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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.07.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 130/04
Rechtsgebiete: GmbHG, ZPO


Vorschriften:

GmbHG § 66 Abs. 5
ZPO § 86
Für die Bestellung eines Nachtragsliquidators zur Ermöglichung der gerichtlichen Geltendmachung einer Forderung einer gelöschten Gesellschaft ist kein Raum, wenn dem Prozessbevollmächtigten vor Löschung der Gesellschaft wirksam Prozessvollmacht erteilt worden ist. Diese wird durch die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister, auch wenn diese vor Eintritt der Rechtshängigkeit der Klage erfolgt ist, nicht berührt.
Gründe:

I.

Die Gesellschaft, eine GmbH, wurde am 3.9.2001 im Handelsregister gelöscht. Vor dem Landgericht macht sie gegen die frühere Gesellschafterin, die Beteiligte zu 2, in einem Rechtsstreit eine Forderung von 229.314,40 EUR geltend. Prozessbevollmächtigter der Gesellschaft ist der Beteiligte zu 1. Am 9.4.2003 erließ das Prozessgericht einen Beschluss, wonach die Nachtragsliquidation für die Gesellschaft für erforderlich gehalten wurde. Am 1.4.2003 stellte der Beteiligte zu 1 in eigenem Namen als letzter Mehrheitsgesellschafter der Gesellschaft beim Amtsgericht den Antrag auf Anordnung der Nachtragsliquidation und auf Bestellung seiner Person als Nachtragsliquidator. Die Beteiligte zu 2 erhob gegen die Bestellung des Beteiligten zu 1 Bedenken. Das Registergericht wies den Antrag mit Beschluss vom 16.6.2003 zurück. Hiergegen wandte sich der Beteiligte zu 1 mit seinem Rechtsmittel der Beschwerde, welches das Landgericht mit Beschluss vom 2.9.2003 als unzulässig verwarf. Im nachfolgenden Verfahren der weiteren Beschwerde hob der Senat den verwerfenden Beschluss des Landgerichts auf und verwies das Verfahren an das Beschwerdegericht zurück. Nach ergänzenden Ermittlungen hat das Landgericht die Beschwerde des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine weitere Beschwerde. Der Beteiligte zu 1 vertritt die Auffassung, dass für die Bestellung eines Nachtragsliquidators ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe, weil das Prozessgericht die Nachtragsliquidation für erforderlich hält.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die weitere Beschwerde wurde fristgerecht erhoben. Es kann dahinstehen, ob das Rechtsmittel als weitere oder sofortige weitere Beschwerde anzusehen ist, da jedenfalls die Frist des § 29 Abs. 2 und 4, § 22 Abs. 1 Satz 1 FGG gewahrt ist.

2. Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Bestellung eines Nachtragsliquidators zur Fortführung des Rechtsstreits vor dem Landgericht bedürfe es nicht, da der Beteiligte zu 1 noch wirksam zur Prozessführung bevollmächtigt sei. Die frühere Liquidatorin habe eidesstattlich versichert, dass die Prozessvollmacht vom 21.5.2001 für den anhängigen Rechtsstreit erteilt worden sei. Zu dem Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht sei sie noch bestellte Liquidatorin gewesen. Der Beteiligte zu 1 habe anwaltlich ebenfalls versichert, dass die Vollmacht vor Niederlegung des Amtes der Liquidatorin erteilt worden sei. Deshalb sei die Gesellschaft noch wirksam nach § 86 ZPO vertreten und bedürfe keines gerichtlich bestellten Nachtragsliquidators. Auf den Umstand, dass unter gleichem Datum offenbar zwei inhaltlich verschiedene Vollmachten erteilt worden seien, komme es nicht mehr an.

3. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Die Nachtragsliquidation ist erforderlich, wenn sich nach Löschung der Gesellschaft im Handelsregister herausstellt, dass noch unverteiltes Vermögen der Gesellschaft vorhanden ist oder sich in entsprechender Anwendung von § 273 Abs. 4 AktG die Notwendigkeit weiterer Abwicklungsmaßnahmen ergibt (vgl. BGHZ 105, 259/260 f.; BayObLGZ 1993, 332/333; Baumbach/Schulze-Osterloh GmbHG 17. Aufl. § 66 Rn. 37). Allgemein gesehen ist die Bestellung eines Nachtragsliquidators immer dann geboten, wenn ein Bedürfnis dafür besteht. Demnach ist von vorhandenem Gesellschaftsvermögen regelmäßig auch dann auszugehen, wenn zur Feststellung und Realisierung des Vermögens ein Aktivprozess zu führen ist. Der gerichtlich geltend zu machende Anspruch ist ein Vermögensgegenstand, über dessen Vorhandensein erst in dem anhängigen Verfahren entschieden wird (BayObLGZ 1993, 332/334; Baumbach/Schulze-Osterloh § 74 Rn. 18).

