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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 04.09.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 120/02
Rechtsgebiete: KostO, ZSEG, ZPO


Vorschriften:

KostO § 137 Nr. 6
ZSEG § 3 Abs. 1
ZPO § 407a Abs. 3 Satz 2
Ein Sachverständiger muss auch in einem Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz das Gericht rechtzeitig unterrichten, wenn durch die Hinzuziehung einer fachkundigen Hilfskraft seine voraussichtliche Entschädigung den Wert des Verfahrensgegenstands übersteigt.
Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin war ehemals Verwalterin des Wohnungseigentums der antragstellenden Gemeinschaft. Das Amtsgericht verurteilte sie am 29.9.2000 antragsgemäß zur Zahlung eines Vorschusses von rund 4600 DM zum Einbau einer neuen Schließanlage, weil die Antragsgegnerin nicht alle vorhandenen Hauptschlüssel der neuen Verwalterin übergeben habe. Hiergegen legte die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde ein.

Das Landgericht erhob gemäß Beschluss vom 4.1.2001 Beweis zur Frage der Lebensdauer und des Zeitwerts der vorhandenen Schließanlage durch Erholung eines Sachverständigengutachtens. In dem gerichtlichen Anschreiben an den Sachverständigen vom 16.1.2001 heißt es unter anderem:

"Ich bitte das Gericht zu informieren und seinen Bescheid abzuwarten, wenn für die Begutachtung Kosten von mehr als --,-- DM zu erwarten sind."

Ein Betrag war nicht eingesetzt.

Am 8.2.2001 teilte der Sachverständige dem Gericht mit, dass er am 8.3.2001 eine Objektbesichtigung vorhabe, möglicherweise noch Laboruntersuchungen erforderlich seien und er einen Stundensatz von 120 DM zuzüglich Mehrwertsteuer beanspruche. Der Vorsitzende der Beschwerdekammer antwortete am 5.3. 2001, dass die Staatskasse bei einem Stundensatz von 80 DM erfahrungsgemäß keine Einwendungen erhebe, im übrigen keine Zusage insoweit gemacht werden könne.

Mit Schreiben vom 12.4.2001 übersandte der Sachverständige das Gutachten und eine Rechnung über 5277,33 DM. Am 25.4.2001 wurde die Auszahlung dieses Betrages an geordnet. Da das Gericht am 1.6.2001 einen (dann mehrmals, verlegten und letztlich nicht abgehaltenen) Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumte, zu dem auch der Sachverständige geladen wurde, reichte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin am 15.8.2001 einen Schriftsatz ein, in dem es unter anderem heißt:

"In Anbetracht dessen, dass der Gutachter für eine Fahrt nach Schweinfurt zum Termin noch einmal ca. 2000 DM kosten dürfte, und wohl auch schon jetzt ca. 4000 bis 5000 DM gekostet haben könnte, während die Parteien nur um 4821,25 DM streiten, bittet Unterfertigter, solange auch Herr BE noch nicht in Urlaub ist, um einen gerichtlichen Hinweis bezüglich der Erfolgsaussichten des Verfahrens, da vermieden werden soll, dass unnötige Kosten produziert werden."

Mit Schriftsatz vom 4.10.2001 teilte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin mit, dass sich die Parteien bei Kostenaufhebung außergerichtlich verglichen hätten und er die sofortige Beschwerde zurücknehme. Mit Kostenrechnung vom 7.11.2001 wurde von der Antragsgegnerin die Zahlung von Gerichtskosten in Höhe von 25 DM sowie die Erstattung der an den Sachverständigen ausgezahlten Entschädigung eingefordert.

Mit Schriftsatz vom 17.11.2001 machte die Antragsgegnerin die Unverhältnismäßigkeit der Sachverständigenkosten geltend und beantragte deren Überprüfung und Kürzung. Mit Schriftsatz vom 21.1.2002 legte sie gegen den Kostenansatz Erinnerung ein, die das Landgericht am 26.3.2002 zurückgewiesen hat.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 14 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 KostO) und zum Teil begründet.

