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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.09.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 136/02
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

EGBGB Art. 17 Abs. 1
EGBGB Art. 14 Abs. 1
BGB § 1564
ZPO § 606a
Zur Frage der Anerkennung einer vor einem Scharia-Gericht in Jordanien ausgesprochenen Ehescheidung.
Gründe:

I.

Der Antragsteller, ein durch Einbürgerung im Jahr 1992 deutscher Staatsangehöriger, hat mit der Antragsgegnerin, einer jordanischen Staatsangehörigen, am 9.8.1993 vor einem Gericht in Irbid/Nord, Jordanien, die Ehe geschlossen. In der jordanischen Heiratsurkunde ist für den Antragsteller die jordanische Staatsangehörigkeit vermerkt. Aus der Ehe sind zwei minderjährige Kinder hervorgegangen. Die Parteien, die ihren gemeinsamen ehelichen Wohnsitz in München hatten, leben nach den Angaben des Antragstellers seit Anfang Januar 2000 getrennt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Antragsgegnerin nach Jordanien ausgereist.

Die Ehe der Parteien wurde vor dem Scharia-Gericht Irbid/Süd, Jordanien, am 15.1.2001 in der Form geschieden, dass die Antragsgegnerin gegenüber dem durch einen Bevollmächtigten vertretenen Antragsteller erklärte, sie verzichte auf Brautgabe, Unterhalt während der Wartezeit, den Kindesunterhalt und alle übrigen Ansprüche aus der Ehe unter der Voraussetzung, dass der Antragsteller die Scheidung ausspreche, und der Bevollmächtigte des Antragstellers daraufhin erklärte, die Antragsgegnerin sei nunmehr aus dem Eheband des Antragstellers endgültig entlassen. Der anwesende Richter erklärte anschließend gegenüber dem Bevollmächtigten des Antragstellers, dass nach dieser Erklärung der beiden Parteien in Anwesenheit von Zeugen und "in religionsrechtlich zulässigem Zustand" die Antragsgegnerin nunmehr unwiderruflich geschieden sei, und beurkundete den Vorgang.

Der Antragsteller beantragte am 23.7.2001 die Anerkennung der Ehescheidung. Die Präsidentin des Oberlandesgerichts hat am 3.5.2002 den Antrag zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit dem Ziel, die Anerkennung der Ehescheidung vor dem religiösen Scharia-Gericht in Irbid/Süd Jordanien vom 15.1.2001 zu erreichen. Er ist der Ansicht, das jordanische Gericht sei international zuständig gewesen. Nach der lex fori sei die Anknüpfung an das jordanische Recht gegeben, vor allem, nachdem nach jordanischem Recht für die Ehescheidung jordanische Vorschriften - und damit das islamische Recht - allein anzuwenden seien, da bei der Heirat beide Ehegatten jordanische Staatsangehörige gewesen seien. Der Antragsteller habe die Wahl des jordanischen Rechts akzeptiert. Die angefochtene Entscheidung verkenne im übrigen das Wesen des khul. Khul bedeute das Recht der Ehefrau, sich gegen Verzicht auf ihre Rechte aus der Ehe freizukaufen. Wenn der Ehemann dieses Angebot der Ehefrau annehme, spreche das Scharia-Gericht aus, dass die Ehefrau unwiderruflich geschieden sei.

II.

Der Antrag auf Entscheidung durch das zuständige Bayerische Oberste Landesgericht (Art. 7 § 1 Abs. 6 Satz 2 und 4 FamRÄndG, § 199 Abs. 1 FGG, Art, 11 Abs. 3 Nr. 3 AGGVG) ist statthaft.(Art. 7 § 1 Abs. 4 FamRÄndG) und auch im übrigen zulässig. Er ist jedoch unbegründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung der Ehescheidung liegen nicht vor.

1. Zu Recht hat die Präsidentin des Oberlandesgerichts München über den Anerkennungsantrag in Anwendung des Art. 7 FamRÄndG entschieden. Das Anerkennungsverfahren nach Art. 7 FamRÄndG findet nicht nur bei Ehescheidung durch gerichtliches Urteil, sondern auch bei Ehescheidungen im Wege sogenannter Privatscheidungen Anwendung, wenn diese unter Mitwirkung einer Behörde zustande gekommen sind. Eine bloße deklaratorische Registrierung oder gerichtliche Beurkundung genügt (vgl. BayObLGZ 1998, 103/105; BGHZ 110, 267/270; jeweils m. w. N.; Zöller/Geimer ZPO 23. Aufl. § 328 Rn. 239). Diese Voraussetzung ist hier gegeben.

2. Über die Anerkennung ist nicht auf der Grundlage des § 328 ZPO zu entscheiden, sondern auf der Grundlage des deutschen Internationalen Privatrechts, da der Akt, dessen Anerkennung begehrt wird, keine gerichtliche Entscheidung darstellt, sondern eine Privatscheidung.

a) Die Anwendung des § 328 ZPO setzt voraus, dass ein Urteil eines ausländischen Gerichts vorliegt. Besteht der Akt, durch den die Scheidung herbeigeführt wurde, hingegen in einem Rechtsgeschäft, z.B. einem Vertrag oder der Willensäußerung eines der beiden Ehepartner, liegt eine Privatscheidung vor. Hat ein Gericht an dem anzuerkennenden Akt mitgewirkt, führt dies nicht zwangsläufig zu einer anerkennungsfähigen Entscheidung im Sinn von § 328 ZPO. Entscheidend ist vielmehr die Funktion, in der das Gericht tätig geworden ist. Von einem "Urteil" kann nur gesprochen werden, soweit der gerichtliche Akt auf die Herbeiführung der Statusänderung gerichtet ist und diese selbst herbeiführt. Wird hingegen die Statusänderung durch das Rechtsgeschäft eines Ehepartners oder beider Ehepartner konstitutiv herbeigeführt, liegt eine Privatscheidung vor, auch wenn die entsprechenden Erklärungen vor einem Gericht abgegeben werden (Staudinger/Spellenberg BGB 13. Bearb. § 328 ZPO Rn. 233; vgl. auch BayObLGZ 1998, 103/105). Hat das Gericht lediglich eine Erklärung der Beteiligten beurkundet, liegt eine Privatscheidung vor, auch wenn die Beurkundung Wirksamkeitserfordernis ist (vgl. Zöller/Geimer § 328 Rn. 74; siehe auch Lüderitz in FS Baumgärtel, 1990, S. 333/340 und 345).

b) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der vor dem Scharia-Gericht in Irbid/Jordanien vollzogenen Ehescheidung um eine Privatscheidung.

Die Ehescheidung ist gemäß Art. 102 ff. jordanisches Personenstandsgesetz (vgl. Bergmann/Ferid Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Jordanien, 99. Lieferung 1989) vorgenommen worden. Es handelt sich hierbei um eine Ehescheidung auf Antrag der Ehefrau gegen Entgelt, die sogenannte "Al-Mukhalaa". Bei dieser Form der Scheidung kann sich die Ehefrau gleichsam von der Ehe freikaufen, wenn beide Ehegatten sich über die Scheidung einig sind und die Ehefrau eine Art Abstandszahlung oder eine sonstige vermögenswerte Leistung erbringt (vgl. Art. 104 jordanisches Personenstandsgesetz). Wie das durch den Antragsteller vorgelegte Protokoll zeigt, hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller das Angebot einer vermögenswerten Leistung unter der Voraussetzung unterbreitet, dass dieser die Ehescheidung ausspricht. Ihr Angebot hat der Antragsteller durch die Worte seines Bevollmächtigten "Du bist nunmehr geschieden und frei" angenommen. Diese Vorgehensweise beinhaltet eine einverständliche Privatscheidung (vgl. Staudinger/von Bar/Mankowski BGB 13. Aufl. Art. 17 EGBGB Rn. 62). Die eigentliche Scheidungswirkung wird durch das Einverständnis der Ehepartner über die Scheidung herbeigeführt (vgl. Rauscher, Sharia - Islamisches Familienrecht der sunna und shia, 1987, S.112 für den der Al-Mukhalaa vergleichbaren "khul"). Art. 101 des jordanischen Personenstandsgesetzes sieht als gerichtliche Handlung nur die Registrierung vor. Dementsprechend hat hier der Richter erst im Anschluss an die Erklärungen der Eheleute die Feststellung getroffen, dass durch die abgegebenen Erklärungen die Antragsgegnerin geschieden sei. Diese Äußerung ist schon nach ihrem Inhalt rein deklaratorisch und zeigt, dass die Scheidung selbst durch die Erklärung der beiden Parteien und gerade nicht durch das Gericht erfolgt ist, welches eine rein beurkundende Funktion innehatte. Allein dies ist entscheidend. Darauf, ob es sich bei dem Scharia-Gericht in Irbid um ein staatliches Gericht handelt oder nicht, kommt es nicht an.

Für die Einordnung der Al-Mukhalaa als Privatscheidung spricht auch, dass bei Unwirksamkeit der Erklärung der Ehefrau die Erklärung des Ehemannes als "talaq" gewertet werden kann. (Rauscher aaO). Die Ehescheidung in Form des talaq hat der Senat bereits wiederholt als Privatscheidung angesehen (BayObLG FamRZ 1985, 75/76; BayObLGZ 1998, 103/105; vgl. auch OLG Braunschweig FamRZ, 2001; 561; OLG Frankfurt/Main NJW 1990, 646). Auch dort hat das Gericht nur eine beurkundende Funktion wahrzunehmen.

c) Da keine gerichtliche Entscheidung und damit kein konstitutiver Hoheitsakt vorliegt, sondern ein rechtsgeschäftlicher privater Gestaltungsakt, können nicht die Regelungen des § 328 ZPO, sondern nur die Normen des deutschen internationalen Privatrechts zur Prüfung herangezogen werden. Anerkennung bedeutet in diesem Zusammenhang nichts anderes als die Entscheidung über die inländische Wirksamkeit der Scheidung nach den einschlägigen Normen des deutschen Kollisionsrechts (MünchKomm-BGB/Winkler von Mohrenfels 3. Aufl. Art. 17 EGBGB Rn. 286). Die Frage der Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts stellt sich nicht, da ein privates Rechtsgeschäft, keine gerichtliche Entscheidung anerkannt werden soll. Die Wirksamkeit der Scheidung ist daher nach den materiellen Voraussetzungen des Rechts zu beurteilen, das nach den Regeln des internationalen Privatrechts auf ein solches Rechtsgeschäft anzuwenden ist (vgl. BGHZ 110, 267/272; BayObLGZ 1998, 103/106; OLG Frankfurt NJW 1990, 646; Palandt/Heldrich BGB 61. Aufl. Art. 17 EGBGB Rn. 35).

3. Nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts ist als Scheidungsstatut für die in Jordanien vollzogene Privatscheidung deutsches Recht berufen. Daher ist ihr die Anerkennung zu versagen.

a) Auf die Scheidung, deren Anerkennung beantragt worden ist, kommt nach den Anknüpfungsregeln des Art. 17 und Art. 14 EGBGB (vgl. Zöller/Geimer aaO; BGHZ 110, 267; BayObLG FamRZ 1994, 1263) deutsches Recht zur Anwendung. Maßgebend ist das Recht, das im Zeitpunkt der Scheidungsvereinbarung für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend war (Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB; BayObLGZ 1998, 103/106). Da die Ehegatten im Zeitpunkt der Ehescheidung (vgl. Palandt/Heldrich Art. 14 Rn. 6) unterschiedliche Staatsangehörigkeiten besaßen, richteten sich zu diesem Zeitpunkt die allgemeinen Ehewirkungen nach dem Recht desjenigen Staates, in dem beide Ehegatten zuletzt während der Ehe ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, wenn einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (vgl. Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB), hier also nach deutschem Recht. Darauf, dass der Antragsteller möglicherweise zum Zeitpunkt der Eheschließung - wenn die Angaben in der jordanischen Heiratsurkunde zutreffen - zusätzlich neben der deutschen Staatsangehörigkeit auch die jordanische Staatsangehörigkeit besaß, kommt es wegen der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Ehescheidung nicht an.

b) Eine anderslautende Rechtswahl nach Art. 14 Abs. 3 und Abs. 4 EGBGB haben die Parteien nach dem Vorbringen des Antragstellers nicht vorgenommen. Weder bei der Eheschließung noch während der Ehe noch vor Beginn des Scheidungsverfahrens vor dem jordanischen Gericht haben die Parteien eine Vereinbarung getroffen, dass sie ihrer Ehe und damit auch dem Ehescheidungsverfahren jordanisches Recht zugrunde legen wollen. Auch aus der durch den Antragsteller vorgelegten Eheschließungsurkunde ergeben sich keine Hinweise auf eine Rechtswahl.

Eine solche Rechtswahl ist auch nicht konkludent durch die Anrufung des jordanischen Gerichts zustande gekommen. Die Rechtswahl setzt entweder notarielle Beurkundung (Art. 14 Abs. 4 Satz 1 EGBGB) oder aber die Form voraus, die für einen Ehevertrag am Ort der Rechtswahl einzuhalten ist (Art. 14 Abs. 4 Satz 2 EGBGB). Auch das jordanische Recht kennt keinen formlosen Abschluss eines Ehevertrags. Vielmehr sind Bestimmungen, die bei der Eheschließung vereinbart werden, in die Heiratsurkunde aufzunehmen (vgl. Art. 19 Abs. 1 jordanisches Personenstandsgesetz). Die Tatsache, dass ein jordanisches Gericht mit der Scheidung befasst wird, genügt diesen Anforderungen nicht.

c) Nach dem deutschen materiellen Scheidungsrecht kann eine Privatscheidung, gleichgültig, ob diese im Inland oder im Ausland erfolgt ist, nicht anerkannt werden. Das deutsche Recht kennt nur eine gerichtliche Ehescheidung (§ 1564 BGB); es räumt den Ehegatten auch bei Einvernehmen nicht die Möglichkeit ein, ihre Ehe im Wege der Vereinbarung aufzulösen. Eine Privatscheidung ist dem deutschen Recht fremd. Insoweit hat die Vorschrift des § 1564 BGB auch materiellen Gehalt. Deshalb kann eine im Ausland vorgenommene Privatscheidung bei deutschem Scheidungsstatut nicht als wirksam anerkannt werden (vgl. BGHZ 110, 267/276; BayObLG 1994, 1263/1264; OLG Braunschweig FamRZ 2001, 561).

d) Die Vorschrift des § 606a Abs. 1 Satz 4 ZPO steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Zwar ermöglicht sie Ehegatten, welche verschiedenen Staaten angehören, sich an das Gericht eines ihrer Heimatstaaten zu wenden. Es war dem Antragsteller damit nicht verwehrt, sich in Jordanien scheiden zu lassen. Diese Frage ist aber von der Frage zu trennen, auf welche Art und Weise eine solche Scheidung zu vollziehen ist. Der Antragsteller ist nach seinem eigenen Vortrag nur noch deutscher Staatsangehöriger. Das deutsche Scheidungsrecht lässt, wie bereits ausgeführt, keine unmittelbar wirkende Vereinbarung der Ehegatten über die Scheidung ihrer Ehe zu. Dass sich hieran bei der Scheidung eines Deutschen im Ausland etwas ändern soll, diesem also nach deutschem materiellen Scheidungsrecht im Ausland mehr gestattet sein soll als im Inland, lässt sich den inländischen Scheidungsvorschriften, insbesondere § 1564 BGB, nicht entnehmen. Vielmehr kommt diese Bestimmung im Falle der Anwendung materiellen deutschen Rechts auch bei Scheidungen im Ausland zum Zuge mit der Folge, dass auch im Ausland vollzogene Scheidungen durch ein gerichtliches Urteil erfolgen müssen. Fehlt es an diesem Erfordernis, scheidet eine Anerkennung aus (vgl. BGHZ 110, 267/277; BGH FamRZ 1994, 434; BayObLGZ 1981, 353; Zöller/Geimer § 328 Rn. 237). Aus denselben Erwägungen heraus ist es ebenfalls unerheblich, dass, da die Antragsgegnerin zur Zeit der Heirat unzweifelhaft jordanische Staatsangehörige war, vor jordanischen Gerichten gemäß Art. 15 jordanisches Personenstandsgesetz allein jordanisches materielles Recht anzuwenden ist. Ob etwas anderes gelten kann, wenn beide Ehegatten eine übereinstimmende ausländische Staatsangehörigkeit besitzen (vgl. zu diesem Problem Gottwald, Anm. zu OLG Braunschweig FamRZ 2001, 646/647) braucht hier nicht entschieden zu werden.

Ende der Entscheidung

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