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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.05.1999
Aktenzeichen: 3Z BR 121/99
Rechtsgebiete: FGG, ZPO


Vorschriften:

FGG § 56g Abs. 5 Satz 1
FGG § 69e Satz 1
FGG § 29 Abs. 2
FGG § 22 Abs. 1 Satz 1
FGG § 29 Abs. 4
FGG § 16 Abs. 2 Satz 1
FGG § 22 Abs. 1 Satz 2
FGG § 13a Abs. 1 Satz 2
ZPO § 287
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerisches Oberstes Landesgericht

3Z BR 121/99 LG München I - 13 T 13704/98 AG München 702 XVII 2599/97

BESCHLUSS

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Karmasin sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Nitsche

am 20. Mai 1999

in dem Betreuungsverfahren

beschlossen:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 21. August 1998 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 2 hat der Beteiligten zu 1 die durch das Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht bestellte der Betroffenen am 21.3.1997 die Beteiligte zu 1, eine Rechtsanwältin, zur Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge einschließlich Erbschaftsangelegenheiten, Heim- und Wohnungsangelegenheiten, Organisation ambulanter Dienste sowie Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern. Am 28.5.1997 verstarb die Betroffene und wurde von der Beteiligten zu 2 beerbt.

Mit Schreiben vom 8.6.1997 beantragte die Beteiligte zu 1 eine Vergütung von DM 30.680 (127,83 Stunden zu je DM 240). Das Amtsgericht bewilligte am 10.6.1998 antragsgemäß die Vergütung und stellte fest, daß Auslagen in Höhe von DM 420,20 entstanden seien. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 hiergegen wies das Landgericht mit Beschluß vom 21.8.1998 zurück. Gegen diesen Beschluß, der am 1.9.1998 formlos an die Beteiligten hinausgegeben worden ist, wendet sich die Beteiligte zu 2 mit der am 15.4.1999 eingegangenen weiteren Beschwerde. Zur Begründung wird vorgetragen, es sei äußerstenfalls eine Vergütung von DM 8.640 angemessen. Sie wende sich nicht gegen den Stundensatz. Das Beschwerdegericht habe jedoch ihren Einwand übergangen, daß die Tätigkeit der Beteiligten zu 1 weitgehend nicht notwendig, sinnvoll oder überflüssig und damit - unabhängig von Schadensersatzansprüchen - eine Vergütung insoweit nicht geschuldet gewesen sei.

II.

1. Das Rechtsmittel ist zulässig.

a) Gegen Beschwerdeentscheidungen über die Vergütung von Betreuern findet gemäß § 56g Abs. 5 Satz 1, § 69e Satz 1, § 29 Abs. 2 FGG in der Fassung des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes - BtÄndG - vom 25.6.1998 (BGBl I S. 1580) die sofortige weitere Beschwerde statt. Dies gilt auch, wenn wie hier die Beschwerdeentscheidung vor dem Inkrafttreten des BtÄndG wirksam geworden ist.

Für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist nämlich grundsätzlich das zum Zeitpunkt seiner Einlegung geltende Recht maßgeblich, sofern nicht Überleitungsvorschriften eine andere positive Regelung treffen (vgl. BVerfGE 87, 48/64 f.; RG JW 3925, 362/363; RGZ 135, 121/123; BGH MDR 1955, 157; BGHZ 114, 1/3 f.; BGH WM 1991, 1394/1395; BayObLGZ 1989, 153/154; 282/284; Jansen FGG 2. Aufl. § 26 Rn. 16; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 23). Gemäß Art. 5 Abs. 2 BtÄndG traten die genannten Vorschriften am 1.1.1999 in Kraft. Auf weitergehende Übergangsregelungen wurde verzichtet (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 53, 58; BT-Drucks. 13/10874).

Aus Gründen des Vertrauensschutzes gelten diese Grundsätze nicht für bereits anhängige Rechtsmittelverfahren, weil eine nachträgliche Beschränkung regelmäßig nicht zum Fortfall der Statthaftigkeit bereits eingelegter Rechtsmittel führt (vgl. BVerfG aaO). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor, da das Rechtsmittel erst nach Inkrafttreten des BtÄndG eingelegt worden ist.

Eine Ausdehnung des Grundsatzes der Rechtsmittelsicherheit auch auf Beteiligte, die bis zum Inkrafttreten der Einschränkung ein unbefristetes Rechtsmittel hätten einlegen können (vgl. W. Lüke in Festschrift G. Lüke S. 391/402), erscheint nicht geboten. Dies gilt im vorliegenden Fall um so mehr, als die Gesetzesänderung bei Erlaß der Beschwerdeentscheidung bereits verkündet war.

Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist dennoch nicht verspätet, da die Frist der §§ 22 Abs. 1 Satz 1, 29 Abs. 4 FGG nicht in Gang gesetzt worden ist. Hierfür wäre gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1, § 22 Abs. 1 Satz 2, § 29 Abs. 4 FGG die Zustellung der Beschwerdeentscheidung an die Beteiligte zu 2 erforderlich gewesen. Dies ist nicht geschehen.

b) Entgegen § 69e Satz 1, § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG ist im vorliegenden Fall eine Zulassung der Beschwerde - in Abweichung vom eben dargestellten Grundsatz - nicht erforderlich. Vielmehr ist hier ausnahmsweise maßgebend, daß bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung gegen diese das Rechtsmittel ohne dessen Zulassung gegeben war. Durch die Gesetzesänderung wurde die Anfechtbarkeit der landgerichtlichen Entscheidung auch in der Weise erschwert, daß nun die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde eine besondere Zulassungsentscheidung des Landgerichts voraussetzt. Diese Voraussetzung kann hier nicht verlangt werden. Bei Erlaß dar angefochtenen Entscheidung gab es für eine Zulassung noch keine Rechtsgrundlage. Nach Inkrafttreten des BtÄndG kann die Zulassung nicht nachgeholt werden Cvgl. BGH FamRZ 1978, 405/406; BayObLGZ 1989, 153/154).

2. Die Rechtsbeschwerde ist aber unbegründet.

a) Das Landgericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Vergütung auch nach dem Tode der Betroffenen lägen vor. Der Anspruch richte sich gegen die Erbin, da die Betroffene nicht mittellos gewesen sei, sondern ein Vermögen von mindestens DM 500.000 gehabt habe. Die Angemessenheit der der Betreuerin aus dem Nachlaß zu bewilligenden Vergütung werde durch die Umstände des Falles, insbesondere durch die Größe des Nachlasses, die Erforderlichkeit besonderer Fachkenntnisse, die Bedeutung und die Schwierigkeit der der Betreuerin obliegenden Geschäfte, das sich hieraus ergebende Maß an Verantwortung und vor allem durch die von der Betreuerin erbrachte Leistung bestimmt. Bei einer Berufsbetreuerin bemesse sich die Vergütung nach dem Zeitaufwand und einem angemessenen Stundensatz. Die Betreuung sei sowohl im tatsächlichen als auch im rechtlichen Bereich schwierig gewesen. Die Betreuerin habe nicht nur eine Auseinandersetzung hinsichtlich der Mieteinnahmen vorzunehmen, sondern auch ein Sachverständigengutachten zu bewerten und zahlreiche Gespräche mit dem Steuerberater der Betroffenen zu führen gehabt. Daher sei der beantragte Stundensatz angemessen. Den Zeitaufwand habe die Betreuerin mit einem ausführlichen Tätigkeitsbericht dargelegt. Die Überprüfung durch die Kammer habe die Plausibilität des von der ehemaligen Betreuerin angegebenen Zeitaufwands bestätigt. Der Einwand der Beteiligten zu 2, die Tätigkeit der Betreuerin sei zum Teil nicht notwendig, nicht sinnvoll oder überflüssig gewesen bzw. rechtlich nicht vertretbar, sei im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Über solche Einwendungen habe das Prozeßgericht zu entscheiden. Die Aufrechnung mit Schadensersatzforderungen sei im Vergütungsfestsetzungsverfahren ebenfalls nicht möglich.

b) Die Festsetzung der Vergütung durch das Landgericht ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

(1) Ist - wie hier - die Betreuerin Berufsbetreuerin und die Betroffene nicht mittellos, hat die Betreuerin Anspruch auf die Bewilligung einer angemessenen Vergütung (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1836 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB in der bis zum Inkrafttreten des BtÄndG geltenden Fassung), die sich nach dem Zeitaufwand und einem angemessenen Stundensatz bemißt. Über die Angemessenheit der Vergütung entscheidet das Vormundschaftsgericht und das im Beschwerdeverfahren an dessen Stelle tretende Landgericht nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. BayObLGZ 1996, 47/49; BayObLG FamRZ 1998, 515). Dabei sind die Größe des Vermögens des Betroffenen, der zeitliche Aufwand für die Tätigkeit des Betreuers, die Bedeutung und die Schwierigkeit der obliegenden Geschäfte und der sich hieraus ergebende Grad der Verantwortung zu berücksichtigen (vgl. BayObLG aaO).

(2) Den Stundensatz hat das Landgericht in Anbetracht der beruflichen Qualifikation der Betreuerin, des nicht unerheblichen Vermögens der Betroffenen und des Grades der Verantwortung der Betreuerin verfahrensfehlerfrei und damit für das Rechtsbeschwerdegericht bindend festgestellt. Insoweit sind Einwendungen nicht erhoben.

