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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.08.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 121/02 (1)
Rechtsgebiete: FFG, ZPO


Vorschriften:

FFG § 13a Abs. 3
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 574 Abs. 1
Seit dem 1.1.2002 ist die sofortige weitere Beschwerde gegen eine Kostenfestsetzung FGG-Verfahren gegeben, sofern sie durch das Landgericht zugelassen worden ist.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht setzte durch Beschluss vom 8.1.2002 die vom Antragsteller den Antragsgegnern in einem Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz zu erstattenden Kosten auf 9280,02 EUR fest.

Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht am 22.4.2002 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das Rechtsmittel ist unzulässig.

1. Seit Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gegen eine Entscheidung des Landgerichts über eine sofortige Beschwerde betreffend die Kostenfestsetzung durch das Amtsgericht die sofortige weitere Beschwerde gegeben, sofern sie durch das Landgericht zugelassen worden ist.

a) In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen Wohnungseigentumssachen gemäß § 43 Abs. 1 WEG zählen, kann die Entscheidung des Amtsgerichts über einen Kostenfestsetzungsantrag mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden (§ 13a Abs. 3 FGG, § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Eine sofortige weitere Beschwerde war bisher unzulässig, weil nach § 568 Abs. 3 ZPO a.F. Entscheidungen der Landgerichte über Prozesskosten der weiteren Beschwerde nicht unterlagen (vgl. BGHZ 33, 205/207; BayObLG Rpfleger 1982, 38; st. Rspr. des Senats).

b) Seit 1.1.2002 gelten im Zivilprozess für die Statthaftigkeit von Rechtsmitteln neue Regeln. Das Beschwerdeverfahren der ZPO ist durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27.7.2001 (BGBl I S. 1887, ZPO-RG) einschneidend umgestaltet worden. Ist wie hier die angegriffene Entscheidung des Landgerichts nach dem 1.1.2002 ergangen, sind die Vorschriften der ZPO in der Fassung des Zivilprozessreformgesetzes anzuwenden (§ 26 Nr. 10 EGZPO).

Im Rahmen der Neuregelung wurde § 568 Abs. 2 und 3 ZPO a.F. durch § 574 ZPO n. F. ersetzt. Gegen eine im Beschwerdeverfahren ergangene Entscheidung des Landgerichts betreffend die Kostenfestsetzung durch das Amtsgericht ist danach nunmehr die Rechtsbeschwerde gegeben (vgl. auch Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 104 Rn. 52). Sie setzt, da im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen (§ 574 Abs. 1 Nr. 1, § 104 Abs. 3 ZPO), die Zulassung durch das Beschwerdegericht voraus (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Dies entspricht sowohl dem Gesetzeswortlaut wie den Intentionen des Gesetzgebers. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Zivilprozessreformgesetz in seiner ursprünglichen Konzeption von der Zielvorstellung ausging, allein dem Oberlandesgericht die Entscheidung über Berufungen und Beschwerden in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuzuweisen (vgl. BT-Drs. 14/4722 S. 72). Die Entscheidungen der Oberlandesgerichte sollten ihrerseits nur einer Rechtskontrolle (Revision, Rechtsbeschwerde) unterworfen sein. Diese Konzeption war zwar im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzbar. Dennoch hat der Gesetzgeber daran festgehalten, dass gegen Entscheidungen, die im Beschwerdeverfahren ergangen sind, die Rechtsbeschwerde (§§ 574 ff. ZPO) statthaft ist.

c) Die dargestellten neuen Regeln über die Beschwerde im Zivilprozess beziehen sich auf die Statthaftigkeit des Rechtsmittels. Insoweit sind sie in Übereinstimmung mit den bisher für die entsprechende Anwendung von Vorschriften der Zivilprozessordnung auf bestimmte Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit maßgebenden Grundsätzen auch auf die Kostenfestsetzung betreffende Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu übertragen (vgl. BGHZ 33, 205/207 f.; Demharter NZM 2002, 233/235 f. ).

