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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 03.11.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 190/04
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 11
FGG § 21 Abs. 2
FGG § 29 Abs. 4
Die fehlende Unterschrift des Beschwerdeführers hindert die Annahme einer formwirksamen Rechtsmitteleinlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle nicht, wenn in ihr die übrigen notwendigen Bestandteile einer Niederschrift enthalten sind und der Betroffene seine Unterschrift nur deshalb verweigert hat, weil die Rechtspflegerin ein von ihm mitgebrachtes schriftliches Konvolut nicht zum Gegenstand der Niederschrift machen wollte.
3Z BR 190/04 3Z BR 194/04

Gründe:

I.

Das Vormundschaftsgericht bestellte mit Beschluss vom 19.3.2003 die Mutter des Betroffenen zur endgültigen Betreuerin mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Wohnungsangelegenheiten sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post und Entscheidung über Fernmeldeverkehr. Es wurde ein Einwilligungsvorbehalt in den Aufgabenkreisen Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten angeordnet. Das Amtsgericht begründete die Betreuerbestellung mit dem Vorliegen einer paranoiden Psychose des Betroffenen. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hob der Senat den landgerichtlichen Beschluss vom 19.8.2003 auf und verwies die Angelegenheit zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurück, weil die einzelnen Voraussetzungen für eine Betreuung in den bezeichneten Aufgabenkreisen nicht vollständig geklärt waren.

Mit Beschluss vom 27.1.2004 ordnete das Vormundschaftsgericht die vorläufige Unterbringung des Betroffenen wegen vorliegender akuter Psychose an. Das diesbezügliche Beschwerdeverfahren hatte keinen Erfolg. Im Rahmen der Überprüfung der Betreuung hörte der Vormundschaftsrichter am 4.6.2004 sowohl den Betroffenen als auch die Betreuerin an. Auf Ersuchen des Beschwerdegerichts erstellte das Bezirkskrankenhaus K. am 23.6.2004 ein umfassendes psychiatrisches Gutachten über den Betroffenen. Der beauftragte Richter der Beschwerdekammer hörte am 10.8.2004 den Betroffenen und die Betreuerin an.

Mit Beschluss vom 27.8.2004 hat das Landgericht die Betreuungsanordnung des Vormundschaftsgerichts dahingehend abgeändert, dass ein Betreuer nur mehr für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge sowie Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern bestellt wird. Ferner ordnete das Beschwerdegericht einen Einwilligungsvorbehalt für Willenserklärungen an, die die genannten Aufgabenkreise betreffen. Des Weiteren hat das Landgericht mit Wirkung zum 30.9.2004 die Mutter des Betroffenen als Betreuerin entlassen und ab 1.10.2004 einen Berufsbetreuer am jetzigen Wohnort des Betroffenen bestellt. Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene zu Protokoll der Geschäftsstelle des Beschwerdegerichts am 6.9.2004 weitere und sofortige weitere Beschwerde ein. Die ehemalige Betreuerin nahm am 4.10.2004 ihre weitere Beschwerde vom 3.9.2004 zurück, nachdem sie am 1.10.2004 inhaltlich zu der Beschwerde ihres Sohnes Stellung genommen hatte.

II.

Die zulässigen Rechtsmittel haben in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg.

1. Die weitere und die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 6.9.2004 sind zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt worden sind. Die von der Rechtspflegerin der Rechtsantragstelle des Landgerichts aufgenommene Niederschrift genügt den erforderlichen Formvorschriften. Sie enthält die Darlegung, dass der Betroffene eine Erklärung zu Protokoll abgeben wolle und enthält die Erklärung der Einlegung des Rechtsmittels der weiteren und sofortigen weiteren Beschwerde. Des Weiteren bezeichnet die Niederschrift Ort und Tag der Aufnahme sowie die aufnehmende Person. Die fehlende Unterschrift des Betroffenen begründet keinen Formmangel, da die Niederschrift alle wesentlichen Erfordernisse enthält und die Anfechtung des landgerichtlichen Beschlusses ausdrücklich dem Willen des Betroffenen entsprach (vgl. BayObLGZ 1964, 327/333; Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9. Aufl. § 11 FGG Rn. 4; Keidel/ Sternal FGG 15. Aufl. § 21 Rn. 13). Der Umstand, dass der Betroffene die Niederschrift der Rechtspflegerin nicht unterschrieben hat, weil sie davon abgesehen hat, ein mitgebrachtes schriftliches Konvolut in die Niederschrift selbst aufzunehmen, ändert nichts an dem ausdrücklich bekundeten Willen, gegen die Beschwerdeentscheidung Rechtsmittel einlegen zu wollen. Die Unterschrift des Beschwerdeführers ist kein unverzichtbares Merkmal einer Niederschrift (BayObLG aaO; Bassenge aaO; Keidel/Sternal aaO). Entscheidend ist, dass die aufgenommene Erklärung dem tatsächlichen Willen des Beschwerdeführers entspricht und die unterbliebene Unterschrift kein Anzeichen dafür ist, dass er ein Rechtsmittel gegen den angegriffenen Beschluss nicht einlegen will.

2. Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Kammer sei nach erholtem Gutachten zu der Überzeugung gelangt, dass der Betroffene aufgrund einer paranoiden Schizophrenie nicht in der Lage sei, seine Angelegenheiten im Rahmen der angeordneten Wirkungskreise zu besorgen, und insoweit seinen Willen nicht frei bestimmen könne. Ferner sei ein Einwilligungsvorbehalt anzuordnen, da ansonsten die Gefahr unüberlegter Erklärungen durch den Betroffenen bestünde. Die Mutter sei als Betreuerin zu entlassen, weil sie ortsfern nicht zum Wohl ihres Sohnes handeln könne. Deshalb sei ein Berufsbetreuer vor Ort zu bestellen.

3. Dies hält rechtlicher Nachprüfung überwiegend stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen, seelischen oder körperlichen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, also ohne Antrag des Betroffenen und gegen seinen Willen, setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (BayObLG FamRZ 2000, 189; 2002, 45). Der Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist, insbesondere die Angelegenheiten des Betroffenen nicht durch einen Bevollmächtigten besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 BGB).

Das Landgericht durfte aufgrund des fehlerfrei ermittelten und damit für den Senat bindenden Sachverhalts zu der Auffassung gelangen, dass der Betroffene an einer paranoiden Schizophrenie leidet und er hierdurch zu einer freien Willensbildung in Bezug auf seine Krankheit nicht in der Lage ist. Nicht angreifbar ist auch die Feststellung, dass sich die fehlende Krankheitseinsicht auf den Bereich der Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern erstreckt.

Die Auffassung des Landgerichts wird sachverständig gestützt. Das Gutachten vom 23.6.2004 kommt zu dem Ergebnis, dass der Betroffene an einer paranoiden Schizophrenie leide. Diese Diagnose wird nachvollziehbar begründet. Auch die Begutachtung vom 6.8.2003 kommt zu der Diagnose einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Landgericht das Vorliegen einer psychischen Erkrankung annimmt. Aus dem Lebenslauf des Betroffenen wird offenkundig, dass das Unterlassen der Einnahme der verordneten Psychopharmaka zu Krankheitsschüben führt, aus denen sich jeweils für ihn Schwierigkeiten ergeben haben. Die gutachtlichen Stellungnahmen zeigen durchweg, dass die Medikation bei dem Betroffenen positive Wirkung zeigt, er die Notwendigkeit der Einnahme von Medikamenten aber nicht einsieht. Der Befund der fehlenden freien Willensbildung des Betroffenen in Bezug auf seine Gesundheit liegt hier auf der Hand. Nachvollziehbar ist das Gutachten vom 23.6.2004 ferner insoweit, als sich die festgestellte Krankheit auch im Verhältnis zu Behörden, insbesondere zu Renten- und Sozialleistungsträgern auswirkt. Der Betroffene ist in der Lage, sein Leben in B. selbst zu gestalten. Finanzielle Grundlage hierfür ist die Erwerbsunfähigkeitsrente, die ihm nur auf Betreiben der ehemaligen Betreuerin gewährt wird. Der Betroffene selbst hielt sich in der Vergangenheit stets für arbeitsfähig, scheiterte aber wiederholt an seinen Arbeitsstellen. Den Begutachtungen ist zu entnehmen, dass der Betroffene nicht arbeitsfähig ist. Für seinen Lebensunterhalt ist er sonach dringend auf den Bezug der Rente angewiesen; dies sieht der Betroffene allerdings nicht ein. Die Bestellung eines Betreuers für die im landgerichtlichen Beschluss bezeichneten Aufgabenkreise erfolgte sonach zu Recht.

