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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.12.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 134/04
Rechtsgebiete: MitbestG, FGG


Vorschriften:

MitbestG § 7 Abs. 2
FGG § 145
1. Bei der Bestellung von Gewerkschaftsvertretern für den Aufsichtsrat mitbestimmter Unternehmen steht dem Gericht bei Vorschlägen konkurrierender Gewerkschaften ein freies Auswahlermessen zu (vgl. BayObLGZ 1997, 262). Sprechen keine anderen wesentlichen Gesichtspunkte für oder gegen einen Kandidaten, können auch geschlechtsspezifische Kriterien zur Wahrung der Gleichberechtigung (hier: Berücksichtigung einer Frau neben einem bereits ausgewählten männlichen Aufsichtsratsmitglied) herangezogen werden.

2. Zur Frage, unter welchen Umständen der Tatrichter prüfen muss, ob die vorschlagende Gewerkschaft tatsächlich alle erforderlichen Merkmale des Gewerkschaftsbegriffs erfüllt (hier: allgemein geäußerte Zweifel daran, dass die Gewerkschaft in dem betreffenden Unternehmen "eine gewisse Tarifmächtigkeit" habe, obwohl sie ein Betriebsratsmitglied stellt).


Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vizepräsidenten Sprau sowie der Richter Dr. Knittel und Dr. Kainz am 14. Dezember 2004 in der Handelssache

auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 14. Mai 2004 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Für die Gesellschaft (eine GmbH) ist gem. § 7 Abs. 1 der Satzung ein Aufsichtsrat mit 14 Mitgliedern zu bilden. Die Gesellschaft unterliegt mit über 2000 Arbeitnehmern dem Mitbestimmungsgesetz. Der Aufsichtsrat muss daher zur Hälfte aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen, deren Zusammensetzung sich nach § 7 Abs. 2 Mitbestimmungsgesetz richtet. Eine Wahl zum Aufsichtsrat hat bisher nicht stattgefunden.

Von den derzeit etwa 2100 bei der Gesellschaft beschäftigten Arbeitnehmern sind mehr als die Hälfte Mitglieder der Beteiligten zu 1 (Gewerkschaft A). Die Beteiligte zu 2 (Gewerkschaft B) behauptet, unter den Arbeitnehmern der Gesellschaft 250 Mitglieder zu haben. Sie stellt ein Mitglied im Betriebsrat des von der Gesellschaft mit zwei anderen Gesellschaften unterhaltenen "Gesamtbetriebs Versorgung"; es wurde mit 54 Stimmen auf den neunten Platz gewählt wurde.

Am 16.2.2004 beantragte der Beteiligte zu 1 die gerichtliche Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder auf der Arbeitnehmerseite. Hierbei benannte sie vier ihrer Mitglieder als Arbeitnehmervertreter sowie als Gewerkschaftsvertreter die Herren H und D.

Die Gesellschaft selbst beantragte mit Schreiben vom 20.2.2004 gleichfalls die gerichtliche Bestellung der Arbeitnehmervertreter, wobei sie sich den sechs Vorschlägen des Beteiligten zu 1 anschloss. Als siebten Arbeitnehmer schlug die Gesellschaft den nicht gewerkschaftlich organisierten Herrn E vor.

Mit Schreiben vom 16.3.2004 stellte auch die Beteiligte zu 2 den Antrag auf Bestellung der Arbeitnehmer für den Aufsichtsrat. Hierbei schloss sie sich gleichfalls dem Wahlvorschlag des Beteiligten zu 1 an, allerdings mit Ausnahme des Herrn H an dessen Stelle ihr Mitglied Frau F als Gewerkschaftsvertreterin für den Aufsichtsrat benannt wurde. Frau F ist Mitglied des Betriebsrats des von mehreren Unternehmen, u.a. der hier betroffenen Gesellschaft, gemeinschaftlich geführten Betriebes Versorgung.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 23.3.2004 sieben Arbeitnehmervertreter als Aufsichtsratsmitglieder bestellt. Als Gewerkschaftsvertreter wurden Herr D von dem Beteiligten zu 1 und Frau F von der Beteiligten zu 2 bestimmt.

Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte zu 1 sofortige Beschwerde ein mit dem Ziel, an Stelle von Frau F den von ihm vorgeschlagenen Herrn H zu bestellen.

Mit Beschluss vom 14.5.2004 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und den Beschwerdewert auf 50.000 EUR festgesetzt.

Mit der sofortigen weiteren Beschwerde strebt der Beteiligte zu 1 weiterhin die Bestellung des Herrn H an Stelle der Frau F zum zweiten Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat an.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Es ist jedoch nicht begründet.

1. In seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt:

Die zulässige Beschwerde sei unbegründet, weil in dem hier notwendigen gerichtlichen Bestellungsverfahren nach § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 1 Mitbestimmungsgesetz sowie § 7 Abs. 2 der Gesellschaftssatzung die Tatsachengerichte bei der Bestellung der vorgeschriebenen zwei Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat grundsätzlich zwischen konkurrierenden Personalvorschlägen von Gewerkschaften frei wählen könnten. Die Bestellung von Frau F an Stelle von Herrn H entspreche pflichtgemäßem Ermessen.

Nach § 104 Abs. 4 Satz 4 AktG solle das Gericht Vorschläge von Gewerkschaften berücksichtigen, die ein Vorschlagsrecht zur Wahl des Aufsichtsratsmitgliedes haben, sofern nicht überwiegende Belange der Gesellschaft oder der Allgemeinheit der Bestellung des Vorgeschlagenen entgegenstünden. Im vorliegenden Fall hätten beide im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften ein Vorschlagsrecht für die Vertreter, die als Gewerkschaftsvertreter gem. § 7 Abs. 2 Mitbestimmungsgesetz gewählt werden sollen. Beide Beteiligte seien Gewerkschaften im Sinne des § 16 Abs. 2 Mitbestimmungsgesetz. Dies sei auch hinsichtlich der Beteiligten zu 2 zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Beteiligte zu 2 stelle einen von neun Betriebsräten, der mit 54 Stimmen von ca. 2000 Wahlberechtigten gewählt worden sei. Sie sei deshalb in ausreichendem Maße im Sinne der genannten Vorschrift im Unternehmen vertreten.

Das Amtsgericht habe im Rahmen der gestellten Anträge nach seinem Ermessen frei auswählen können. Bezüglich keiner der vorgeschlagenen Personen seien Gründe besserer Eignung oder aber der Nichteignung vor allem hinsichtlich der Belange der Gesellschaft oder der Allgemeinheit bekannt geworden. Das Gericht müsse auch nicht von vornherein dem Vorschlag derjenigen Gewerkschaft folgen, welche den größeren Mitgliederstand im Unternehmen habe.

Bei mehreren abweichenden Vorschlägen sei nicht zwingend die Person zu bestellen, die im Fall einer Wahl des Aufsichtsrats voraussichtlich gewählt worden wäre. Jedenfalls sei nicht ausgeschlossen, dass bei der Wahl des siebten Aufsichtsratsmitgliedes auch die Vertreterin einer bisher nicht zum Zuge gekommenen Gewerkschaft gewählt würde.

Die Tatsachengerichte hätten bei der Bestellung auch nicht zu werten, welche der konkurrierenden Gewerkschaften eine bessere Tarif- bzw. Arbeitnehmerpolitik betreiben. Dies sei eine gesellschafts- bzw. wirtschaftspolitische Frage, nicht aber ein Ermessenskriterium für die Auswahl unter verschiedenen vorgeschlagenen Personen.