aa) Der Senat sieht keinen Anlass, das Verfahren betreffend die Kostenfestsetzung insoweit anders zu behandeln als die Verfahren betreffend die Richterablehnung (vgl. BayObLGZ 2002, 89) und die Prozesskostenhilfe (vgl. BayObLGZ 2002 Nr. 26). In allen genannten Verfahren sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung, sei es kraft ausdrücklicher Anordnung (§ 13a Abs. 3, § 14 FGG), sei es nach ständiger Rechtsprechung und ganz herrschender Meinung in der Literatur (so zum Ablehnungsverfahren BGHZ 46, 195; BayObLGZ 1967, 474/475; 1977, 97; Keidel/Zimmermann FGG 14. Aufl. § 6 Rn. 56; Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 6 FGG Rn. 14), entsprechend anwendbar. Diese entsprechende Anwendung führt im Verfahren der Kostenfestsetzung anders als in den Verfahren der Richterablehnung und der Prozesskostenhilfe, zu einer Erweiterung des Rechtsmittelzuges, da hier eine weitere Beschwerde bislang nicht stattfand. Andererseits schließt sie auch die Einschränkungen ein, die sich für die Statthaftigkeit von Rechtsmitteln aus den allgemeinen Vorschriften der ZPO ergeben (vgl. für das Kostenfestsetzungsverfahren BGHZ 33, 205/207; für das Ablehnungsverfahren BayObLGZ 1993, 9/12; für das Verfahren der Prozesskostenhilfe BayObLGZ 1991, 414). Dies wird dem Bestreben des Gesetzgebers gerecht, in derartigen Nebenverfahren die Überprüfung im Rechtsmittelzug auf ein von der Bedeutung her gerechtfertigtes Maß zu beschränken.

Für eine uneingeschränkte, von einer Zulassung nicht abhängige weitere Beschwerde könnte allenfalls sprechen, dass im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Hauptsacherechtszug, anders als nunmehr nach der ZPO, im Grundsatz ohne Einschränkung eröffnet ist. Das allein gibt aber keinen hinreichenden Anlass, Rechtsmittel im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in weiterem Umfang zuzulassen, als dies für den Zivilprozess vorgesehen und im Interesse der Beschränkung von Rechtsmitteln in Nebenverfahren wie dem Kostenfestsetzungsverfahren sachgerecht ist (vgl. BGHZ 33, 205/208 sowie BayObLGZ 2002, 89/93 für das Verfahren der Richterablehnung und BayObLGZ 2002 Nr. 26 für das Verfahren der Prozesskostenhilfe).

bb) Allerdings kennt das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Rechtsbeschwerde in der nunmehr in der ZPO vorgesehenen Form nicht unter dieser Bezeichnung. Gleichwohl ist deren Konzeption der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Gestalt des Rechtsmittels der weiteren Beschwerde (§ 27 FGG) geläufig, die wie die Rechtsbeschwerde auf eine Rechtskontrolle beschränkt ist (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 546 ZPO n.F.). Auch im FGG-Verfahren gibt es nicht wenige Fallgestaltungen, in denen die Statthaftigkeit der weiteren Beschwerde von ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht abhängt (vgl. die Nachweise bei Bassenge § 27 FGG Rn. 5 i.V.m. § 19 FGG Rn. 17 ff.). Die in der Zivilprozessordnung mit der neu geschaffenen Rechtsbeschwerde verbundenen Einschränkungen können daher in das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ohne Systembruch übernommen werden. Die weitere Beschwerde ist eine sofortige (§ 29 Abs. 2 FGG i.V.m. § 13a Abs. 3 FGG, § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

Das Rechtsmittelverfahren im übrigen, insbesondere hinsichtlich des zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufenen Gerichts, der Frist und Form des Rechtsmittels und der Beschwerdeberechtigung, richtet sich nach den Vorschriften des FGG (BayObLGZ 1967, 474/475; 1977, 97; 1993, 9/12; Demharter aaO).

2. Nach diesen Grundsätzen ist das vorliegende Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen, weil das Landgericht die sofortige weitere Beschwerde im angefochtenen Beschluss nicht zugelassen hat. Das Schweigen des angefochtenen Beschlusses ist in den Fällen dieser Art als Nichtzulassung auszulegen (BayObLGZ 1999, 121/122; Bassenge § 27 FGG Rn. 5 i.V.m. § 19 FGG Rn. 18). Eine Nichtzulassungsbeschwerde sieht das Gesetz nicht vor (vgl. auch Thomas/Putzo/Reichold § 574 Rn. 9), so dass die Nichtzulassungsentscheidung des Landgerichts grundsätzlich der Nachprüfung durch den Senat entzogen und für ihn bindend ist (vgl. BayObLGZ 2000, 8/11; 1999, 121/122; OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 1325).

