als Begründung dafür herangezogen werden, dass das Amt des Notvorstandes noch nicht beendet sei und deshalb die Rechtswirksamkeit seiner Bestellung nach wie vor im Beschwerdeverfahren geprüft werden müsse.

Vielmehr hat sich mit der Erfüllung der dem Notvorstand im Rahmen des Bestellungsbeschlusses zugewiesenen Aufgaben bzw. mit dem - hier wohl zeitgleichen - Beginn der Amtsdauer der Liquidatoren die Hauptsache des Beschwerdeverfahrens gegen die Bestellung des Beteiligten zu 2 erledigt. Eine Entscheidung in der Sache kann mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht mehr ergehen. Insbesondere kann weder über die begehrte Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses noch über eine etwaige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bestellung des Notvorstandes erreicht werden, dass dessen Willenserklärungen und Rechtshandlungen für den Verein rückwirkend unwirksam würden (§ 32 FGG; Keidel/Zimmermann § 32 Rn.6; Reichert aaO Rn.1286). Dies hat das Landgericht zutreffend unter Hinweis auf die vergleichbare Rechtslage bei einem Notverwalter im Wohnungseigentumsrecht dargelegt (vgl. hierzu BayObLG NJW-RR 1992, 787).

3. Über den Antrag des Beteiligten zu 1, selbst zum Notvorstand bestellt zu werden, kann im Verfahren der weiteren Beschwerde schon deshalb nicht entschieden werden, weil er nicht Gegenstand der landgerichtlichen Beschlussfassung war. Im Übrigen wäre hierfür auch insoweit kein Raum mehr, als durch die Bestellung von Liquidatoren ein Bedürfnis für eine Notvertretung nach § 29 BGB entfallen ist.

4. Die Entscheidung über die Auferlegung der Kosten folgt aus § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

5. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 31 Abs. 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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