(3) Die Entscheidung bedarf auch insoweit keiner Abänderung, als sie den gesamten geltend gemachten Zeitaufwand als vergütungsfähig angesehen hat.

Wie sich aus der von der Kammer in Bezug genommenen Aufstellung ergibt, liegen die abgerechneten Tätigkeiten ihrer Art nach nicht außerhalb des Aufgabenkreises der Betreuerin (vgl. BayObLGZ 1994, 4/6). Dies zieht die Beteiligte zu 2 auch nicht in Zweifel.

Den von der Betreuerin konkret aufgewendeten Zeitaufwand konnte das Landgericht entsprechend § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung feststellen. Dabei durfte es sich angesichts der äußerst detaillierten Mitteilung der einzelnen Positionen und der Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben durch die Beteiligte zu 1 als Rechtsanwältin mit einer Plausibilitätsprüfung in der Weise begnügen, daß es ein nach der praktischen Erfahrung des Beschwerdegerichts angemessenes Verhältnis zwischen den Geschäften und der benötigten Zeit feststellte (vgl. OLG Schleswig FamRZ 1998, 185).

Nicht zutreffend ist in seiner Allgemeinheit die vom Landgericht geäußerte Rechtsauffassung, daß der Einwand der Beteiligten zu 2, die Tätigkeit der Betreuerin sei nicht notwendig, nicht sinnvoll oder überflüssig gewesen, im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen sei. Hier ist vielmehr zu differenzieren. Zu vergüten ist nur die Zeit, die die Betreuerin zur pflichtgemäßen Wahrung ihrer Aufgaben benötigt. Im vormundschaftsgerichtlichen Vergütungsverfahren kann daher grundsätzlich wicht auf die Prüfung verzichtet werden, ob einzelne Tätigkeiten nötig waren. Dabei ist jedoch darauf abzustellen, daß es angesichts der Eigenverantwortlichkeit der Betreuer, über deren Entscheidungen das Vormundschaftsgericht keine Zweckmäßigkeitskontrolle auszuüben hat, auf deren Sicht ankommt, also darauf, ob diese die jeweilige Tätigkeit zur pflichtgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben für erforderlich halten durften (BayObLGZ 1996, 47/50; 1997, 213/216 f.). Auf der fehlerhaften Rechtsmeinung beruht die Entscheidung jedoch nicht. Die Beteiligte zu 2 hat in den Tatsacheninstanzen zum Zeitaufwand vorgebracht, die Beteiligte zu 1 habe unberechtigt Ansprüche des Sohnes der Betroffenen anerkannt, den Verkauf des Erbanteils der Betroffenen an deren Sohn in unnötiger Weise vorangetrieben oder fehlerhaft ein Mahnverfahren gegen sie, die Beteiligte zu 2, eingeleitet. Daneben ist der Beteiligten zu 1 sogar die pflichtwidrige Unterlassung einer Vermietung vorgeworfen worden, also gerade eine zu geringe Tätigkeit. Sachlich hat die Beteiligte zu 2 damit allein den Einwand erhoben, die Betreuerin habe ihre Tätigkeit mangelhaft ausgeführt. Dieser Umstand kann jedoch im Vergütungsbewilligungsverfahren regelmäßig nicht berücksichtigt werden und zu einer Minderung der Vergütung führen (vgl. BayObLG NJW 1988, 1919; BayobLGZ 1988, 275/279; 1994 ,4/6; 1997, 213/216; Palandt/Diederichsen BGB 58. Aufl. § 836 Rn. 24). Ein denkbarer Ausnahmefall, bei dem eine mangelhafte Tätigkeit des Betreuers zu einem Verlust des Vergütungsanspruchs führen könnte, liegt nicht vor. Weder erbrachte die Betreuerin eine nutzlose Tätigkeit allein zu dem Zweck, einen überhöhten Vergütungsanspruch zu begründen (vgl. BayObLG NJW 1988, 1919) noch handelte sie außerhalb ihrer Befugnisse (vgl. BayObLGZ 1994, 4/7).

Soweit die Beteiligte zu 2 nunmehr neue Tatsachen vorträgt (etwa zur Beauftragung eines Schlüsseldienstes), ist dies im Rechtsbeschwerdeverfahren unbeachtlich.

(4) Über die Aufrechnung mit behaupteten Schadensersatzansprüchen oder die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes hat allein das Prozeßgericht zu entscheiden.

3. Die Verpflichtung zur Kostentragung folgt aus § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Ende der Entscheidung

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