Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 03.12.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 214/03
Rechtsgebiete: GG, BGB


Vorschriften:

GG Art. 103 Abs. 1
BGB § 1821 Abs. 1 Nr. 5
BGB § 1828
In einem gerichtlichen Verfahren, welches eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung für einen geplanten Grundstückskaufvertrag betrifft, hat das Gericht auch dann dem Betroffenen Kenntnis vom Inhalt eines vollständigen, bei den Akten befindlichen Grundbuchauszuges und die Möglichkeit einer Stellungnahme hierzu zu geben, wenn der Betreuer des Betroffenen sich pflichtwidrig nicht um einen vollständigen Grundbuchauszug gekümmert hat.
Gründe:

I.

Für den Betroffenen ist seit 22.7.1999 ein Berufsbetreuer für verschiedene Aufgabenkreise bestellt, darunter Vermögenssorge mit angeordnetem Einwilligungsvorbehalt. Der Betroffene ist Eigentümer eines 648 m² großen von ihm selbst bewohnten Hausgrundstücks in H. Er bezieht eine monatliche Rente von 1.078 EUR und verfügt über ein Geldvermögen in Höhe von rund 75.000 EUR. Der Betroffene beabsichtigt, ein weiteres 1.600 m² großes Hausgrundstück in einem anderen Ort zu einem Kaufpreis von ursprünglich rund 79.000 EUR zuzüglich Nebenkosten zu erwerben. Das Grundbuch weist in Abteilung II für das Grundstück u.a. eine Belastung mit einem Leibgeding für einen im Jahr 1934 geborenen Voreigentümer aus. Dem Betroffenen und seinem Betreuer, denen der Makler nur einen unvollständigen Grundbuchauszug übermittelt hatte, war dieser Eintrag nicht bekannt. Auf die Anfrage, ob der geplante Kauf vormundschaftsgerichtlich genehmigt werden könne, erklärte der zuständige Rechtspfleger, eine Genehmigung werde erst dann erteilt, wenn der Betroffene seinerseits einen Käufer für sein Anwesen gefunden habe. Auf die Erinnerung des Betroffenen versagte das Amtsgericht die Genehmigung.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht am 29.9.2003 zurückgewiesen, ohne dem Betroffenen oder seinem Betreuer davon Kenntnis zu geben, dass der dem Gericht vorliegende Grundbuchauszug eine Belastung mit einem Leibgeding enthielt.

Mit seiner weiteren Beschwerde will der Betroffene nach wie vor die Genehmigung des geplanten Kaufvertrages erreichen. Er hat vorgetragen, von einem Leibgeding sei ihm nichts bekannt. Er werde durch den Ankauf auch nicht sonderlich belastet, da sich der Kaufpreis zuzüglich Nebenkosten zwischenzeitlich auf 75.818,10 EUR reduziert habe, er neben der Rente noch eine monatliche betriebliche Altersversorgung in Höhe von 296,95 EUR erhalte und er nur vorübergehend bis zum Verkauf seines jetzigen Anwesens zwei Objekte zu unterhalten habe.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 27 Abs. 1, 21 Abs. 2 FGG) und führt in der Sache zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Der beabsichtigte Grundstückserwerb könne nicht genehmigt werden. Ohne Verkauf des bisherigen Anwesens seien das Vermögen des Betroffenen und die Sicherung seines Lebensbedarfs erheblich gefährdet. Zwar sei den Wünschen des Betroffenen soweit wie möglich der Vorrang einzuräumen, um ihm die Möglichkeit zur eigenen Gestaltung seines Lebens zu geben. Das Objekt sei nach Aussage des Maklers dem Betroffenen wie auf den Leib geschneidert und ermögliche ihm, durch den Ortswechsel seinem durch Nachbarstreitigkeiten belasteten Umfeld zu entkommen. Jedoch bedeute der beabsichtigte Grundstückskauf ein finanzielles Risiko für den Betroffenen. Dieser habe auf unabsehbare Zeit zwei Anwesen zu unterhalten und monatliche Belastungen für die teilweise Fremdfinanzierung sowie das auf dem Grundstück lastende Leibgeding zu tragen.

2. Die Entscheidung kann keinen Bestand haben, weil die tatsächlichen Feststellungen unter Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen zustande gekommen sind. Der verfassungsrechtlich geschützte Anspruch auf rechtliches Gehör untersagt es den Gerichten, ihren Entscheidungen Tatsachen zugrunde zu legen, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten, und einen vor der Entscheidung überhaupt nicht erörterten tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt zur Grundlage ihrer Entscheidung zu machen. Die Kammer hat dem Betroffenen und seinen Betreuer vor der Beschwerdeentscheidung keine Gelegenheit gegeben, zu dem Grundbuchauszug, welcher dem Gericht in vollständiger Form vorlag, Stellung zu nehmen. Dies wäre aber notwendig gewesen, da der Betroffene und sein Betreuer - wie sich aus den vorgelegten Unterlagen ergeben hat - offensichtlich von der Vollständigkeit des von ihnen vorgelegten Grundbuchauszugs ausgingen. Zwar gehört es zu den grundlegenden Pflichten eines Betreuers, sich vor der Abwicklung eines Grundstückskaufes selbst einen vollständigen Grundbuchauszug zu besorgen, um die Angaben des Maklers und die tatsächliche Sachlage überprüfen zu können, doch kommt es hierauf bei der Frage, ob das rechtliche Gehör verletzt worden ist, nicht an. In einem gerichtlichen Verfahren, welches eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung für einen geplanten Grundstückskaufvertrag betrifft, hat das Gericht auch dann von sich aus dem Betroffenen Kenntnis vom Inhalt eines vollständigen, bei den Akten befindlichen Grundbuchauszuges und die Möglichkeit einer Stellungnahme hierzu zu geben, wenn der Betreuer des Betroffenen sich pflichtwidrig nicht um einen vollständigen Grundbuchauszug gekümmert hat.

3. Der Sachverhalt ist damit verfahrensfehlerhaft festgestellt worden. Er scheint auch mit dem tatsächlich vorliegenden Sachverhalt nicht übereinzustimmen. Der Betroffene hat im Rechtsbeschwerdeverfahren Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass der aus dem Leibgeding Berechtigte zwischenzeitlich verstorben und das Leibgeding damit zu löschen ist. Diese Belastung kann damit nicht in die Ermessensabwägung, ob die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu erteilen ist, einbezogen werden. Die Entscheidung des Landgerichts beruht daher auf dem Verfahrensfehler.

Zudem soll zwischenzeitlich der Kaufpreis reduziert worden und eine weitere monatliche Rente des Betroffenen aus einer betrieblichen Pensionskasse zum Vorschein gekommen sein. Auf der anderen Seite liegt für den reduzierten Kaufpreis bisher eine konkrete Berechnung der anfallenden monatlichen Belastung ebenso wenig vor wie eine fundierte Schätzung der monatlich anfallenden Unterhaltungskosten für das zu erwerbende Anwesen, welches nach dem Makler-Exposé nur über eine "einfachste" Ausstattung verfügt. Da insoweit noch Feststellungen zu treffen sind und zu prüfen ist, ob das reduzierte Angebot noch Bestand hat und wie weit die Verkaufsbemühungen für das Anwesen des Betroffenen gediehen sind, konnte der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden. Diese war an das Landgericht zur erneuten Sachbehandlung zurückzuverweisen.

4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Der Betroffene möchte eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung des beabsichtigten Grundstückskaufvertrages nach § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB i.V.m. § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB erreichen. Es handelt sich nicht um eine Genehmigung nach § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB, da diese Vorschrift nur Grundstücke schützt, welche bereits im Eigentum des Mündels bzw. Betreuten stehen (vgl. Palandt/Diederichsen BGB 63. Aufl. § 1821 Rn. 13). Die erforderliche Genehmigung nach § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB hat den Sinn, eine Kontrolle des Vormundschaftsgerichts über diese Form der Geldanlage durch den Vormund bzw. Betreuer zu ermöglichen (vgl. Palandt/Diederichsen § 1821 Rn. 12). Die Genehmigung kann auch schon vor Abschluss des zu genehmigenden Vertrages erteilt werden, wenn der Vertragsinhalt im Wesentlichen feststeht (BayObLG BtPrax 2003, 129). Bei der Entscheidung über die Erteilung oder Verweigerung einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung für Grundstücksgeschäfte handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (BGH NJW 1986, 2829/2830; BayObLGZ 1997, 113/118 f.; BayObLG FamRZ 1998, 455/456; BtPrax 2003, 129/130). Sie richtet sich nicht unbedingt nach dem objektiven wirtschaftlichen Interesse des Betreuten, vielmehr sind entsprechend § 1901 Abs. 3 BGB vorrangig seine Wünsche zu berücksichtigen, soweit diese seinem Wohl nicht zuwiderlaufen. In dieser Ermessensentscheidung wird u.a. einzubeziehen sein, ob und in welcher Höhe Belastungen, z.B. in Form von Kreditzinsen, sowie Renovierungs- und Unterhaltungskosten, durch den Erwerb auf den Betroffenen zukommen, zum anderen aber auch (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 455/456; Palandt/Diederichsen § 1828 Rn. 7), dass der Betroffene durch den Erwerb seinem Umfeld ausweichen kann, welches er als belastend empfindet.



Ende der Entscheidung

Zurück