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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 24.11.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 227/04
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1908d Abs. 1
FGG § 69i Abs. 3
Das Vormundschaftsgericht hat über den Fortbestand mit Verlängerung einer laufenden Betreuung nur dann zu entscheiden, wenn ein besonderer Anlass hierzu besteht. Diesen Anlass kann ein Antrag des Betroffenen auf Aufhebung der Betreuung bilden, es können aber auch neue Tatsachen sein, die dem Vormundschaftsgericht zur Kenntnis gelangen und darauf hindeuten, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers weggefallen sein könnten. Schließlich gibt das Herannahen des nach § 69 Abs. 1 Nr. 5 FGG festgesetzten Zeitpunkts Anlass, über die Aufhebung oder Verlängerung der Maßnahme zu entscheiden.
Gründe:

I.

Auf Anregung des Seniorenheims, in dem der Betroffene lebt, bestellte das Amtsgericht am 13.12.2002 für den Betroffenen einen berufsmäßigen Betreuer zur finanziellen Regelung der Heimangelegenheiten, wobei es eine Überprüfung der Betreuung bis spätestens 1.12.2007 vorsah. Auf eine Eingabe des Betroffenen vom 18.4.2004 holte das Amtsgericht ein Attest des Gesundheitsamtes zur Frage der Aufrechterhaltung der Betreuung ein. Am 31.8.2004 entschied es, dass der Aufgabenkreis der Betreuung unverändert bleibt und die Betreuung bis zum 10.8.2009 verlängert wird. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht am 16.9.2004 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die zu Protokoll des Rechtspflegers am Amtsgericht am 12.10.2004 eingelegte weitere Beschwerde des Betroffenen.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Das Landgericht hat die Entscheidung des Amtsgerichts mit der Begründung bestätigt, der Betroffene leide nach der gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen Dr. G. an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis und bedürfe daher zur finanziellen Regelung der Heimangelegenheiten eines Betreuers. Ein weiteres Sachverständigengutachten müsse nicht erholt werden.

2. Das Landgericht hat dabei verkannt, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO, dass eine Entscheidung weder zur Aufrechterhaltung noch zur Verlängerung der Betreuung erforderlich ist.

a) Voraussetzung für die Anordnung einer Betreuung ist, dass ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, also ohne Antrag des Volljährigen und, wie hier, gegen seinen Willen, setzt daneben voraus, dass der Betreute aufgrund seiner Erkrankung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (BVerfGE 22, 180/219 f.; BayObLGZ 1994, 209/211).

Für die Aufhebung der Betreuung (§ 1908d Abs. 1 BGB) genügt es, dass eines der genannten Tatbestandsmerkmale wegfällt. Ein Antrag auf Aufhebung kann daher nur abgelehnt werden, wenn alle genannten Voraussetzungen noch vorliegen (vgl. BayObLG FamRZ 1995, 1519). Für das Verfahren über einen Antrag auf Aufhebung der Betreuung gilt § 12 FGG, besondere verfahrensrechtliche Vorschriften bestehen nicht (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 1602; 1998, 323). Ein neues Gutachten ist danach in diesem Verfahren einzuholen, wenn ein zeitnahes Gutachten nicht vorliegt (vgl. OLG Frankfurt am Main FamRZ 1992, 859) oder gewichtige Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass sich die Tatsachengrundlage eines früheren Gutachtens erheblich verändert hat (vgl. Senatsentscheidung vom 9.4.2002, 3Z BR 65/02 = FamRZ 2003, 115 [LS]).

Für die Entscheidung über die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers sind die Grundsätze maßgebend, die für die erstmalige Bestellung gelten (§ 69i Abs. 6 Satz 1 FGG; vgl. BayObLG FamRZ 1998, 921). Zur Ermittlung der bereits eingangs genannten Voraussetzungen muss das Gericht grundsätzlich ein Sachverständigengutachten einholen (§ 68b Abs. 1 Satz 1 FGG), wobei das Beschwerdegericht auf vom Amtsgericht eingeholte Gutachten zurückgreifen kann (§ 69g Abs. 5 Satz 4 FGG). Von der erneuten Einholung eines Gutachtens kann abgesehen werden, wenn sich aus der persönlichen Anhörung des Betroffenen und einem ärztlichen Zeugnis ergibt, dass sich der Umfang der Betreuungsbedürftigkeit offensichtlich nicht verringert hat (§ 69i Abs. 6 Satz 2 FGG; BayObLG BtPrax 2004, 148/149).

b) Aus diesen Grundsätzen lässt sich ableiten, dass das Vormundschaftsgericht über den Fortbestand einer laufenden Betreuung nur dann zu entscheiden hat, wenn ein besonderer Anlass hierzu besteht. Diesen Anlass kann ein Antrag des Betroffenen auf Aufhebung der Betreuung bilden, es können aber auch neue Tatsachen sein, die dem Vormundschaftsgericht zur Kenntnis gelangen und darauf hindeuten, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers weggefallen sein könnten. Schließlich gibt das Herannahen des nach § 69 Abs. 1 Nr. 5 FGG festgesetzten Zeitpunkts Anlass, über die Aufhebung oder Verlängerung der Maßnahme zu entscheiden. Vorliegend besteht kein Anlass, über den Fortbestand der bis 1.12.2007 angeordneten Betreuung zu entscheiden.

aa) Die Eingabe des Betroffenen vom 18.4.2004 kann nicht als Antrag auf Aufhebung der Betreuung verstanden werden. Der Betroffene erhebt in dem Schreiben eine Vielzahl von in seinen Augen strafwürdigen Vorwürfen und garniert diese mit dem Zitat strafrechtlicher bzw. strafprozessualer Vorschriften. Lediglich in einem Schlenker führt er aus, dass ihm die Betreuung an die Nerven gehe. Dies kann angesichts der strafrechtlichen Schwerpunkte seiner Eingabe und der oben dargestellten verfahrensrechtlichen Weiterungen nicht als Aufhebungsantrag im Sinne von § 69i Abs. 4 FGG angesehen werden.

bb) Das Vormundschaftsgericht hat auch keinen Anlass, von Amts wegen zu prüfen, ob die Betreuung aufzuheben ist. Die vom Betroffenen eingereichten Schreiben, darunter die Eingabe vom 18.4.2004, sind wirr. Sie deuten darauf hin, dass die im Gutachten vom 29.10.2002 festgestellte psychische Krankheit des Betroffenen noch fortbesteht. Auch das Verhalten des Betroffenen bei der auf den 31.8.2004 angesetzten Anhörung kann so gedeutet werden. Anhaltspunkte in die gegenteilige Richtung liegen nicht vor.

cc) Für die Verlängerung der Betreuung über den bereits bestimmten Zeitraum hinaus bis 10.8.2009 fehlt jede Grundlage.

3. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher aufzuheben. Es bleibt bei der Betreuung, wie sie durch Beschluss des Amtsgerichts vom 13.12.2002 angeordnet wurde.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die eine Aufhebung der Betreuung ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts der erneuten Einholung eines Gutachtens gemäß § 68b Abs. 1 FGG bedurft hätte, da das vorliegende Gutachten vom 29.10.2002 nicht mehr zeitnah war. Die Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 23.7.2004, die auf das Ersuchen des Vormundschaftsgerichts, ein Attest zu erstellen, abgegeben wurde, kann schon deshalb nicht als Sachverständigengutachten in diesem Sinne angesehen werden, weil die zu fordernde Erfahrung des erstellenden Arztes (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 494/495; zum Inhalt vgl. BayObLG FamRZ 2001, 1403/1404) jedenfalls nach Aktenlage nicht festgestellt werden kann.

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