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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 03.12.2003
Aktenzeichen: 3Z BR 218/03
Rechtsgebiete: BGB, BVormVG


Vorschriften:

BGB § 1836a
BVormVG § 1 Abs. 1
Sprachkenntnisse können sich bei mittellosen Betroffenen vergütungserhöhend nur auswirken, wenn sie durch eine abgeschlossene Ausbildung erworben wurden.
Gründe:

I.

Für den am 29.8.2003 verstorbenen mittellosen Betroffenen, der sich nur in russischer Sprache verständlich machen konnte, bestellte das Amtsgericht mit einstweiliger Anordnung vom 6.8.2003 einen Berufsbetreuer, der der russischen Sprache mächtig ist. Dieser beantragte, ihm für den Zeitraum 4.8. bis 4.9.2003 eine Vergütung aus der Staatskasse in Höhe von 324,98 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer zuzuerkennen. Dem Antrag lag ein Stundensatz von 31 Euro zugrunde. Das Amtsgericht bewilligte mit Beschluss vom 10.9.2003 lediglich einen Stundensatz von 18 Euro und erkannte dem Betreuer hiernach eine Vergütung in Höhe von 188,70 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer zu. Die sofortige Beschwerde des Betreuers hat das Landgericht mit Beschluss vom 13.10.2003 zurückgewiesen; in dem Beschluss, dem eine weitere Rechtsmittelbelehrung nicht beigefügt war, hat das Landgericht die sofortige weitere Beschwerde zugelassen. Gegen die Entscheidung des Landgerichts hat zunächst der Betreuer selbst mit Schreiben vom 17.10.2003 sofortige weitere Beschwerde erhoben. Auf Hinweis des Senatsvorsitzenden bezüglich der zu wahrenden Formvorschriften beantragt der Betreuer mit Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters vom 29.10.2003 nunmehr unter erneuter Einlegung des Rechtsmittels die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

II.

Die zulässige sofortige weitere Beschwerde des Betreuers ist unbegründet.

1. Die statthafte, insbesondere vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zugelassene sofortige weitere Beschwerde ist nunmehr zulässig. Dem Beschwerdeführer war gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels zu gewähren, weil der angefochtenen Entscheidung keine Belehrung dahingehend beigefügt war, dass das Rechtsmittel in Form einer Beschwerdeschrift nur durch einen von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schriftsatz eingelegt werden konnte. Im Hinblick auf das schwer überschaubare und in weiten Bevölkerungskreisen auch in seinen Grundzügen unbekannte Rechtsmittelsystem der freiwilligen Gerichtsbarkeit hält der Senat die Versäumung der Frist zur Einlegung eines formgerechten Rechtsmittels durch den Beschwerdeführer im vorliegenden Fall für unverschuldet (vgl. dazu BayObLGZ 2001, 297 und die Senatsbeschlüsse FamRZ 2002, 1362 und 2003, 706 [Ls]; Keidel/Sternal FGG 15.Aufl. § 22 Rn.69), selbst wenn der Beschwerdeführer als Berufsbetreuer Anlass hätte, sich mit dem geltenden Betreuungsrecht, auch was die verfahrensrechtlichen Bestimmungen betrifft, etwas intensiver auseinander zu setzen. Immerhin hatte aber noch das Amtsgericht dem Beschwerdeführer eine Rechtsmittelbelehrung erteilt, so dass dieser in gewisser Weise darauf vertrauen konnte, auch vom Landgericht über etwaige besondere, für das Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde maßgebende Vorschriften belehrt zu werden (vgl. BayObLG WuM 1991, 227/228).

2. In der Sache hat die sofortige weitere Beschwerde allerdings keinen Erfolg.

a) Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Grundlage für die "Einstufung" des Betreuers sei allein § 1 Abs. 1 BVormVG. Der vom Betreuer begehrte Stundensatz von 31 Euro könne diesem nur gewährt werden, wenn der Betreuer über besondere Kenntnisse verfüge, die für die Führung der Betreuung nutzbar und durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder eine vergleichbare Ausbildung erworben worden seien. Den vorgelegten Unterlagen zufolge habe der Betreuer ein Studium der Philosophie an der Universität Rostow (ehemalige UdSSR) absolviert. Dies sei eine Ausbildung, die einem abgeschlossenen Hochschulstudium zwar vergleichbar sei. Das Gericht vermöge jedoch nicht zu erkennen, dass der Beschwerdeführer durch diese Ausbildung besondere Erkenntnisse erworben habe, die für die Führung einer Betreuung nutzbar seien. Unter dem Begriff der "besonderen Kenntnisse" verstehe das Gesetz insbesondere juristische, steuerliche, wirtschaftliche, medizinische, psychologische oder pädagogische Fachkenntnisse. Diese habe das Studium der Philosophie dem Beschwerdeführer aber schon ausweislich der von ihm vorgelegten Semesterliste nicht zu vermitteln vermocht. Letztlich könnten auch die unstreitig hervorragenden russischen Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers, auch wenn sie zumindest zum Teil während des Auslandsstudiums erworben worden seien, nicht berücksichtigt werden, weil es sich dabei nicht um Fachkenntnisse im dargestellten Sinne handele.