1. Die Kosten durften angesetzt werden, obwohl eine Entscheidung des mit der Hauptsache befassten Gerichts über die Tragung der Gerichtskosten gemäß § 47 WEG bisher nicht vorliegt. Die Staatskasse hat nämlich keine rechtliche Möglichkeit, eine solche Kostenentscheidung herbeizuführen (vgl. auch Korintenberg/Lappe KostO 15. Aufl. § 3 Rn. 4). Sie muss deshalb bis zum Vorliegen einer Kostenentscheidung die Kosten von dem jedenfalls auch haftenden Antragsschuldner (§ 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 KostO; Rohs/Wedewer KostO 77. ErgLfg zur 2. Aufl. § 3 Rn. 4) erheben können. Ein solcher Kostenansatz steht jedoch unter dem Vorbehalt der endgültigen Kostenentscheidung nach § 47 WEG (vgl. BayObLG JurBüro 1989, 1581/1582; BayObLGZ 1994, 188/191).

2. Die erste Position des Kostenansatzes des Landgerichts vom 7.11.2001 besteht zu Recht. Die halbe Gebühr in Höhe von 25 DM nach Rücknahme des Rechtsmittels beruht auf § 48 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 WEG und der allgemeinen Gebührentabelle (§ 43 Abs. 1 WEG; § 1, § 32 KostO a.F.). Gegen sie wurde auch nichts vorgebracht.

3. Die beanstandete Position "Sachverständigenentschädigung" ist um die für den Assistenten geltend gemachten Aufwendungen (800 DM) nebst entsprechendem Umsatzsteueranteil zu kürzen.

a) § 3 Abs. 1 ZSEG spricht aus, dass Sachverständige für ihre Leistungen durch die Staatskasse entschädigt werden. Die hiernach zu zahlenden Beträge werden nach § 137 Nr. 6 KostO neben der Gebühr (oben 1.) vom Kostenschuldner (hier der Antragsgegnerin als Beschwerdeführerin, § 2 Nr. 1 KostO) erhoben. Die Auslegung des § 137 Nr. 6 KostO ergibt, dass vom Kostenschuldner einerseits Erstattung nur des Betrages verlangt werden kann, der von der Staatskasse an den Sachverständigen tatsächlich gezahlt wurde (vgl. Korintenberg/Lappe § 137 Rn. 14), andererseits ein tatsächlich gezahlter Betrag nur insoweit zu erstatten ist, als eine Entschädigungspflicht gegenüber dem Sachverständigen bestand (aaO Rn. 15). Dabei ist die Höhe der Sachverständigenentschädigung im Kostenansatzverfahren eigenständig zu überprüfen. Wenn nicht einmal eine gerichtliche Festsetzung der Entschädigung nach § 16 ZSEG eine Bindung für das Kostenansatzverfahren herbeizuführen vermag (§ 16 Abs. 4 ZSEG), gilt dies erst recht für den Fall, dass, wie hier, die dem Sachverständigen zu gewährende Entschädigung im Verwaltungswege bestimmt wurde (vgl. auch BayObLG JurBüro 1982, 110/111 m. w. N.).

b) Die in der Rechnung des Sachverständigen vom 12.4.2001 geltend gemachten Positionen A - 1 bis 4 und B - 5 bis 8 sind hinsichtlich ihrer Notwendigkeit nicht zu beanstanden.

aa) Der Zeitaufwand (A - 1 bis 3) von 24 Stunden ist angemessen. Die Höhe der Entschädigung eines Sachverständigen bemisst sich grundsätzlich nach dem für die sachgemäße Beantwortung der Beweisfrage objektiv erforderlichen Zeitaufwand (§ 3 Abs. 2 ZSEG; vgl. BayObLGZ 1997, 353/354). Das Gericht muss zwar die Erforderlichkeit des Zeitaufwands nachprüfen (vgl.. BGH NJW-RR 1987, 1470/1471), darf aber von der Richtigkeit des vom Sachverständigen angegebenen Zeitaufwands ausgehen, wenn dieser nicht im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint (vgl. SchlHOLG JurBüro 1989, 1173/1175; OLG Düsseldorf JurBüro 1996, 43/44).