Da kein sonstiger Auswahlgesichtspunkt eindeutig für oder gegen einen der vorgeschlagenen Kandidaten gesprochen habe, habe das Amtsgericht in nicht zu beanstandender Weise die Bestellung einer Frau als Ermessenskriterium gewählt. Dem schließe sich die Kammer ausdrücklich an, weil diese nicht nur die Einhaltung der Ermessensgrenzen durch die Vorinstanz zu prüfen haben, sondern als Beschwerdegericht auch ein eigenes Ermessen ausüben könne.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Die in der Rechtsform der GmbH organisierte Gesellschaft ist im Hinblick auf ihre Beschäftigtenzahl, die in der Regel über 2000 Arbeitnehmern liegt, ein mitbestimmungspflichtiges Unternehmen gem. § 1 Nr. 1 und 2 des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG). Sie hat deshalb nach § 6 Abs. 1 dieses Gesetzes einen Aufsichtsrat zu bilden, dessen Zusammensetzung sich nach nach § 7 MitbestG richtet. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG setzt sich der Aufsichtsrat eines mitbestimmungspflichtigen Unternehmens mit, wie hier, in der Regel nicht mehr als 10 000 Arbeitnehmern aus 12 Mitgliedern zusammen, von denen je sechs den Anteilseignern bzw. den Arbeitnehmern zuzurechnen sind. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 MitbestG kann in diesem Fall die Satzung bestimmen, dass entsprechend Nr. 2 oder 3 des Satzes 1 der paritätisch zu besetzende Aufsichtsrat auch 16 oder 20 Mitglieder umfassen kann. Unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer müssen sich, im Fall von 12 und 16 Mitgliedern, zwei Vertreter von Gewerkschaften befinden (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 1 MitbestG)

Nach § 7 der Satzung besteht hier der Aufsichtsrat der Gesellschaft aus je 7 Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer. Eine Zahl von 14 Mitgliedern, wie sie demnach die Satzung ohne Bezugnahme auf die genannte Vorschrift vorschreibt, sieht das Gesetz nicht vor. Gleichwohl kommt es auf die Frage, ob insoweit eine unzulässige abweichende Satzungsbestimmung und damit eine Überschreitung der gesetzlichen Höchstzahl von Aufsichtsratmitgliedern vorliegt, für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht an. Denn unabhängig davon, ob der Aufsichtsrat aus den für die hier gegebene Arbeitnehmerzahl als Regelfall vorgesehenen 12, aus den in der Satzung vorgesehenen 14 oder - wie als nächst höhere Mitgliederzahl gesetzlich erlaubt - aus 16 Personen besteht, müssen ihm zwei Vertreter der Gewerkschaften angehören. Das Gericht hat zwei solche Vertreter bestellt, angefochten ist nur die Bestellung eines dieser beiden Gewerkschaftsvertreter. Nur sie ist Verfahrensgegenstand der weiteren Beschwerde. Die Bestellung dieses Vertreters kann für sich genommen nicht zu einer unzulässigen Überschreitung der in § 7 Abs. 1 MitbestG vorgeschriebenen Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder (vgl. dazu Raiser MitbestG 3. Aufl. § 7 Rn.6) führen. Der Senat braucht daher nicht darüber zu entscheiden, ob die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft insgesamt dem Gesetz entspricht oder ob gegebenenfalls ein Nichtigkeitsgrund hinsichtlich der Bestellung einzelner Aufsichtsratsmitglieder in Anwendung von § 250 Abs. 1 Nr. 3 AktG vorliegt.

Für die Bestellung der Mitglieder gelten § 101 Abs. 1 und 3 sowie §§ 102 bis 106 AktG mit der in § 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG genannten Maßgabe. Das bedeutet insbesondere, dass das Gericht einen Aufsichtsrat, in dem die Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht nach dem MitbestG haben, auf Antrag auf die durch Gesetz oder Satzung festgesetzte Zahl der Mitglieder zu ergänzen hat, wenn dem Aufsichtsrat weniger Mitglieder als diese Zahl angehören (§ 104 Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 3 Nr. 2 AktG).