b) Diese Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) jedenfalls im Ergebnis stand.

aa) Ist der Betreute mittellos, kann der Berufsbetreuer Vergütung aus der Staatskasse verlangen (§ 1836a BGB). Die Grundsätze, nach denen die Vergütung zu bemessen ist, sind in § 1 Abs. 1 BVormVG niedergelegt. Die dort genannten erhöhten Stundensätze von 23 Euro bzw. 31 Euro setzen voraus, dass der Berufsbetreuer über "besondere Kenntnisse" verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind und die durch eine abgeschlossene Lehre bzw. eine abgeschlossene Hochschulausbildung oder durch eine mit diesen Ausbildungen vergleichbar abgeschlossene Ausbildung erworben wurden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG). Hierzu hat der Senat in seinem Beschluss vom 27.10.1999 (BayObLGZ 1999, 339/342) im Einzelnen dargelegt:

(1) "Besondere Kenntnisse" sind Kenntnisse, die - bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet - über ein Grundwissen deutlich hinausgehen, wobei das Grundwissen je nach Bildungsstand bzw. Ausbildung mehr oder weniger umfangreich sein kann.

(2) Für die Führung einer Betreuung "nutzbar" sind diese Fachkenntnisse, wenn sie ihrer Art nach betreuungsrelevant sind und den Betreuer befähigen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen und somit eine erhöhte Leistung zu erbringen.

(3) Durch eine Ausbildung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG erworben sind für eine Betreuung nutzbare Fachkenntnisse, wenn die Ausbildung in ihrem Kernbereich auf deren Vermittlung ausgerichtet ist, wie etwa bei den Studiengängen Rechtswissenschaften/Rechtspflege, Sozialarbeit oder Sozialpädagogik.

Angesichts des Wesens der Betreuung als rechtliche Betreuung (§ 1901 Abs. 1 BGB) kommt rechtlichen Kenntnissen eine grundlegende Bedeutung zu. Dies gilt allerdings in aller Regel nur für Kenntnisse des deutschen Rechts, da sich die Geschäfte, die der Betreuer für den Betroffenen zu besorgen hat, regelmäßig nach deutschem Recht richten. Betreuungsrelevant sind im allgemeinen ferner Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit und Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft (BayObLGZ 1999, 339/341).

bb) Im vorliegenden Fall hat das Landgericht zutreffend festgestellt, dass die philosophische Ausbildung dem Beschwerdeführer Kenntnisse, die für die Führung einer Betreuung nutzbar sind, nicht zu vermitteln vermochte.

Für nicht zutreffend hält der Senat demgegenüber die Feststellung, dass auch die russischen Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers nicht als nutzbare Fachkenntnisse im dargestellten Sinne bewertet werden können. Vielmehr ist davon auszugehen, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Betroffene der deutschen Sprache nicht mächtig ist, die Kenntnis einer Sprache, in der eine Verständigung mit dem Betroffenen möglich ist, geradezu zwingende Voraussetzung für die erfolgreiche Gestaltung einer Betreuung und damit logischer Weise auch für die Betreuung nutzbar ist (vgl. BayObLG BtPrax 2001, 205; BayObLGZ 1997, 146/148). Die Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers sind jedoch ausweislich der vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht, wie vom Gesetz gefordert, durch eine abgeschlossene akademische Ausbildung erworben worden, die "in ihrem Kernbereich" auf die Vermittlung von Sprachkenntnissen gerichtet war (s.o.). Vielmehr hat der Beschwerdeführer seine Kenntnisse nach dem vom Landgericht ausgewerteten Unterlagen insoweit zwar weitgehend wohl während seines Auslandsstudiums erworben; dieses hat indessen einen völlig anderen, fachlich für die Betreuung nicht nutzbaren Schwerpunkt aufgewiesen. Dies gilt selbst dann, wenn das begleitende Fremdsprachenstudium einen "stundenmäßig umfänglicheren" Raum eingenommen haben sollte. Der Beschwerdeführer kann deshalb einen formalen Bildungsabschluss, wie ihn das Gesetz für eine erhöhte Vergütung erfordern würde, nicht vorweisen, zumal Charakter und Ergebnis der Abschlussprüfung im Fach Russisch den Unterlagen zufolge nicht näher belegt sind. Der Senat kann über dieses nach dem Gesetz für die Bemessung der Vergütung aus der Staatskasse eindeutige Erfordernis nicht hinwegsehen.

cc) Auf die weitere Frage, ob als "abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule" im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG nicht ohnehin nur ein inländischer Hochschulabschluss in Betracht kommt und die einem Hochschulabschluss vergleichbare abgeschlossene Ausbildung nur bejaht werden kann, wenn die Anerkennung durch eine inländische staatliche Stelle erfolgt ist (vgl. dazu BayObLG BtPrax 2001, 205), kommt es im vorliegenden Fall nicht mehr an.



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