b) Ein Einwilligungsvorbehalt kann nach § 1903 Abs. 1 BGB angeordnet werden, soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Begutachtungen in dem Betreuungsverfahrens ist die Überzeugung des Landgerichts nicht zu beanstanden, dass im Aufgabenkreis der Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern ein Einwilligungsvorbehalt anzuordnen war. Denn der Betroffene hat in der Vergangenheit die Einsicht in die Notwendigkeit der Antragstellung in seiner Rentenangelegenheit vermissen lassen. Ohne Rentenbezug wäre aber seine Lebensgrundlage nicht gesichert. Nachdem der Betroffene in der Vergangenheit wiederholt der Auffassung war, er sei arbeitsfähig, sind unsachgemäße Vorgehensweisen seinerseits in der Rentenangelegenheit nicht auszuschließen. Die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts ist deshalb zur Vermeidung erheblicher Nachteile für das Vermögen des Betroffenen erforderlich.

Demgegenüber sind die Voraussetzungen für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts im Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge nicht erkennbar. Aus dem Gutachten vom 23.6.2004, auf welches das Beschwerdegericht inhaltlich Bezug nimmt, ergibt sich kein Argument für die Anordnung einer solchen Maßnahme. Auch aus dem übrigen Akteninhalt ergeben sich keine Gründe für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts in diesem Bereich. Deshalb war insoweit der landgerichtliche Beschluss abzuändern.

c) Das Vormundschaftsgericht hat nach § 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB einen Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt. Für die Entlassung genügt jeder Grund, der den Betreuer als nicht mehr geeignet im Sinne von § 1897 Abs. 1 BGB erscheinen lässt (vgl. BayObLG FamRZ 2003, 403/404). Wesentlich ist dabei, dass durch den neuen Betreuer das Wohl des Betroffenen erheblich besser gewahrt ist (BayObLG FamRZ 2000, 1457/1458). Grundsätzlich ist damit Voraussetzung der Entlassung eines Betreuers nach § 1908b Abs. 1 BGB, dass das Wohl des Betroffenen bei fortbestehender Betreuerbestellung nicht oder erheblich schlechter gewahrt ist als bei einem Austausch des Betreuers (vgl. BayObLG FamRZ 2000, 1457/1458; Senatsbeschluss vom 28.7.2004, 3Z BR 094/04).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landgericht zu Recht die Mutter des Betroffenen als Betreuerin entlassen und für die noch verbliebenen Aufgabenkreise einen Berufsbetreuer bestellt, auch wenn der Betroffene selbst für den Fall der Aufrechterhaltung der Betreuung ausdrücklich seine Mutter als Betreuerin wünschte. In seiner Entscheidung ist das Landgericht den im Verfahren vorliegenden gutachtlichen Stellungnahmen gefolgt. Die Einsetzung eines ortsansässigen Berufsbetreuers wird dem Wohl des Betroffenen am ehesten gerecht. Der bisherige Verlauf des Betreuungsverfahrens hat gezeigt, dass die ehemalige Betreuerin im Bereich der Gesundheitsfürsorge keinen nachhaltigen Einfluss auf ihren Sohn ausüben konnte. Deshalb ist insoweit die Bestellung eines Berufsbetreuers erforderlich. Hiervon gehen auch mehrere gutachtliche Stellungnahmen in diesem Verfahren aus. Von Gewicht ist des Weiteren, dass nach der Verlegung des Lebensmittelpunkts des Betroffenen nach B. die räumliche Entfernung zwischen dem Wohnort der Mutter und dem des Betroffenen eine sachgerechte Führung der Betreuung nicht mehr ermöglichen würde. Daher war es aus sachlichen Gründen geboten, einen ortsnahen Betreuer zu bestellen. Auch die ehemalige Betreuerin hält es für zweckmäßig, dass die Betreuung von einer neutralen Person vor Ort geführt wird.

4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzuweisen, da die Rechtsverfolgung weitestgehend keine Aussicht auf Erfolg hatte (§ 14 FGG, § 114 ZPO).

5. Über die weitere Beschwerde der ehemaligen Betreuerin war nicht mehr zu entscheiden, da sie ihr Rechtsmittel mit Erklärung vom 4.10.2004 zurückgenommen hat.

Ende der Entscheidung

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