Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.12.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 226/04
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 33
Kommt ein Verpflichteter einer gerichtlichen Anordnung (hier: zur Rechnungslegung als Betreuer) erst im Verfahren der weiteren Beschwerde gegen das wegen Nichtbefolgung festgesetzte Zwangsgeld nach, ist dies als neue Tatsache zu werten, die das Rechtsbeschwerdegericht in der Regel nicht zur Aufhebung der Zwangsgeldfestsetzung veranlassen kann. Es ist Sache des anordnenden Gerichts, seine Verfügung aufzuheben, wenn es die Anordnung als nunmehr hinreichend erfüllt ansieht.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vizepräsidenten Sprau sowie des Richters Dr. Knittel und der Richterin Vavra am 20. Dezember 2004 in der Betreuungssache

auf die weitere Beschwerde des ehemaligen Betreuers

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts München II vom 13. September 2004 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 5000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Für den Betroffenen war seit 23.2.1995 der ehemalige Betreuer (im Folgenden: Betreuer), ein Rechtsanwalt, bestellt, zunächst für die Aufgabenkreise "Aufenthaltsbestimmung" und "Zuführung zur ärztlichen Behandlung", ab 1.2.2000 auch für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge. Das Amtsgericht entließ ihn am 22.4.2003 und bestellte einen neuen Berufsbetreuer. Diese Entscheidung wurde mit Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 16.10.2003 (FamRZ 2004, 977) letztinstanzlich bestätigt. Der Senat hat darin die Würdigung des Landgerichts, dass der Betreuer sich u. a. wegen fehlender Rechnungslegung als ungeeignet für die weitere Führung der Betreuung erwiesen habe, nicht beanstandet.

Der Betreuer hat auch in der Folgezeit keine ordnungsgemäße Rechnung über seine Vermögensverwaltung für den Zeitraum vom 1.2.2000 bis 23.4.2003 gelegt, obwohl ihn das Vormundschaftsgericht am 4.6.2002, 25.9.2002, 5.12.2002 und 9.5.2003 hierzu für den jeweils offenen Zeitraum schriftlich aufgefordert hatte.

Am 26.2.2004 erging eine erneute gerichtliche Aufforderung zur Rechnungslegung mit Fristsetzung zum 31.3.2004 unter Androhung eines Zwangsgeldes von 5000 EUR. Die vom Betreuer "wegen derzeitiger Arbeitsüberlastung" erbetene Fristverlängerung um einen Monat wurde mit Beschluss vom 6.4.2004 abgelehnt. Zugleich setzte das Vormundschaftsgericht ein Zwangsgeld in Höhe von 5000 EUR fest.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 13.9.2004 zurückgewiesen. Mit der weiteren Beschwerde strebt der Betreuer nach wie vor die Aufhebung der Zwangsgeldfestsetzung an.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt:

Der Betreuer habe nachhaltig gegen seine gesetzliche Pflicht zur Rechnungslegung verstoßen. Im vorliegenden Fall bestehe besonderer Anlass, den Betreuer hierzu anzuhalten, weil nach den Feststellungen seines Nachfolgers im Betreueramt der Verbleib von mehr als 81.000 EUR derzeit nicht nachvollzogen werden könne. Die Rechnungslegung sei auch grundsätzlich möglich, der Betreuer berufe sich lediglich auf andauernde Arbeitsüberlastung, die ihn aber nicht entschuldigen könne.

Das Zwangsgeld sei nach Androhung festgesetzt worden und in seiner Höhe auch nicht unverhältnismäßig angesichts des langen Zeitraumes der erheblichen und hartnäckigen Pflichtverletzung durch den Betreuer sowie der Höhe des betroffenen Vermögens.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Der Senat hat in seinem dem Betreuer bekannten Beschluss vom 16.10.2003 eingehend auf die Rechtsgrundlagen der Rechnungslegungspflicht und ihre Bedeutung für die Wahrung der Interessen des Betroffenen hingewiesen.

Gleichwohl ist der Betreuer seiner gesetzlichen Verpflichtung schuldhaft nicht nachgekommen. Es konnte daher nach vorheriger Androhung ein Zwangsgeld festgesetzt werden (§ 1837 Abs. 3 Satz 1, § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB; § 33 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 und 2 FGG), und zwar durch den für die Überwachung der Betreuer zuständigen Rechtspfleger (§ 3 Nr. 2a, § 14, § 4 Abs. 1 RPflG).

b) Das Landgericht hat auch bei der Höhe des Zwangsgeldes die Umstände des Einzelfalles angemessen berücksichtigt (vgl. BayObLG FamRZ 1996, 878; Keidel/Zimmermann FGG 15. Aufl. § 33 Rn. 20a). Angesichts des nachhaltigen Pflichtenverstoßes des Betreuers, der fünf Aufforderungen des Vormundschaftsgerichts vor und nach seiner Entlassung unbeachtet ließ, und im Hinblick auf die erheblichen Vermögenswerte, für die der Betreuer während seiner Amtszeit verantwortlich war, ist der festgesetzte Betrag nicht zu beanstanden. Die Vormundschaftsgerichte sind bei ihrer verantwortungsvollen Aufgabe der Überwachung der Betreuer insbesondere bezüglich der Vermögensbelange der Betroffenen darauf angewiesen, dass Betreuer zeitnah und vollständig ihrer Pflicht zur Rechnungslegung nachkommen. Neben der Entlassung ist das Zwangsgeld das einzige Druckmittel, mit dem das Gericht den Betreuer hierzu nachdrücklich anhalten kann. Hierbei ist es durchaus vertretbar, zumindest einem Berufsbetreuer, der über einen Zeitraum von fast zwei Jahren hinweg eine derartige Zahl von gerichtlichen Aufforderungen missachtet, ein Zwangsgeld in der hier festgesetzten Größenordnung aufzuerlegen, welches überdies das untere Fünftel des nach § 33 Abs. 3 Satz 2 FGG zulässigen Rahmens nicht übersteigt.