b) Unmittelbar zur Verteilung anstehendes Vermögen ist hier nach Aktenlage nicht vorhanden; auch weitere Abwicklungsmaßnahmen, die eine handelnde Person für die schon gelöschte Gesellschaft erfordern würden, sind nicht erkennbar. Die Bestellung eines Nachtragsliquidators wäre des Weiteren dann erforderlich, wenn es für die Feststellung und Realisierung von weiterem Vermögen im Rahmen eines Prozesses eines Organs für die gelöschte Gesellschaft bedürfte. Der Nachtragsliquidator wäre dann als Organ in der Lage, dem Prozessvertreter wirksam Vollmacht zu erteilen. Von dieser Fallgestaltung geht offensichtlich das Landgericht in seinem Beschluss vom 9.4.2003 aus, da es die Bestellung eines Nachtragsliquidators zur Erteilung einer Prozessvollmacht für erforderlich hält. In dem hier zu entscheidenden Fall hat jedoch ein vertretungsberechtigtes Organ, nämlich die frühere Geschäftsführerin und bis zur Löschung der Gesellschaft im Handelsregister bestellte Liquidatorin, dem Beteiligten zu 1 wirksam Vollmacht für den konkreten Rechtsstreit vor dem Landgericht erteilt. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht aufgrund seiner Ermittlungen zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Liquidatorin während der Dauer ihrer Organstellung dem Beteiligten zu 1 wirksam Prozessvollmacht erteilt hat. Die sich bei den Prozessakten befindliche Vollmacht vom 21.5.2001 weicht zwar von der zu den Registerakten eingereichten Vollmacht gleichen Datums ab. Ein Widerspruch hieraus ergibt sich aber nicht zwangsläufig. Die allgemein gehaltene Prozessvollmacht, die sich bei den Registerakten befindet, ist von dem Beteiligten zu 1 vorgelegt worden, nachdem das Registergericht den Nachweis einer Prozessvollmacht für das gegenständliche Verfahren verlangt hat. Die für das konkrete Prozessrechtsverhältnis zwischen der Beteiligten zu 2 und der gelöschten Gesellschaft erteilte Vollmacht ist hingegen inhaltlich konkretisiert und bezeichnet auch die Prozessparteien im Einzelnen. Zu dieser Vollmacht liegt eine eidesstattliche Versicherung der früheren Geschäftsführerin und Liquidatorin J. vom 5.3.2004 vor, dass sie die Prozessvollmacht zur gerichtlichen Durchsetzung der Forderungen der gelöschten Gesellschaft gegen die Beteiligte zu 2 erteilt habe, bevor sie aus dem Amt als Geschäftsführerin der Gesellschaft ausgeschieden sei. Nach dieser Erklärung und unter Berücksichtigung der anwaltlichen Versicherung des Beteiligten zu 1 durfte das Beschwerdegericht davon ausgehen, dass diese Prozessvollmacht von einer für die Gesellschaft vertretungsberechtigten Person erteilt worden ist.

c) Die Löschung der Gesellschaft hat auf die Wirksamkeit der Vollmacht keinen Einfluss (§ 86 ZPO; vgl. BGHZ 121, 263). Die von der Liquidatorin erteilte Prozessvollmacht für den Beteiligten zu 1 wird durch den Verlust der Prozessfähigkeit der Gesellschaft nicht berührt und führt dazu, dass sie wegen der in § 86 ZPO angeordneten Fortwirkung der Bevollmächtigung nach wie vor als prozessfähig anzusehen ist (vgl. BAG GmbHR 2003, 1009/1011; Hüffer AktG 6. Aufl. § 273 Rn. 19). Für die Frage der Prozessfähigkeit der Gesellschaft spielt es dabei keine Rolle, dass die Löschung wie hier bereits vor Erhebung der Klage erfolgt ist. Die Fortwirkung der Prozessvollmacht nach § 86 ZPO ist unabhängig davon, ob die Veränderung in der Prozessfähigkeit vor oder nach Eintritt der Rechtshängigkeit stattfindet (so ausdrücklich BGHZ 121, 263). Da somit aus zivilprozessualer Sicht die Prozessführung der Gesellschaft gewährleistet ist, besteht nach den vorstehenden Grundsätzen über die Bestellung eines Nachtragsliquidators kein Raum für eine gerichtliche Bestellung eines solchen Organs zum jetzigen Zeitpunkt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

5. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO. Der Senat hält den vom Beschwerdegericht festgesetzten Geschäftswert unter Berücksichtigung aller Umstände für angemessen.

Ende der Entscheidung

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