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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.02.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 23/04
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, GVG


Vorschriften:

FGG § 30
FGG § 56g
FGG § 69e
ZPO § 526
ZPO § 568
GVG § 21g
GVG § 21e
1. Der Einzelrichter, dem eine Beschwerdesache der freiwilligen Gerichtsbarkeit übertragen worden ist, kann abweichend von der Beurteilung der Beschwerdekammer die grundsätzliche Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage annehmen und deswegen die weitere Beschwerde wirksam zulassen, wenn eine wesentliche Änderung der Verfahrenslage nach der Übertragung der Sache auf ihn nicht eingetreten ist.

2. Der Übertragungsbeschluss ist nicht zu beanstanden, wenn die Sache "dem Berichterstatter als Einzelrichter" zur Entscheidung übertragen wird, ohne dass dessen Name genannt wird.


Gründe:

I.

Das Amtsgericht bestellte am 31.8.1999 einen Rechtsanwalt als berufsmäßigen Betreuer im Aufgabenkreis Vermögenssorge für den vermögenslosen Betroffenen. Am 17.12.1999 erweiterte es den Aufgabenkreis auf Wohnungsangelegenheiten. Am 18.12.2001 hob es die Betreuung auf.

Der Betreuer erhielt auf seine Abrechnung für den Zeitraum bis 30.11.1999 eine Vergütung und Aufwendungsersatz von zusammen 3046,53 DM, für den Monat Dezember 1999 von 2.567,50 DM und für den Monat April 2001 von 434,08 DM seitens der Staatskasse.

Mit Schriftsatz vom 18.8.2003 beantragte er die Festsetzung von Vergütung und Aufwendungsersatz in Höhe von insgesamt 19.535,27 DM entsprechend 9.988,22 EUR für seine Tätigkeit in den Jahren 2000 und 2001, darunter auch im April 2001.

Das Amtsgericht wies den Antrag am 2.9.2003 mit der Begründung zurück, die Ansprüche seien kraft Gesetzes erloschen. Die vom Betreuer hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht durch den Einzelrichter, dem das Verfahren durch Beschluss der Beschwerdekammer vom 8.1.2004 übertragen worden war, am 12.1.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betreuers.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist sie vom Landgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage gemäß §§ 69e Satz 1, 56g Abs. 5 Satz 2 FGG in den Gründen der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich zugelassen worden.

a) Zwar gilt es allgemein als zweckmäßig, die Zulassung eines (weiteren) Rechtsmittels im Entscheidungssatz auszusprechen; eine Zulässigkeitsvoraussetzung stellt dies jedoch nicht dar. Die Zulassung in den Entscheidungsgründen ist daher ausreichend (vgl. BayObLGZ 2003, 221; Keidel/Kahl FGG 15. Aufl. Vorbem. §§ 19 bis 30 Rn. 30).

b) Ihrer Wirksamkeit steht auch nicht entgegen, dass die Zulassung durch den Einzelrichter ausgesprochen wurde.

aa) Dem Einzelrichter kann das Verfahren zur Entscheidung nur übertragen werden, wenn die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 30 Abs. 1 Satz 3 FGG, § 526 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Andererseits sieht § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG die Zulassung der weiteren Beschwerde nur vor, wenn die zur Entscheidung stehende Frage grundsätzliche Bedeutung hat. Es ist daher widersprüchlich, wenn zunächst das Verfahren auf den Einzelrichter übertragen wird und dieser dann wie hier nur wenige Tage später und ohne dass sich die Sachlage im Geringsten geändert hätte, die weitere Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.

bb) In den Fällen der sofortigen Beschwerde nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung, in denen kraft Gesetzes der (sogenannte originäre) Einzelrichter entscheidet (§ 568 Satz 1 ZPO), gebietet die Annahme grundsätzlicher Bedeutung durch den Einzelrichter die Übertragung der Sache auf den Kollegialspruchkörper (§ 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Ein Absehen davon führt dazu, dass das Gericht als nicht ordnungsgemäß besetzt anzusehen ist, was die Aufhebung seiner Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht zur Folge hat (BGH NJW 2003, 1254/1255 und NJW 2004, 448).

cc) In den Fällen der Berufung, in denen der (sogenannte fakultative) Einzelrichter nur zuständig ist, wenn ihm der Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen wurde (§ 526 Abs. 1 ZPO), ist die Rückübertragung auf den Kollegialspruchkörper wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache jedoch nur nach einer wesentlichen Änderung der Prozesslage möglich (§ 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Deshalb ist es dem Einzelrichter in diesen Fällen erlaubt, das (weitere) Rechtsmittel wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, wenn eine solche wesentliche Änderung nicht eingetreten ist, d.h. die grundsätzliche Bedeutung der Sache durch den übertragenden Kollegialspruchkörper einerseits und den Einzelrichter andererseits lediglich unterschiedlich beurteilt wird (vgl. BGH NJW 2003, 2900/2901). Dies gilt auch in den Fällen der Zulassung einer (weiteren) Beschwerde im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 30 Abs. 1 Satz 3 FGG). Eine wesentliche Änderung der Verfahrenslage ist im vorliegenden Fall zwischen Übertragung auf den Einzelrichter und Entscheidung durch diesen nicht eingetreten.

dd) Die Übertragung auf den Einzelrichter (vgl. dazu grundsätzlich BayObLGZ 2004 Nr. 5) ist schließlich nicht deshalb unwirksam, weil sein Name im Übertragungsbeschluss nicht genannt wird. Der Einzelrichter steht aufgrund des auch für die Beteiligten einsehbaren Geschäftsverteilungsplans des Spruchkörpers fest (§ 21g Abs. 3 und 7, § 21e Abs. 9 GVG). Diese Vorschriften gelten auch für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. Keidel/Meyer-Holz Vorbem. §§ 8-18 Rn. 5). Die Umschreibung, zum Einzelrichter werde der Berichterstatter ernannt, ist deshalb zur Bezeichnung des gesetzlichen Richters (vgl. BGH NJW 1993, 600/601) ausreichend.

2. In der Sache hat die sofortige weitere Beschwerde jedoch keinen Erfolg.

a) Das Landgericht hat ausgeführt, die für die Jahre 2000 und 2001 geltend gemachten Ansprüche auf Vergütung und Aufwendungsersatz seien erst nach Ablauf von 15 Monaten seit dem jeweiligen Tätigwerden für den Betroffenen gerichtlich geltend gemacht worden und daher erloschen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Frage. Eine Belehrungspflicht bestehe insbesondere gegenüber einem Rechtsanwalt nicht.

b) Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

Der Berufsbetreuer eines mittellosen Betroffenen kann die nach § 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB zu bewilligende Vergütung nach Maßgabe des § 1 BVormVG aus der Staatskasse verlangen (§§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1836a BGB). Der Vergütungsanspruch erlischt jedoch, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung beim Vormundschaftsgericht geltend gemacht wird; das Vormundschaftsgericht kann in sinngemäßer Anwendung von § 15 Abs. 3 Satz 1 bis 5 ZSEG eine abweichende Frist bestimmen (§ 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB). Die Frist kann ferner auf Antrag verlängert werden. Der Verlängerungsantrag muss aber vor Fristablauf eingehen. Bei der genannten Frist handelt es sich um eine materielle Ausschlussfrist; der Anspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb der Frist geltend gemacht wird. Entsprechendes gilt für die Geltendmachung von Aufwendungsersatz (§ 1835 Abs. 1 Sätze 3 und 4, