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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 04.07.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 143/01
Rechtsgebiete: BGB, BVormVG


Vorschriften:

BGB § 1836
BVormVG § 31 Abs. 1
Der Regelstundensatz des für einen nicht mittellosen Betroffenen bestellten Betreuers kann erhöht werden, wenn er gegen Entscheidungen einer Behörde wie Finanzamt oder Rentenversicherungsträger etwa vorgehen musste.
3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Nitsche

am 4. Juli 2001

in der Betreuungssache

auf die sofortige weitere Beschwerde des Betreuers

beschlossen:

Tenor:

I. Der Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 21. Februar 2001 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Traunstein zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht bestellte für die vermögende Betroffene einen Diplom-Sozialpädagogen (FH) zum Betreuer. Der Aufgabenkreis umfasst seit der Verlängerung der Betreuung am 18.8.2000 Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Entscheidung über die Unterbringung, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Entscheidung über Fernmeldeverkehr, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung des Heim-, Pflegevertrags. Hinsichtlich der Vermögenssorge besteht ein Einwilligungsvorbehalt.

Auf den Antrag des Betreuers, ihm für die vom 1.7. bis 30.9.2000 geleistete Tätigkeit auf der Basis eines Stundensatzes von 107,18 DM eine Vergütung in Höhe von 2116,80 DM zu bewilligen, setzte das Amtsgericht die Vergütung mit Beschluss vom 4.1.2001 auf lediglich 1374,60 DM einschließlich Mehrwertsteuer fest, da dem Betreuer nur ein Stundensatz von 60,-- DM zustehe.

Die auf die Höhe des Stundensatzes beschränkte sofortige Beschwerde des Betreuers ist gemäß Beschluss des Landgerichts vom 21.2.2001 ohne Erfolg geblieben.

Hiergegen wendet sich der Betreuer mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere vom Landgericht zugelassen (§ 69e Satz 1, § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG). Sie hat in der Sache Erfolg.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass sich der dem als Berufsbetreuer bestellten Beschwerdeführer zustehende Stundensatz gemäß der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 31.8.2000 auch bei vermögenden Betreuten grundsätzlich nach § 1 des Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern richte. Eine Erhöhung des dem Betreuer danach bereits zuerkannten Höchstsatzes von 60 DM sei auch dann nicht veranlasst, wenn der Betreuer neben seinem Fachhochschulstudium ein weiteres Hochschulstudium abgeschlossen habe. Besondere Schwierigkeiten der Betreuung, die eine Erhöhung des Stundensatzes rechtfertigen könnten, lägen hier nicht vor. Die vielfältigen und intensiven Gespräche zur Motivation der Betreuten seien nicht ungewöhnlich. Soweit die Betreute sprunghaft in ihren Absichten und Wünschen sei und immer wieder Gesprächsbedarf bestehe, werde ein eventuell umfangreicher Gesprächsaufwand über den zu vergütenden Zeitaufwand abgegolten. Das gleiche gelte für die Betreuergeschäfte im Rahmen des Aufgabenkreises Aufenthaltsbestimmung einschließlich Unterbringungsmaßnahmen. Soweit die Betroffene nur durch die vom Betreuer aufgrund der Ausbildung und Fortbildung erworbene Qualifikation professioneller Gesprächsführung motiviert werden konnte, in der Wohngemeinschaft zu bleiben und die tagesstrukturierenden Maßnahmen wahrzunehmen, werde dies schon bei dem Höchststundensatz berücksichtigt. Dass es zu wiederholten stationären Aufenthalten gekommen sei, bedeute einen erhöhten Zeitaufwand für den Betreuer, den er abrechnen könne. Besondere Schwierigkeiten bei der Verwaltung des Vermögens, das etwas über 70000 DM ausmache, seien nicht ersichtlich. Gleiches gelte für die Regelung der Kostenübernahme und der Heimunterbringung sowie der Renten- und Steuerangelegenheiten. Letztere seien übliche Geschäfte bei einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).

a) Der Berufsbetreuer hat gegen die Betreute Anspruch auf Vergütung seiner Amtsführung (§ 1908 Abs. 1 Satz 1, § 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BGB).

Ist die Betreute wie hier nicht mittellos, bemisst sich die Vergütung zwar nicht zwingend nach den Stundensätzen des § 1 Abs. 1 BVormVG (vgl. BGH NJW 2000, 3709). Der vom Gesetzgeber in dieser Bestimmung getroffenen Regelung kommt insoweit jedoch Richtlinienfunktion zu. Die für den Fall der Inanspruchnahme der Staatskasse verbindlich festgelegten Stundensätze stellen im Regelfall auch für die von Betreuern vermögender Betreuter erbrachten Leistungen ein angemessenes Entgelt dar. Überschritten werden dürfen diese Stundensätze deshalb nur, wenn die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte dies im Einzelfall ausnahmsweise gebietet (vgl. BGH aaO). Die Zuerkennung eines höheren Stundensatzes setzt demnach voraus, dass die Anforderungen der konkreten Betreuung, etwa wegen des vom Betreuer geforderten außergewöhnlichen, durch den Zeitaufwand nicht abgegoltenen Engagements oder wegen anderer - gemessen an der Qualifikation des Betreuers - besonderer Schwierigkeiten im Abrechnungszeitraum über den Regelfall einer Betreuung mit entsprechendem Aufgabenkreis deutlich hinausgegangen sind und die Vergütung des Betreuers mit dem seiner Qualifikation nach § 1 Abs. 1 BVormVG entsprechenden Stundensatz zu der von ihm erbrachten gesteigerten Leistung in einem klaren Missverhältnis stünde (vgl. BayObLGZ 2000, 316).