Der für das Aktenstudium angesetzte Zeitaufwand von 1,5 Stunden bei einem damaligen Aktenumfang von 67 Blatt ist nach diesem Maßstab nicht zu beanstanden (vgl. Jesnitzer/Ulrich Der gerichtliche Sachverständige 11. Aufl. Rn. 483). Dies gilt auch für den Aufwand von 12,5 Stunden für die Objektbesichtigung einschließlich Hin- und Rückfahrt angesichts der Entfernung (vgl. Jesnitzer/Ulrich Rn. 485). Der Aufwand von zehn Stunden für die Ausarbeitung und das Diktat des Gutachtens ist angesichts des Umfangs des Gutachtens von sieben Seiten deshalb gerechtfertigt, weil noch ein elfseitiges zusätzliches Untersuchungsprotokoll beigefügt ist (vgl. Jesnitzer/Ulrich Rn. 486).

bb) Die Höhe des Stundensatzes (A - 1 bis 4) ist nicht zu beanstanden. Der Basissatz von 80 DM entspricht noch dem Mittelwert gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 ZSEG a.F. Ebenfalls ist nicht zu beanstanden die Überschreitung des Basissatzes um 50 v.H. gemäß § 3 Abs. 3 Buchst. b ZSEG, da der Sachverständige glaubhaft vorgetragen hat, dass er ca. 90 % seiner Einkünfte aus Gerichtsgutachten beziehe.

cc) Die Fahrtkosten von 0,52 DM pro mit dem eigenen Kraftfahrzeug zurückgelegtem Kilometer (B - 5) entsprechen dem Gesetz (§ 9 Abs. 3 Nr. 1 ZSEG). Die Fahrtstrecke von 826 km erscheint glaubhaft. Die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln hätte zu einem erheblich höheren Zeitaufwand geführt, der höhere Kosten verursacht hätte als die Benützung des eigenen Kraftfahrzeugs (§ 9 Abs. 1 ZSEG). Die Positionen Fotoarbeiten, Schreibkosten, Porto und Nebenkosten (B - 6 bis 8) sind durch § 8 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 ZSEG gerechtfertigt.

c) Ob die Aufwendungen, die der Sachverständige für die Tätigkeit seines Assistenten geltend macht (Position B - 9), notwendig waren, erscheint nicht zweifelsfrei. Es spricht manches dafür, dass jedenfalls zu dem infolge der langen An- und Abfahrt kostenträchtigen Ortstermin nur eine der beiden fachkundigen Personen hätte zu fahren brauchen. Ob insoweit die Zuziehung der Hilfskraft zu erheblichen Einsparungen bei dem Aufwand des Sachverständigen selbst geführt hat, steht nicht fest. Die Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn in diesem Punkt ist die angesetzte Entschädigung wegen eines von der Antragsgegnerin vorgebrachten Missverhältnisses zum Gegenstandswert zu kürzen.

aa) Die Vorschrift des § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO ist auch im FGG-Verfahren anwendbar (vgl. BayObLGZ 1997, 353/355). Nach ihr hat der Sachverständige rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass voraussichtliche Kosten erwachsen, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des in Streit befindlichen Gegenstands stehen. Wann von einem Missverhältnis im Sinne dieser Vorschrift gesprochen werden kann, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. Teilweise wird ein solches Missverhältnis bereits angenommen, wenn die Hälfte des Gegenstandswertes durch die Sachverständigenentschädigung überschritten wird (vgl. MünchKomm/Damrau ZPO 2. Aufl. § 407a Rn. 11; Meyer/Höfer/Bach ZSEG 21. Aufl. § 3 Rn. 8). Andere sprechen erst dann von einem Missverhältnis, wenn die Sachverständigenentschädigung den Gegenstandswert erreicht (vgl. SchlHOLG JurBüro 1989, 1173/1174 m. w. N.; Jesnitzer/Ulrich Rn. 236). Im vorliegenden Fall liegt jedenfalls ein Missverhältnis vor, da die ungekürzte, vom Sachverständigen veranschlagte Entschädigung den Gegenstandswert, der durch die vom Amtsgericht zugesprochene Schadensersatzforderung gebildet wird, deutlich übersteigt.

