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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.10.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 187/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1908b
Zu den Voraussetzungen eines Betreuerwechsels kurz vor Überprüfung der Verlängerung der Betreuung, wenn der Betroffene statt eines Rechtsanwalts als Berufsbetreuer einen Rechtsanwalt vorschlägt, der keine weiteren Betreuungen führt.
Gründe:

I.

Für den Betroffenen wurde am 24.2.2000 zunächst sein Bruder, am 17.4.2000 an dessen Stelle ein Rechtsanwalt als berufsmäßiger Betreuer bestellt. Dessen Aufgabenkreise sind derzeit die Aufenthaltsbestimmung, die Gesundheitsfürsorge, die Vermögenssorge, die Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten der Post im Aufgabenkreis, die Vertretung vor Gericht sowie Wohnungsangelegenheiten. Mit Schreiben vom 15.2.2004 beantragte der Betroffene einen Betreuerwechsel. Er benannte einen Rechtsanwalt als möglichen neuen Betreuer und erhob gegen den derzeitigen Betreuer Vorwürfe, insbesondere im Bereich Vermögenssorge gegen seine, des Betroffenen Interessen zu handeln. Der Betreuer, dem Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde, wies die Vorwürfe zurück. Das Amtsgericht, das am 10.2.2003 die Betreuung um 2 Jahre verlängert hatte, lehnte darauf mit Beschluss vom 4.3.2004 einen Betreuerwechsel ab. Hiergegen legte der Betroffene Beschwerde ein. Das Amtsgericht befragte darauf den vorgeschlagenen Rechtsanwalt; dieser erklärte seine Bereitschaft zur Übernahme der Betreuung. Das Amtsgericht half der Beschwerde unter ausführlicher Begründung nicht ab. Das Landgericht wies den vorgeschlagenen Rechtsanwalt darauf hin, dass er die Betreuung unentgeltlich führen müsse. Dieser antwortete, er sei davon ausgegangen, dass er einigermaßen adäquat bezahlt werde. Sollte dem nicht so sein, wolle er aus diesem Grund jetzt nicht wieder einen Rückzieher machen. Nachdem er Akteneinsicht genommen hatte, meinte er in einem weiteren Schreiben, der Arbeitsaufwand werde erheblich und im Rahmen einer unentgeltlichen Tätigkeit zumutbarerweise nicht darstellbar sein. Der Betroffene werde es ihm nicht übel nehmen, dass er seine Zusage nachträglich an die Möglichkeit halbwegs adäquater Vergütung knüpfe.

Das Landgericht hat die Beschwerde des Betroffenen am 28.5.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die durch den vorgeschlagenen Rechtsanwalt eingelegte weitere Beschwerde des Betroffenen vom 10.8.2004.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. Sie führt in der Sache zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, der vorgeschlagene Rechtsanwalt könne aus Rechtsgründen nicht zum Betreuer bestellt werden. Die Feststellung, er führe die Betreuung berufsmäßig, scheitere an den hierfür bestehenden Regelvoraussetzungen. Der vorgeschlagene Rechtsanwalt führe keine anderen Betreuungen und werde das in absehbarer Zeit auch nicht tun. Zu unentgeltlicher Führung der Betreuung sei der Vorgeschlagene nicht bereit.

2. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Ein Wechsel des Betreuers kann aus verschiedenen Gründen veranlasst sein. Das Vormundschaftsgericht hat einen Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt (§ 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB). Es soll einen Berufsbetreuer entlassen, wenn die Betreuung außerhalb einer Berufsausübung erfolgen kann (§ 1908b Abs. 1 Satz 2 BGB). Das Gericht kann den Betreuer ferner entlassen, wenn der Betreute eine gleich geeignete Person, die zur Übernahme bereit ist, als neuen Betreuer vorschlägt (§ 1908b Abs. 3 BGB). Dem Wunsch des Betroffenen nach einem Betreuerwechsel kommt stets besonderes Gewicht zu (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 1259/1261). Das Gericht muss allerdings prüfen, ob der Betreuerwechsel, auch wenn er möglich ist, dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft (vgl. Palandt/Diede- richsen § 1908b Rn. 8; BayObLG FamRZ 2003, 784 bis 786 und Senatbeschluss vom 22.10.2003 - 3Z BR 200/03 = FamRZ 2004, 736 [LS]).