b) Die Bemessung des Stundensatzes obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 55 f.; OLG Hamm FamRZ 1999, 1230/1231 f.). Das Gericht der weiteren Beschwerde kann dessen Entscheidung nur auf Rechtsfehler überprüfen (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO). Ein solcher Fall liegt vor, wenn das Tatgericht sich des ihm zustehenden Ermessens nicht bewußt war, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, der Bewertung relevanter Umstände unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt, gegen Denkgesetze verstoßen oder Erfahrungssätze nicht beachtet, von seinem Ermessen einen dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Gebrauch gemacht oder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat (vgl. BGH NJW-RR 1993, 795/796; BayObLGZ 1998, 65/69 m.w.N.).

c) Zutreffend hat die Kammer die Mehrfachqualifikation des Betreuers, der nach seinen Angaben neben dem Fachhochschulstudium ein weiteres Studium abgeschlossen hat, ebenso wenig zum Anlass einer Erhöhung des Stundensatzes genommen wie die vom Betreuer in früheren Tätigkeiten erworbenen Berufserfahrungen. Diese Gesichtspunkte rechtfertigen für sich allein nicht, den Stundensatz von 60 DM zu überschreiten, da auch der als Richtlinie dienende § 1 Abs. 1 BVormVG ohne Möglichkeit der Erhöhung an eine abgeschlossene Ausbildung anknüpft. Es ist nicht ersichtlich, dass wegen besonderer Schwierigkeiten der Betreuung die Betreuerauswahl gerade im Hinblick auf die Zusatzqualifikationen erfolgt ist.

Das Beschwerdegericht durfte dem Betreuer auch nicht im Hinblick auf den von diesem behaupteten Aufwand an Personalkosten einen höheren Stundensatz zubilligen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (NJW 2000, 3709/3712) ist für eine Bemessung des Stundensatzes nach einer von dem Betreuer vorgelegten Kalkulation seiner Sach- und Personalkosten nach dem neuen Recht kein Raum mehr. Dieses lege fest, mit welchem Stundensatz ein Berufsbetreuer in der Regel auszukommen habe. Nach dieser Vorgabe müsse der Aufwand an Sach- und Personalkosten eingerichtet werden. ob die Sach- und Personalkosten neben der Vergütung als Aufwendung geltend gemacht werden können (vgl. den Vorlagebeschluss des Senats vom 7.2.2001, BayObLGZ 2001, 22), ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

d) Nach den Feststellungen des Landgerichts beträgt das Vermögen der Betroffenen nur etwas über 70000 DM. Für diese Feststellung gibt es in den Akten keinen Anhaltspunkt.

Nach dem Bericht des Betreuers vom 2.7.2000 belief sich allein das Barvermögen bereits zu diesem Zeitpunkt auf 77720,06 DM; nach der Beschwerdeschrift vom 22.1.2001 ist es allein im Jahr 2000 um 71726,96 DM angewachsen. Daneben ist nach den vorliegenden Vermögensaufstellungen die Betroffene Eigentümerin eines vermieteten Anwesens in Bielefeld. Aus der Beschwerdeentscheidung geht nicht hervor, aus welchen Erwägungen das Gericht zu seiner aktenwidrigen Feststellung gelangt ist; dies wäre aber erforderlich (vgl. Jansen FGG 2. Aufl. § 27 Rn. 43).

Daneben hat der Beschwerdeführer bereits in der sofortigen Beschwerde vorgetragen, er habe für die Betroffene drei verschiedene Renten durchgesetzt und zwei Einkommensteuererklärungen (einschließlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) erstellt, wobei er insbesondere jeweils auch Rechtsbehelfe erfolgreich ergriffen habe. Entgegen der Auffassung des Landgerichts könnte es sich - falls dies eintrifft - dabei nicht um übliche Geschäfte solcher Betreuungsfälle handeln, sondern um besondere Schwierigkeiten, die eine Erhöhung des Regelstundensatzes rechtfertigen. Denn insbesondere wenn der Betreuer gegen die Entscheidung einer Behörde vorgehen muss, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um einen nicht einfach gelagerten Sachverhalt handelt. Erforderlich ist allerdings, dass die insoweit entfaltete Betreuertätigkeit einen konkreten Bezug zum Abrechnungszeitraum aufweist.

e) Die Entscheidung des Landgerichts muss deshalb aufgehoben werden. Da der Senat die erforderlichen Feststellungen nicht selbst aus den Akten treffen kann, wird die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Dieses wird auch zu prüfen haben, ob die vorgebrachten besonderen Schwierigkeiten im Umgang mit Finanzbehörden und Rententrägern tatsächlich auch im Abrechnungszeitraum vorgelegen haben. Da diese Umstände wesentlich die Sphäre des Betreuers betreffen, trifft diesem insoweit eine Darlegungslast, d.h. es obliegt ihm, die notwendigen Angaben zu machen und zu belegen (vgl. OLG Dresden FamRZ 2000, 552/553). Hierzu muss dem Betreuer Gelegenheit gegeben werden. Angesichts der nicht einfachen tatsächlichen und rechtlichen Fragen dürfte sich auch die Bestellung eines Verfahrenspflegers empfehlen.

Ende der Entscheidung

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