bb) Eine Hinweispflicht des Sachverständigen bestand, obwohl in der gerichtlichen Mitteilung vom 16.1.2001 kein Betrag eingesetzt war, ab dem der Sachverständige das Gericht informieren und seinen Bescheid abwarten sollte. Der Sachverständige durfte aus diesem Umstand nicht ableiten, dass er kein Kostenlimit zu beachten habe. Er konnte den Akten ohne weiteres entnehmen, dass um den Betrag, den das Amtsgericht zugesprochen hatte, gestritten wird.

cc) Eine Kürzung unterbleibt allerdings, soweit bei verständiger Würdigung aller Umstände unter Anlegung eines objektiven Maßstabs davon auszugehen ist, dass auch bei pflichtgemäßer Anzeige die Tätigkeit des Sachverständigen weder eingeschränkt noch ihre Fortsetzung unterbunden worden wäre (vgl. BayObLGZ aaO S. 356). Dies ist nur hinsichtlich der für den Sachverständigen selbst angesetzten Kosten, nicht aber hinsichtlich der für die Hilfsperson angesetzten Kosten der Fall.

Der Sachverständige hat durch Schreiben vom 8.2.2001 sowohl den Beteiligten als auch dem Gericht mitgeteilt, dass er eine Ortsbesichtigung und Laboruntersuchungen durchführen werde. Damit war klar, dass es zu einer mehrstündigen Fahrt des Sachverständigen und einem ebenfalls mehrstündigen Aufenthalt dort kommen würde. Auch war vorherzusehen, dass für die Laboruntersuchungen und schließlich für die Ausarbeitung des Gutachtens zusätzlich mehrere Stunden vom Sachverständigen aufzuwenden sind. Auch die bei der Fahrt anfallenden Entfernungskilometer ließen sich ohne weiteres abschätzen. Wegen der Höhe des vom Sachverständigen reklamierten Stundensatzes kam es zu einem Schriftwechsel zwischen Gericht und Sachverständigen, von dem jedenfalls das Antwortschreiben vom 22.2.2001, in dem der Sachverständige die Höhe des Stundensatzes erläutert, ausweislich des Erledigungsvermerks der Geschäftsstelle am 6.3.2001 den Beteiligten in Ablichtung mitgeteilt wurde. Anhand dieser Anhaltspunkte konnten die rechtskundig vertretenen Beteiligten die unter b) angeführten Rechnungspositionen annähernd abschätzen. Dass sie das Verfahren gleichwohl weiter betrieben haben, zeigt, dass eine Anzeige des Sachverständigen hinsichtlich der voraussichtlichen Höhe seiner Entschädigung insoweit nicht dazu geführt hätte, dass der Auftrag an ihn zurückgenommen oder eingeschränkt worden wäre.

Bei den für den Assistenten geltend gemachten Aufwendungen (Position B - 9) nebst dem darauf entfallenden Umsatzsteueranteil kann hiervon hingegen nicht mehr ausgegangen werden. Die genannten Schreiben des Sachverständigen enthalten keinen Hinweis auf die Zuziehung einer Hilfskraft. Auch aus den Umständen war nicht zu entnehmen, dass eine solche Zuziehung erforderlich oder zu erwarten war. Die insbesondere auch angesichts der weiten Fahrt erheblichen Kosten für den Assistenten führten zu einer Erhöhung der verlangten Entschädigung deutlich über den Gegenstandswert hinaus. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beteiligten, hätten sie erfahren, dass neben dem Sachverständigen ein fachkundiger Assistent im gegebenen Umfang zugezogen werden sollte, das Verfahren, etwa durch Vergleich, wie später geschlossen, beendet' hätten oder zumindest Teilbereiche des Tatsachenstoffes unstreitig gestellt hätten (vgl. Keidel/Kayser FGG 14. Aufl. § 12 Rn. 89 a.E.), um den Kostenanfall zu vermeiden oder zu verringern. Ist nicht aufzuklären, ob es zu einer solchen Verfahrensbeendigung oder -modifizierung gekommen wäre, ist die Entschädigung des Sachverständigen um die in Frage stehenden Mehrkosten zu kürzen (vgl. BayObLG aaO S. 356).

Ende der Entscheidung

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