Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 25.10.2000
Aktenzeichen: 3Z BR 189/00
Rechtsgebiete: BVormVG


Vorschriften:

BVormVG § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
Eine pharma-kaufmännische Angestellte hat keine besonderen für die Führung von Betreuungen nützlichen Kenntnisse.
BayObLG Beschluss

LG Nürnberg-Fürth 13 T 3517/00; AG Nürnberg XVII 1876/99

3Z BR 189/00

25.10.00

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Nitsche und Fuchs am 25. Oktober 2000 in der Betreuungssache auf die sofortige weitere Beschwerde der Betreuerin

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 22. Mai 2000 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Für den mittellosen Betroffenen war eine Berufsbetreuerin mit den Aufgabenkreisen Behördenangelegenheiten, Gesundheitsfürsorge einschließlich Aufenthaltsbestimmung, Heimangelegenheiten und Vermögenssorge bestellt. Dieser bewilligte das Amtsgericht mit Beschluss vom 15.3.2000, ausgehend von einem Stundensatz von 35 DM, eine Betreuervergütung aus der Staatskasse. Die sofortige Beschwerde, mit der die Betreuerin einen Stundensatz von 45 DM erreichen wollte, hat das Landgericht am 22.5.2000 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Betreuerin mit der vom Landgericht zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, die von der Betreuerin vorgehaltenen besonderen Kenntnisse seien nicht für Betreuungsaufgaben nutzbar. Die Ausbildung zur Apothekenhelferin (jetzt pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte) ziele nicht auf den Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten, die bei der rechtlichen Betreuung gewinnbringend eingebracht werden könnten. Sie vermittle kein Wissen über psychische Krankheiten und körperliche Behinderungen. Der Ausbildungsplan befasse sich nicht mit sozialen Verhaltensweisen, mit der pflegerischen Versorgung und mit organisierten Hilfsmöglichkeiten. Vielmehr sei das Berufsbild auf den Apothekenbetrieb sowie auf Warenkunde und Warenverkauf ausgerichtet. Bei der schriftlichen Prüfung sei für das Prüfungsfach Wirtschafts- und Sozialkunde nur ein Viertel der Gesamtarbeitszeit vorgesehen und die praktische Prüfung beinhalte nur Warenbewirtschaftungsfertigkeiten und Tätigkeiten nach der Apothekenbetriebsordnung. Auch allgemein-rechtliche Kenntnisse würden nicht vermittelt; vielmehr gehe es wie bei jedem Beruf - um das Arbeitsleben und das Ausbildungsrecht. Das möglicherweise frühzeitige Erkennen von Nebenwirkungen von Medikamenten rechtfertige eine andere Beurteilung nicht.

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.

a) Hat das Vormundschaftsgericht festgestellt, dass der Betreuer die Betreuung berufsmäßig führt, hat es ihm für seine Tätigkeit eine Vergütung zu bewilligen (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BGB).

Ist der Betreute mittellos, kann der Berufsbetreuer Vergütung aus der Staatskasse verlangen (§ 1836a BGB). Die Grundsätze, nach denen diese zu bemessen ist, sind in § 1Abs.,1 BVormVO niedergelegt. Die dort genannten erhöhten Stundensätze von 45 bzw. 60 DM setzen voraus, dass der Berufsbetreuer über "besondere Kenntnisse" verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind und die durch eine abgeschlossene Lehre bzw. eine abgeschlossene Hochschulausbildung oder durch eine diesen Ausbildungen vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben wurden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG). Hierzu hat der Senat in seinem Beschluss vom 27.10.1999 (BayObLGZ 1999, 339/342) im einzelnen dargelegt:

(1) "Besondere Kenntnisse" sind Kenntnisse, die - bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet - über ein Grundwissen deutlich hinausgehen, wobei das Grundwissen je nach Bildungsstand bzw. Ausbildung mehr oder weniger umfangreich sein kann.

(2) Für die Führung einer Betreuung "nutzbar" sind diese Fachkenntnisse, wenn sie ihrer Art nach betreuungsrelevant sind und den Betreuer befähigen, seine Aufgaben zum Wohle des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen und somit eine erhöhte Leistung zu erbringen. Sind sie für die Führung von Betreuungen allgemein nutzbar, wird grundsätzlich vermutet, dass sie auch für das konkrete Betreuungsverfahren nutzbar sind (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BVormVG; vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 551).

(3) Durch eine Ausbildung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG erworben sind für eine Betreuung nutzbare Fachkenntnisse, wenn die Ausbildung in ihrem Kernbereich auf deren Vermittlung ausgerichtet ist, wie etwa bei den Studiengängen Rechtswissenschaften/Rechtspflege, Sozialarbeit oder Sozialpädagogik. Dem Sinn und Zweck der mit § 1Abs. 1 Satz 2 BVormVG getroffenen Vergütungsregelung entspricht es ersichtlich nicht, einen erhöhten Stundensatz schon deshalb zu gewähren, weil die Ausbildung wegen der Komplexität der betreffenden Fachrichtung daneben auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hatte.

b) Ob ein Berufsbetreuer die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG erfüllt, obliegt der Beurteilung des Tatrichters. Das Rechtsbeschwerdegericht kann dessen Würdigung nur auf Rechtsfehler überprüfen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG; BayObLGZ 1999, 339/342).

c) Der angefochtene Beschluss, mit dem das Landgericht der Betreuerin den begehrten Stundensatz von 45 DM versagt hat, läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Würdigung, dass die Ausbildung zur pharmazeutisch-kaufmännischen Angestellten nicht auf den Erwerb von für die Betreuung allgemein nutzbaren Kenntnissen und Fertigkeiten abzielt, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend weist das Landgericht auf das Wesen der Betreuung als rechtlicher Betreuung hin. Die Ausbildung zur pharmazeutisch-kaufmännischen Angestellten ist hingegen in erster Linie auf den Betrieb einer Apotheke, insbesondere auf die dabei anfallende Waren- und Warenverkaufskunde, ausgerichtet. Die Vermittlung von Rechtskenntnissen geht nicht über die für jeden Beruf typischen berufsrechtlichen Kenntnisse hinaus. Ohne Rechtsfehler durfte das Landgericht auch davon ausgehen, dass die möglicherweise geförderte Fähigkeit, Nebenwirkungen von Medikamenten frühzeitig zu erkennen, keine andere Beurteilung verlangt. Die vermittelten Kenntnisse im kaufmännischen Bereich, insbesondere im Bereich der Abrechnung und Buchführung, stellen zwar besondere Kenntnisse dar. Sie sind jedoch, auch unter Berücksichtigung der der Betreuerin obliegenden Vermögenssorge, nicht "allgemein nutzbar". Denn sie sind allenfalls für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge nutzbar und decken auch die für diesen Aufgabenkreise üblicherweise geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten nur zu einem kleineren Teil ab. Dafür, dass die Kenntnisse für die konkrete Betreuung von besonderer Bedeutung gewesen wären, bestehen keine Anhaltspunkte.

Die Betreuerin kann sich auch nicht auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig (BtPrax 2000, 171/172) vom 8.3.2000 berufen, mit der einer Arzthelferin ein Stundensatz von 45 DM zugebilligt wurde. Die Ausbildung zur Arzthelferin ist von vornherein auf die Betreuung von Patienten vor, während und nach der Behandlung ausgerichtet (vgl. die von der Betreuerin vorgelegte Broschüre des Arbeitsamtes "BERUF AKTUELL" S. 2113) und deshalb mit der Ausbildung zur pharmazeutisch-kaufmännischen Angestellten nur eingeschränkt vergleichbar.

Ende der Entscheidung

Zurück