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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.10.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 200/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1908b Abs. 3
Eine Austauschentlassung des Betreuers auf Wunsch des Betroffenen ist auch dann möglich, wenn der Betroffene eine bereits als weiterer Betreuer bestellte, geeignete Person als nunmehrigen alleinigen Betreuer vorschlägt und diese Person damit einverstanden ist.
Gründe:

I.

Durch Beschluss vom 28.3.2003 ordnete das Amtsgericht mit Einverständnis der Betroffenen deren endgültige Betreuung an. Die Betreuung erfolgt in den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge sowie Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung des Heim- und Pflegevertrages. Zu gemeinsamen Betreuerinnen wurden zwei Töchter der Betroffenen, A und B, bestellt. Mit Schreiben vom 28.4.2003 erklärte A dann aber, dass ihr eine gemeinsame Betreuung der Mutter zusammen mit der Schwester nicht möglich sei. Hintergrund hierfür waren Unstimmigkeiten zwischen den beiden Schwestern über die Regelung finanzieller Angelegenheiten. In dem als Beschwerde bezeichneten Schreiben bat A darum, ihr die alleinige Betreuung der Mutter zu übertragen. Die Betroffene selbst schloss sich bei ihrer Anhörung durch das Amtsgericht dieser Bitte an. Hierauf entließ das Amtsgericht mit Beschluss vom 1.7.2003 B als Betreuerin. Gegen diesen Beschluss legte die abberufene Betreuerin sofortige Beschwerde ein, die das Landgericht mit Beschluss vom 27.8.2003 zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der entlassenen Betreuerin.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, aber unbegründet.

1. Das Landgericht hat die angefochtene Entscheidung wie folgt begründet:

Im vorliegenden Falle hätten schon die Voraussetzungen für eine Bestellung mehrerer Betreuer nicht vorgelegen; es sei nicht ersichtlich, wieso die beiden Schwestern, die sich schon in der Vergangenheit nicht hätten einigen können, zusammen die (finanziellen) Angelegenheiten der Betroffenen besser besorgen können sollten als eine der Schwestern allein. Hinzu komme, dass die Betreute nunmehr ausdrücklich den Wunsch geäußert habe, dass A als alleinige Betreuerin tätig werden solle. Diesem Wunsch sei zu entsprechen, da er dem Wohl der Betroffenen nicht zuwiderlaufe. Die Betroffene habe ihren Wunsch im Übrigen in Abwesenheit ihrer Tochter und von daher unbeeinflusst geäußert. Die Heimleitung habe zudem bestätigt, dass die Betroffene selbstbestimmend ihre Wünsche äußere.

2. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Gegenstand der sofortigen weiteren Beschwerde ist die vom Amtsgericht verfügte und vom Landgericht bestätigte Entlassung der Beschwerdeführerin als weitere Betreuerin. Die nunmehr alleinige Betreuerin der Betroffenen hat akzeptiert, dass das Amtsgericht ihre "Beschwerde" vom 28.4.2003 als Antrag auf Entlassung der Mitbetreuerin gewertet und entsprechend verbeschieden hat. Das Landgericht hatte damit auf Beschwerde der ehemals weiteren Betreuerin nur noch über die verfügte Entlassung zu befinden. Entsprechend stellt sich der Verfahrensgegenstand im Verfahren der weiteren Beschwerde dar.

b) Das Vormundschaftsgericht hat einen Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt (§ 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB). Das Gericht kann den Betreuer ferner entlassen, wenn der Betreute eine gleich geeignete Person, die zur Übernahme bereit ist, als neuen Betreuer vorschlägt (§ 1908b Abs. 3 BGB). Ein Grund für die Entlassung des Betreuers von Amts wegen liegt u.a. schon dann vor, wenn mehrere Betreuer bestellt sind, ohne dass die hierfür maßgebenden gesetzlichen Voraussetzungen vorgelegen haben (vgl. dazu Palandt/Diederichsen BGB 62.Aufl. § 1908b Rn. 5), wenn also die Angelegenheiten des Betroffenen hierdurch nicht besser besorgt werden können (vgl. § 1899 Abs. 1 BGB). Dem Wunsch des Betroffenen nach einem Betreuerwechsel kommt stets besonderes Gewicht zu (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 1259/1261). Das Gericht muss allerdings prüfen, ob der Betreuerwechsel, auch wenn er möglich ist, dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft (vgl. Palandt/Diederichsen § 1908b Rn. 8).

c) Die angefochtene Entscheidung ist hiernach im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Insbesondere hat das Landgericht berücksichtigt, dass bei der Frage, ob ein bestellter Betreuer zu entlassen ist, dem Wunsch des Betroffenen, von einer anderen Person betreut zu werden, im Rahmen der anstehenden Ermessensentscheidung besonderes Gewicht zukommt. Der Betroffene muss lediglich eine gleich geeignete, zur Übernahme der Betreuung bereite Person als neuen Betreuer vorschlagen, wobei es dem nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung gleichsteht, wenn der gewünschte Betreuer als solcher bereits neben dem zu entlassenden Betreuer als weiterer Betreuer bestellt und zur Übernahme der alleinigen Betreuung des Betroffenen bereit ist.