3. Gegen die Entscheidung des Landgerichts besteht auch keine Anfechtungsmöglichkeit mittels einer außerordentlichen Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit.

a) Nach der bisher herrschenden Meinung und Rechtsprechung können unanfechtbare Entscheidungen dann ausnahmsweise mit einer im Gesetz nicht vorgesehenen außerordentlichen Beschwerde angegriffen werden, wenn greifbare Gesetzwidrigkeit vorliegt. Greifbare Gesetzwidrigkeit setzt voraus, dass die Entscheidung jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist, sie also schlechthin unvereinbar mit der geltenden Rechtsordnung ist (vgl. BGH NJW-RR 1998, 63; BayObLG NJW-RR 1998, 1047; KG FGPrax 1996, 182; Bassenge § 19 FGG Rn. 16 m. w. N.). Ein Verstoß gegen eindeutiges materielles Recht (vgl. OLG Frankfurt FGPrax 1997, 200) genügt ebenso wenig wie ein Verstoß gegen grundlegende Verfahrensvorschriften, zu denen insbesondere das Recht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs zählt (vgl. BGH NJW-RR 1986, 1263; BayObLG NJW-RR 1998, 1047; OLG Köln MDR 2001, 589; Bassenge aaO).

b) Der Bundesgerichtshof hat demgegenüber nach Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes für den Bereich der ZPO-Verfahren entschieden, dass eine derartige außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit nicht mehr statthaft ist (vgl. BGH NJW 2002, 1577). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dieser Auffassung für den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit angeschlossen (vgl. BVerwG NJW 2002, 2657). Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der Problematik der Verletzung von Verfahrensgrundrechten bei der Neuregelung der Rechtsbeschwerde bewusst davon abgesehen habe, eine dem Revisionsrecht vergleichbare Korrektur dieser Fehler zu schaffen. Vielmehr habe der Gesetzgeber für den Fall der Verletzung des rechtlichen Gehörs in § 321a ZPO eine Abhilfemöglichkeit durch das entscheidende Gericht selbst vorgesehen. Diese Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers sei zu beachten. Ein etwa gegebener Verfassungsverstoß müsse durch das erstinstanzliche Gericht auf entsprechende Gegenvorstellungen korrigiert werden. Für den Fall, dass dieses Gericht einen Verfassungsverstoß nicht ausräume, komme allein die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts in Betracht.

c) Es kann offen bleiben, ob, wofür nicht nur die Gesetzeslage, sondern auch Gründe der Praktikabilität sprechen könnten, diese Grundsätze auf den Bereich der FGG-Verfahren zu übertragen sind. Im vorliegenden Fall führen beide Auffassungen zu dem Ergebnis, dass gegen die angegriffene Entscheidung des Landgerichts die außerordentliche Beschwerde nicht statthaft ist. Folgt man der erwähnten Rechtsprechung der genannten Bundesgerichte, ist eine außerordentliche Beschwerde ohne weiteres unzulässig. Folgt man der bisher herrschenden Ansicht, ist eine außerordentliche weitere Beschwerde deshalb ausgeschlossen, weil die Entscheidung des Landgerichts weder jeder rechtlichen Grundlage entbehrt noch dem Gesetz inhaltlich fremd ist und insbesondere nicht auf Willkür beruht (vgl. BVerfG FamRZ 1991, 295). Vielmehr betreffen die vom Antragsteller genannten Umstände, die nach seiner Auffassung ein greifbares Unrecht darstellen, die Kostenentscheidung des Landgerichts im Hauptsacheverfahren. Diese ist nicht Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens (Keidel/Zimmermann § 13a Rn. 65; Zöller/Herget ZPO 23. Aufl. § 104 Rn. 5 und Rn. 21 "materiell-rechtliche Einwendungen"). Die Ablehnung ihrer Überprüfung durch das Landgericht kann daher, und allein dies ist für die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidend, keinesfalls als greifbar gesetzwidrig angesehen werden. Ihre Überprüfung ist auch dem Senat nicht angefallen, da sich das vorliegende Rechtsmittel gegen die landgerichtliche Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren richtet (Keidel/Kahl § 27 Rn. 15 und § 19 Rn. 39).

Ende der Entscheidung

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