Das Gericht entscheidet bei der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern grundsätzlich nach freiem Ermessen ohne Bindung an Anträge (vgl. BayObLGZ 1997, 262 = DB 1997, 2599; Hüffer AktG 6. Aufl. § 104 Rn. 5). Es hat allerdings die in § 104 Abs. 4 AktG enthaltenen Beschränkungen zu beachten. Das Ermessen ist ferner eingeschränkt, soweit nach § 7 Abs. 2 MitbestG Vertreter von Gewerkschaften zu bestimmen sind. Hierbei ist der Kreis der Vorschlagsberechtigten i.S. von § 104 Abs. 4 Satz 4 AktG nach § 16 Abs. 2 MitbestG begrenzt (BayOLG aaO). Nach Satz 1 dieser Bestimmung wird die Wahl vorgenommen auf Grund von Wahlvorschlägen der Gewerkschaften, die in dem Unternehmen selbst oder in einem anderen Unternehmen vertreten sind, dessen Arbeitnehmer nach diesem Gesetz an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern des Unternehmens teilnehmen. In einem solchen Falle hat das Gericht dem Antrag der Gewerkschaft in personeller Hinsicht grundsätzlich zu folgen. Eine Ablehnung ist nur möglich, sofern überwiegende Belange der Gesellschaft oder der Allgemeinheit der Bestellung der Vorgeschlagenen entgegenstehen. Liegen allerdings verschiedene Anträge konkurrierender Gewerkschaften vor, kann das Gericht im Rahmen dieser Anträge frei auswählen (BayObLG aaO).

b) Das Amtsgericht und ihm folgend das Landgericht hätten somit den Vorschlag der Beteiligten zu 2 dann nicht berücksichtigen dürfen, wenn es sich nicht um eine Gewerkschaft handeln würde. Bei Bejahung der Eigenschaft als Gewerkschaft hätte ihrem Vorschlag nicht gefolgt werden dürfen, wenn diese nicht in dem Unternehmen oder einem anderen mitbestimmungspflichtigen Unternehmen vertreten wäre.

aa) Gewerkschaften sind Vereinigungen von Arbeitnehmern, die

- auf freiwilligem Zusammenschluss beruhen,

- in ihrem Bestand vom Wechsel ihrer Mitglieder unabhängig sind,

- von Staat, Kirchen und Parteien unabhängig sind,

- in ihrer Willensbildung von Arbeitgebern unabhängig sind,

- überbetrieblich organisiert sind,

- eine Verbesserung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder anstreben,

- das geltende Tarifrecht als für sich verbindlich anerkennen und

- in der Lage sind, durch Ausüben von Druck auf den Tarifpartner zu einem Tarifabschluss zu kommen

(vgl. BayObLG aaO sowie BAGE 95, 47 = MDR 2001, 281 unter Hinweis auf die Definition in Nr. A III 2 des Staatsvertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18.5.1990 und dem Gemeinsamen Protokoll über Leitsätze, in Verbindung mit dem Zustimmungsgesetz des Deutschen Bundestages vom 25.6.1990 -BGBl. II S. 518 -; der Gesetzgeber hatte im Wesentlichen die Begriffsbestimmung der zuvor ergangenen Rechtsprechung bestätigt, z.B. BAGE 21, 98/101 f.; diese war wiederum vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden ,vgl. BVerfGE 38, 281/306 f.; 88, 5/15).

bb) Amtsgericht und Landgericht haben die Beteiligte zu 2 als Gewerkschaft angesehen. Sie haben aber keine ausdrücklichen tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, ob die Beteiligte zu 2 alle Voraussetzungen des Gewerkschaftsbegriffs im vorgenannten Sinne erfüllt, sondern sind von deren Vorliegen ausgegangen. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zwar ist die Frage, ob eine Organisation, die Vorschläge zu einer beantragten Aufsichtsratsbestellung nach § 7 Abs. 2 i.V. § 16 MitbestG, § 104 AktG einreicht, eine Gewerkschaft im Sinne der gesetzlichen Vorschriften ist, von Amts wegen zu prüfen (§ 12 FGG). Inwieweit dabei auf Einzelheiten eingegangen, insbesondere dem Vorliegen der für die einzelnen Tatbestandsmerkmale maßgeblichen Tatsachen näher nachgegangen werden muss, richtet sich aber nach den Umständen. Die Ermittlungen sind nur so weit auszudehnen, wie es die Sachlage erfordert. Eine Ermittlungs- und Aufklärungspflicht besteht nur so weit, wie das Vorbringen der Beteiligten und der schon feststehende Sachverhalt dazu Anlass geben (Keidel/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rn. 118). Dabei enthebt der Amtsermittlungsgrundsatz die Beteiligten, insbesondere in einem Antragsverfahren wie hier, nicht der Verpflichtung, durch eingehende Tatsachendarstellung an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (Keidel/Schmidt aaO Rn. 121). Das gilt vor allem dann, wenn sie geschäftsgewandt und mit dem maßgelblichen Sachverhalt eingehend vertraut sind. In einem solchen Fall darf das Gericht davon ausgehen, dass sie zur Wahrung ihrer Interessen in der Lage sind und ihnen günstige Umstände von sich aus ansprechen. Dann braucht es auch, schon aus verfahrensökonomischen Gründen, nähere Feststellungen zu den einem gängigen Begriff zugrunde liegenden Tatsachen nur zu treffen, wenn objektiv entgegenstehende Anhaltspunkte oder das Vorbringen eines Beteiligten in den Tatsacheninstanzen Anlass hierzu geben. Das ist hier nicht der Fall.

