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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 19.09.2000
Aktenzeichen: 3Z BR 204/00
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 21
Soll ein Rechtsmittel beschränkt werden, bedarf es dazu einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung.
BayObLG Beschluß

LG München I - 13 T 7421/00; AG München 712 XVII 775/99

3Z BR 204/00

19.09.00

Der 3.Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl und Dr. Schreieder

am 19. September 2000

in der Betreuungssache

auf die weitere Beschwerde der Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die weitere Beschwerde wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 5. Juni 2000 hinsichtlich der Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers auf die Aufenthaltsbestimmung aufgehoben und insoweit die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht München I zurückverwiesen.

II. Im Übrigen wird die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 5. Juni 2000 zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht bestellte am 16.7.1999 für die Betroffene einen Berufsbetreuer für die Aufgabenkreise Zuführung zur ärztlichen Behandlung, Wohnungsangelegenheiten und Vertretung in Rechtsangelegenheiten, insbesondere im anhängigen Mietprozeß. Diese erweiterte es am 15.3.2000 auf die Aufenthaltsbestimmung und die Vermögenssorge. Die Beschwerde der Betroffenen hiergegen hat das Landgericht am 5.6.2000 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Betroffenen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt, soweit die Betreuung auf den Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung erweitert wurde, zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Im übrigen hat es keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass hinsichtlich der Erweiterung der Aufgabenkreise auf die Aufenthaltsbestimmung ein Rechtsschutzbegehren der Betroffenen auf Überprüfung durch die Beschwerdekammer nicht erkennbar sei.

Soweit die Erweiterung der Aufgabenkreise des Betreuers auf die Vermögenssorge angefochten sei, habe das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. M. vom 17.2.2000 leide die Betroffene an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose. Die Betroffene könne ihren Willen nicht frei bestimmen. Auch die Erforderlichkeit für die Erweiterung der Betreuung auf den Bereich der Vermögenssorge sei nach dem Gutachten gegeben. Infolge der Erkrankung sei die Betroffene nicht in der Lage gewesen, die Aussichtslosigkeit ihrer auf Mietminderung gestützten Rechtsverteidigung im gegen sie anhängigen Räumungsprozeß zu erkennen. Die Betroffene habe sich durch ihren Betreuer in dem abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich verpflichtet, ab April 2000 ihre Miete ungemindert zu bezahlen. Die erweiterte Betreuung gewährleiste dies nach wie vor.

2. Diese Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand, soweit die Kammer davon ausgeht, dass sie die Erweiterung der Betreuung auf die Aufenthaltsbestimmung nicht zu überprüfen habe.

Zwar trifft die Auffassung der Kammer zu, der Betroffene könne seine Beschwerde darauf beschränken, dass dem Betreuer zusätzlich zu sonstigen Aufgabenkreisen ein bestimmter weiterer Aufgabenkreis übertragen wurde (vgl. BayObLG FamRZ 2000, 189). Eine derartige Beschränkung auf den Aufgabenkreis Vermögenssorge hat die Betroffene aber nicht erklärt. Die Beschränkung eines Rechtsmittels kann nur angenommen werden, wenn sie sich aus der Erklärung des Beschwerdeführers eindeutig ergibt. Da die Beschwerde nicht begründet werden muß (vgl. Jansen FGG 2.Aufl. § 21 Rn.7; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8.Aufl. § 21 FGG Rn.7), kann allein aus dem Umstand, dass die Beschwerdebegründung nicht alle Teile der Entscheidung einzeln rügt, noch nicht die Beschränkung des Rechtsmittels gefolgert werden. Im Zweifel ist die Entscheidung in vollem Umfang angefochten (Bassenge/Herbst § 21 FGG Rn.9). So ist es hier.

Die Betroffene bezeichnet ihr Rechtsmittel als "Beschwerde über den Beschluß vom 15.3.2000 über Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge". In der Begründung geht sie auf die Frage der Aufenthaltsbestimmung nicht näher ein und schreibt lediglich: "Unklar ist mir noch, was unter Aufenthaltsbestimmung zu verstehen ist?". Daraus kann nicht gefolgert werden, dass die Betroffene diesen Aufgabenkreis nicht anfechten wollte. Die Beschwerdebefugnis der Betroffenen auch bezüglich dieses Aufgabenkreises folgt aus § 20 Abs. 1 FGG.

Die Entscheidung des Landgerichts muß daher bezüglich des Aufgabenkreises Aufenthaltsermittlung aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung an das Landgericht zurückverwiesen werden. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da noch weitere Ermittlungen notwendig sind (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1692).

3. Die angefochtene Entscheidung ist bezüglich des Aufgabenkreises Vermögenssorge rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Ist einem Volljährigen ein Betreuer bestellt ist dessen Aufgabenkreis zu erweitern, wenn dies erforderlich wird (§ 1908d Abs. 3 Satz 1 BGB). Für die Erweiterung gelten die Vorschriften über die Bestellung des Betreuers entsprechend (§ 1908d Abs. 3 Satz 2 BGB). Voraussetzung ist danach, dass ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten in den Bereichen, auf die der Aufgabenkreis erweitert wird, nicht besorgen kann (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers von Amts wegen setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (BayObLG BtPrax 1998, 30/31 m.w.N.; Palandt/Diederichsen BGB 59.Aufl. § 1908d Rn.9; Staudinger/Bienwald BGB 12.Aufl. § 1896 Rn. 27), d.h. nicht imstande ist, seinen Willen unbeeinflußt von der Krankheit oder Behinderung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln (vgl. BGH NJW 1996, 918/919).

Der Aufgabenkreis des Betreuers darf nur auf Bereiche erweitert werden, in denen die Betreuung erforderlich ist (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB; vgl. BayObLG FamRZ 1995, 1085). Dies bedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis der Konkretisierung (vgl. BayObLG BtPrax 1998, 30/31 m.w.N.).

b) Diese Grundsätze hat das Landgericht beachtet. Aus dem vom Landgericht verfahrensfehlerfrei und damit für den Senat bindend festgestellten Sachverhalt (vgl. BayObLGZ 1999, 17/20) ergibt sich insbesondere, dass die Betroffene bezüglich der Vermögenssorge ihren Willen nicht frei bestimmen kann.

Das Landgericht hat sich bei seinen Feststellungen auf das Gutachten des Stationsarztes Dr. M. vom 17.2.2000 gestützt. Dieses ist von dem Oberarzt Dr. H., an dessen Sachkunde keine Zweifel bestehen, mit dem Zusatz "Aufgrund eigener Untersuchung und Urteilsbildung einverstanden" unterzeichnet und wird damit von diesem mitgetragen. Die Beweiswürdigung, insbesondere die Würdigung von Sachverständigengutachten, ist Sache des Tatrichters und vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüfbar (BayObLGZ 1993, 18/19 f. m.w.N.). Derartige Verstöße läßt die Beschwerdeentscheidung nicht erkennen. Die von der Kammer gezogenen Schlussfolgerungen beruhen auf einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage und sind zumindest möglich. Zwingend brauchen sie nicht zu sein (BayObLG FamRZ 1994, 1617/1618; Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl. § 27 Rn. 42).

Mit ihrer Einwendung, sie sei nicht krank, setzt die Betroffene ihre eigene Würdigung an die Stelle der Würdigung des Beschwerdegerichts. Damit kann sie im Rechtsbeschwerdeverfahren keinen Erfolg haben (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO; BayObLGZ 1993, 248/252).

Ende der Entscheidung

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