b) Das Landgericht hat nicht alle hiernach maßgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt. Es blieb ungeprüft, ob dem vorgeschlagenen Rechtsanwalt eine Vergütung nach § 1836 Abs. 3 BGB bewilligt werden kann (vgl. BayObLG Rpfleger 2004, 485 bis 488). Eine solche Bewilligung liegt angesichts des zeitlichen Aufwands, der wegen des erheblichen Vermögens des Betroffenen und seiner persönlichen Lebensführung nach Aktenlage mit der Führung der Betreuung verbunden ist, nicht fern. Sollte sie in Betracht kommen, müsste der als Betreuer vorgeschlagene Rechtsanwalt nicht ohne Vergütung tätig werden. Die insoweit vor einer abschließenden Entscheidung noch notwendigen Ermittlungen, insbesondere auch betreffend die Bereitschaft des vorgeschlagenen Rechtsanwalts zur Führung der Betreuung unter den dargestellten Voraussetzungen, kann der Senat nicht vornehmen. Die Entscheidung des Landgerichts kann daher keinen Bestand haben.

3. Der Senat hält es für sachgerecht, auch die Entscheidung des Amtsgerichts aufzuheben und die Sache an dieses zurückzuverweisen. Bei Ausübung des Ermessens im Rahmen von § 1908b Abs. 3 BGB können auch andere sachliche Gesichtspunkte und Zweckmäßigkeitserwägungen eine Rolle spielen. Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, ob ein Betreuerwechsel kurz vor der anstehenden Entscheidung über die Verlängerung der Betreuung zweckmäßig ist oder dem Wohl des Betroffenen widerspricht (vgl. Senatsentscheidung vom 14.4.2003 3 Z BR 63/03 = BayObLG FamRZ 2003, 1411 - LS). Führt nämlich die Überprüfung der Betreuerbestellung (vgl. § 69 Abs. 1 Nr. 5 FGG) dazu, dass eine Betreuung nicht mehr erforderlich ist, ist ein Betreuerwechsel auf Wunsch des Betroffenen kurze Zeit vor dieser Entscheidung nicht nur unzweckmäßig, sondern dient auch nicht dessen Wohl. Ein neuer Betreuer kann, insbesondere wenn wie hier laufend Maßnahmen zur Verwaltung eines erheblichen Vermögens erforderlich sind, in einem kurzen Zeitraum eine sinnvolle Vertretung für den Betroffenen nicht bewerkstelligen, der bisherige eingearbeitete Betreuer kann nicht mehr für den Betroffenen handeln, so dass der Betroffene ohne sachgerechte Fürsorge wäre. Führt die Überprüfung dazu, dass weiterhin eine Betreuung für den Betroffenen erforderlich ist, ist ein Betreuerwechsel kurze Zeit vor dem Termin gleichfalls unzweckmäßig. Denn die Entscheidung über die Auswahl eines Betreuers richtet sich auch bei der Verlängerung der Betreuung nach den Vorschriften über die Erstbestellung (§ 1897 BGB) und nicht nach derjenigen über die Entlassung (§ 1908b BGB; BayObLG NJWE-FER 2001, 234; OLG Hamm NJW-RR 2001, 797; OLG Zweibrücken BtPrax 2002, 87; Palandt/Diederichsen § 1896 Rn. 24), so dass der Wunsch des Betroffenen vorrangig zu berücksichtigen ist (vgl. § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB). Der Senat hält es deshalb für sachgerecht, wenn derzeit im vorliegenden Verfahren keine abschließende Sachentscheidung über die Entlassung des Betreuers getroffen wird, sondern das Amtsgericht im Rahmen der anstehenden Verlängerungsprüfung gegebenenfalls sogleich neu über die Betreuerauswahl entscheidet.



Ende der Entscheidung

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