Im vorliegenden Fall hat die Betroffene klar und eindeutig erklärt, künftig alleine von ihrer bereits als Mitbetreuerin bestellten Tochter A betreut werden zu wollen, die sich hierzu zuvor schon bereit erklärt hatte. Eine Betreuung durch beide Töchter, wie vom Amtsgericht zunächst angeordnet, "gehe" nicht gut. Die Betroffene hat ihren Wunsch dem Amtsrichter in Abwesenheit beider Töchter mitgeteilt. Die Schlussfolgerung des Landgerichts, dass hiernach der Einwand der Beschwerdeführerin nicht mehr "greife", die Betroffene sei bei Abgabe der Erklärung von ihrer Tochter A maßgeblich beeinflusst worden, ist nachvollziehbar und weist keinen Rechtsfehler auf, zumal die Leitung des Heimes, in dem die Betroffene untergebracht ist, nach den Feststellungen des Landgerichts bekräftigt hat, dass die Betroffene "selbstbestimmend" ihre Wünsche äußere.

bb) Das Landgericht hat schließlich geprüft, ob die Entlassung der Beschwerdeführerin und die daraus resultierende Bestellung von A zur alleinigen Betreuerin dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufen könnte, und hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass hierfür keinerlei Anhaltspunkte bestünden. Auch insoweit sieht der Senat keinen Anlass zur Beanstandung. Ausgangspunkt ist das Wohl der Betroffenen, nicht etwa spätere Erbauseinandersetzungen. Befürchtungen der Beschwerdeführerin, die nunmehrige Alleinbetreuerin werde (nicht nur) bezüglich des Vermögens der Betroffenen "vollendete Tatsachen" schaffen und dadurch beispielsweise das gemeinschaftliche Testament der Eltern "aushöhlen", können hierbei nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Die Annahme, ein Vorschlag des Betroffenen zur Person seines Betreuers laufe seinem Wohl zuwider, bedarf konkreter tatsächlicher Feststellungen. Die allgemeine Gefahr, dass der neue Betreuer seine Position missbrauchen könnte, genügt nicht (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 323/324; Knittel Betreuungsrecht § 1908b BGB Anm.8 b). Möglichen Fehlentscheidungen des Betreuers kann das Vormundschaftsgericht im Wege der Aufsicht (§§ 1908i Abs. 1, 1837 Abs. 2 BGB) entgegentreten; gegebenenfalls kann abweichend von § 1908i Abs. 2 Satz 2, § 1857a, § 1840 BGB jährliche Rechnungslegung angeordnet werden (vgl. § 1908i Abs. 2 Satz 2 BGB am Ende).

cc) Zutreffend ist, dass das Landgericht bei seiner Entscheidung eine Aufteilung der Wirkungskreise zwischen den beiden als Betreuerinnen bestellten Töchtern der Betroffenen nicht erkennbar alternativ als Lösung der Problematik in Erwägung gezogen hat. Auch dies ist aber rechtlich nicht zu beanstanden, da es - wie bereits dargestellt - der ausdrückliche Wunsch der Betroffenen war, angesichts der zutage getretenen Streitigkeiten nur noch von ihrer Tochter A betreut zu werden. Mit diesem Wunsch wäre die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene alternative Gestaltung der Betreuung nicht in Einklang zu bringen gewesen. Das Landgericht hat dieses Modell daher zu Recht außer Betracht gelassen.

d) Auch verfahrensrechtlich ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden.

aa) Amtsgericht und Landgericht waren nach Abgabe des Verfahrens gemäß §§ 65a, 46 FGG örtlich für die Verrichtungen im vorliegenden Fall zuständig. Ein Verweisungsantrag des Betreuers ist nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht Vorraussetzung einer wirksamen Abgabe des Verfahrens. Eine Einverständniserklärung der Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als seinerzeitiger Mitbetreuerin der Betroffenen betreffend die Abgabe des Verfahrens ist bei den Akten.

bb) Auf eine nochmalige Anhörung der Betroffenen im Beschwerdeverfahren hat das Landgericht gemäß § 69g Abs. 5 Satz 3 FGG verzichtet. Das Landgericht konnte so verfahren, weil die Betroffene erst wenige Wochen zuvor durch das Amtsgericht angehört worden war und nach Einschätzung des Landgerichts von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren. Der Senat hat keinen Anlass, dies zu beanstanden. Die Betroffene hat nach den Feststellungen des Landgerichts eine selbstbestimmte, inhaltlich eindeutige Erklärung abgegeben; es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass im seither verstrichenem Zeitraum Umstände eingetreten sind, die erwarten ließen, dass die Betroffene ihre Meinung geändert hat, zumal die Betroffene ausweislich der Akten bereits am 21.3.2003 gegenüber dem Amtsgericht erklärt hatte, dass ihre Tochter A als alleinige Betreuerin bestellt werden sollte, wenn beide Töchter die Betreueraufgaben nicht einvernehmlich erfüllen könnten.

cc) Das Landgericht hat schließlich auch über den im Beschwerdeverfahren gestellten Hilfsantrag entschieden, eine "neutrale Berufsbetreuerin" für die Betroffene zu stellen. Durch die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde wurde auch dieser Antrag abgelehnt; A blieb als einzige Betreuerin für die Betroffene bestellt. Eine andere Entscheidung hätte in diesem Punkt auch gar nicht ergehen können, weil Verfahrensgegenstand im Beschwerdeverfahren ausschließlich die Entlassung der Beschwerdeführerin als Betreuerin war (s.o.). Über einen etwaigen Antrag auf Abberufung auch der derzeit bestellten Betreuerin und/oder Bestellung einer anderen Betreuerin hätte zunächst das Amtsgericht zu befinden (vgl. Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9.Aufl. § 23 FGG Rn. 7 ff.).



Ende der Entscheidung

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