Das wird weder durch den vom Betreuer angeführten Vergleich mit den angeblichen Kosten der nachträglichen Beschaffung fehlender Bankbelege in Frage gestellt noch durch das von ihm ohne Nennung konkreter Beträge geltend gemachte angebliche Missverhältnis zu seinem Einkommen. Zwar sind bei der Festsetzung auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verpflichteten nicht außer acht zu lassen, da sich nach ihnen bemisst, wie empfindlich das Zwangsgeld auf ihn wirken wird (Keidel/Zimmermann aaO m.w.N.). Das Landgericht hatte aber mangels durch Zahlen belegten konkreten Tatsachenvortrags des Betreuers hierzu keinen Anlass anzunehmen, dass gegenüber einem Rechtsanwalt ein aus sonstigen Gründen gerechtfertigtes Zwangsgeld in dieser Höhe außer Verhältnis zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen stehe.

c) Der Betreuer hat zwar nunmehr mit Schriftsatz vom 3.12.2004 gegenüber dem Rechtsbeschwerdegericht eine Aufstellung über die drei in seiner Amtszeit vorhanden gewesenen Konten vorgelegt und Tatsachen behauptet, weshalb ihm die Rechnungslegung für einen Teil des in Rede stehenden Zeitraums unmöglich sei. Hierbei handelt es sich aber um neuen Sachvortrag, der teilweise von vornherein nicht überzeugend ist und zudem im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht mehr berücksichtigt werden kann.

aa) Der Betreuer war seit 1.2. 2000 für das Vermögen des Betroffenen verantwortlich. Auch wenn ihm zunächst nicht bekannt gewesen sein sollte, bei welcher Bank dessen Geld angelegt war, hätte er sich nachträglich die entsprechenden Kontounterlagen als Grundlage der Rechnungslegung für den Zeitraum bis zur Überweisung des Geldes von der H.-Bank auf die D.-Bank im Juli 2000 beschaffen müssen.

bb) Jedenfalls sind die neuen Einwendungen und die Vorlage von zur Rechnungslegung bestimmten Unterlagen nach Erlass einer Zwangsgeldanordnung als neuer Tatsachenvortrag zu werten, der im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht mehr berücksichtigt werden kann (vgl. allgemein hierzu Keidel/Meyer-Holz § 27 Rn. 45 m.w.N.).

Zwar entspricht es ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung, dass für ein Zwangsgeld kein Raum mehr ist, wenn eine verlangte Auskunft oder Rechnungslegung vor der Entscheidung des Beschwerdegerichts als letzter Tatsacheninstanz erteilt wurde (BayObLG Rpfleger 1979, 215 und FamRZ 2002, 1434; OLG Köln FamRZ 2003, 780 m.w.N.). Im Verfahren der weiteren Beschwerde kann hingegen die Erfüllung der der Zwangsgeldanordnung zugrunde liegenden Verpflichtung als neue Tatsache nicht mehr vorgebracht werden (Jansen FGG 2. Aufl. § 33 Rn. 45; Keidel/Zimmermann § 33 Rn. 27). Eine erst im Verfahren der weiteren Beschwerde erteilte Auskunft oder Rechnungslegung hat daher als neue Tatsache grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Das ist auch sachgerecht, weil es nicht Aufgabe des Rechtsbeschwerdegerichts sein kann, selbst die entsprechenden, erstmals ihm vorgelegten Informationen daraufhin zu überprüfen, ob sie den Anforderungen der ersten Instanz bei der Zwangsgeldfestsetzung in tatsächlicher Hinsicht entsprechen, insbesondere vollständig sind oder hinsichtlich verbleibender Lücken durch zusätzliche Aufklärung ergänzt werden müssen. Dem widerspricht es nicht, dass der Senat (FamRZ 2002, 1434) bei einer anders gelagerten Fallgestaltung - ein angeordnetes Vermögensverzeichnis war bereits vor Erlass der ersten Beschwerdeentscheidung über die Zwangsgeldfestsetzung eingereicht, aber vom Landgericht nicht berücksichtigt worden - selbst in der Sache entschieden hat. Da er infolge des Rechtsfehlers des Landgerichts selbst an dessen Stelle getreten war und das Vormundschaftsgericht zwischenzeitlich durch Verfügung die Ordnungsgemäßheit und Vollständigkeit des Verzeichnisses bestätigt hatte, konnte er über die Berechtigung des festgesetzten Zwangsgeldes selbst entscheiden.

cc) Dem Gedanken, dass das Zwangsgeld im Sinne von § 33 FGG keine Sühne oder Buße für begangene Pflichtwidrigkeiten ist, sondern ausschließlich ein Beugemittel zur Durchsetzung gerichtlicher Anordnungen (vgl. BayObLG FamRZ 1993, 823/824 und 2002, 1434; OLG Köln aaO), kann gleichwohl Rechnung getragen werden: Hält das anordnende Gericht die mit der weiteren Beschwerde des Verpflichteten erteilten Informationen für ausreichend, hat es die Zwangsgeldfestsetzung nach § 18 FGG aufzuheben (vgl. Keidel/Zimmermann § 33 Rn 24). Ist die Auskunft hingegen nicht vollständig erteilt, weist das Gericht den Verpflichteten - gegebenenfalls unter nochmaliger Fristsetzung - hierauf hin. Bleibt diese letztmalige Aufforderung fruchtlos, ist das anordnende Gericht nicht gehindert, das rechtskräftig festgesetzte Zwangsgeld beizutreiben.



Ende der Entscheidung

Zurück