In einer Stellungnahme der Gesellschaft gegenüber dem Amtsgericht vom 23.3.2004 wird die Beteiligte zu 2 wiederholt ausdrücklich als "Gewerkschaft" bezeichnet. Auch der Beteiligte zu 1 hat in schriftlichen Äußerungen sowohl gegenüber dem Amtsgericht als auch gegenüber dem Landgericht die Beteiligten zu 2 wiederholt als "Gewerkschaft" (Schreiben vom 5.3.2004) bzw. "konkurrierende Gewerkschaft" (Schreiben vom 7.4.2004) bezeichnet. Unter diesen Umständen durfte das Landgericht davon ausgehen, dass die Gewerkschaftseigenschaft der Beteiligten zu 2 nicht grundsätzlich in Frage stand.

In ihrer Stellungnahme gegenüber dem Amtsgericht vom 5.3.2004 hat der Beteiligte zu 1 allerdings ausgeführt: "Uns ist nur bekannt, dass die [Bet. zu 2] im Betrieb immer wieder in Erscheinung tritt. Ob es sich hierbei um eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft i.S. des Betriebsverfassungsgesetzes bzw. Mitbestimmungsgesetzes handelt, ist uns nicht bekannt, da dies ja zudem voraussetzt, dass diese Gewerkschaft im Betrieb eine gewisse "Tarifmächtigkeit" hat. Unbestritten bleibt, dass Vertreter dieser Gewerkschaft immer wieder im Betrieb auftreten, weitere Gewerkschaften sind uns nicht bekannt."

Allein diese Bemerkung musste die Tatsacheninstanzen aber nicht dazu veranlassen, Feststellungen dazu zu treffen, ob die Beteiligte zu 2 allgemein die Voraussetzungen des Gewerkschaftsbegriffs erfüllt. Sie konnte vielmehr dahingehend verstanden werden, dass der Beteiligte zu 1 die Ansicht vertrat, als Vorbedingung einer Vorschlagsberechtigung müsse die Beteiligte zu 2 als Gewerkschaft auch in dem jeweiligen Betrieb durchsetzungsfähig repräsentiert sein.

Das ist aber gerade nicht der Fall, wie § 16 Abs. 2 Satz 1 MitbestG erkennen lässt. Zum einen genügt es nach dieser Vorschrift, wenn die einen Vorschlag einreichende Gewerkschaft in einem anderen mitbestimmungspflichtigen Unternehmen vertreten ist. Zum anderen ist in einem Unternehmen vertreten jede Gewerkschaft, zu deren Mitgliedern wenigstens ein Arbeitnehmer des Unternehmens gehört (vgl. BAGE 70, 85 = NJW 1993, 612; Raiser MitbestG 3. Aufl. § 7 Rn. 19 m.w.N). Es kann hierbei dahinstehen, ob die Behauptung der Beteiligten zu 2 zutrifft, sie sei mit 250 Mitgliedern in der Belegschaft der Gesellschaft vertreten. Jedenfalls steht fest, dass Frau F als Mitglied der Beteiligten zu 2 in den Betriebsrat des "Gemeinschaftsbetriebs Versorgung" gewählt wurde, der u. a. auch von der Gesellschaft geführt wird (vgl. die Stellungnahme der Gesellschaft vom 23.3.2004).

Damit erfüllte aber die Beteiligte zu 2 diejenige Voraussetzung, welche bei objektivem Verständnis der Ausführungen im Schreiben vom 5.3.2004 der Beteiligte zu 1 in Zweifel ziehen wollte. Dass diese Bemerkungen weitergehend auch zum Ausdruck bringen sollten, bei der Beteiligten zu 2 handele es sich schon grundsätzlich nicht um eine Gewerkschaft, lässt sich weder ihrem Zusammenhang entnehmen noch wäre eine solche Deutung mit dem übrigen Sprachgebrauch des Beteiligten zu 1 vereinbar, welcher die Beteiligte zu 2 wiederholt als "Gewerkschaft" bzw. "konkurrierende Gewerkschaft" angesprochen hat.

Es kann nach alldem keine Rede davon sein, dass der Beteiligte zu 1 - wie er nunmehr in seinem Vorbringen zur sofortigen weiteren Beschwerde behauptet - bereits zuvor die Gewerkschaftseigenschaft der Beteiligten zu 2 in einer Weise bestritten habe, die dem Amtsgericht oder später dem Landgericht Anlass gegeben hätte, dieser Frage nachzugehen. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von der in BayOLGZ 1997, 262 entschiedenen Fallgestaltung. Dort hatte ausweislich der Entscheidungsgründe einer der Verfahrensbeteiligten bereits gegenüber dem Landgericht ausdrücklich in Abrede gestellt, dass ein weiterer Beteiligter die Merkmale des Gewerkschaftsbegriffes erfüllen. Es besteht deshalb kein Anlass, die Entscheidung des Landgerichts schon aus verfahrensrechtlichen Gründen insoweit aufzuheben und die Sache zu erneuter Behandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

c) Da das Landgericht in einer vom Rechtsbeschwerdegericht nicht zu beanstandenden Weise zu Grunde gelegt hat, dass es die Auswahl zwischen Vorschlägen konkurrierender Gewerkschaften zu treffen habe, konnte es unter den Vorgeschlagenen nach seinem Ermessen auswählen (BayObLGZ 1997, 262/265). Hierbei hat es die Grenzen des ihm eingeräumten Auswahlermessens nicht überschritten und sich insbesondere nicht von sachwidrigen Überlegungen leiten lassen (vgl. zu den Grenzen der Überprüfung einer Auswahlentscheidung des Tatrichters BayObLG Report 2004, 251 und FamRZ 1996, 507). Da es nicht Aufgabe des Gerichts ist, im Rahmen seiner Entscheidung die Qualität der gewerkschaftlichen Politik der hinter dem Vorschlag stehenden Organisation zu bewerten und zudem auch nicht sonstige Gründe eindeutig für oder gegen einen der beiden Personalvorschläge sprachen, konnten die Tatsachengerichte dem Vorschlag der Beteiligten zu 2 folgen mit der Begründung, hierdurch komme eine Frau zum Zuge. Eine solche Auswahlentscheidung ist nicht sachwidrig.

Insbesondere kann dem nicht entgegengehalten werden, bei konkurrierenden Vorschlägen mehrerer Gewerkschaften sei ermessensgerecht nur die Entscheidung für diejenige Person, die voraussichtlich gewählt worden wäre (so aber LG Wuppertal BB 1978, 1380). In jener Entscheidung ist ausdrücklich die Einschränkung gemacht worden, dies müsse nicht der Vertreter der Gewerkschaft sein, "die in dem Unternehmen die größere Mitgliederzahl besitzt". Bereits das zeigt die Unsicherheiten auf, mit denen eine derartige Prognose behaftet ist. Der Senat hält deshalb an seiner Auffassung fest, dass das Tatsachengericht bei der ihm obliegenden Auswahl im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens alle vertretbaren und nicht eindeutig sachwidrigen Gesichtspunkten heranziehen und werten darf.

d) Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 2, § 31 Abs. 1, § 30 Abs. 2 KostO, § 99 Abs. 6 Satz 6 AktG.



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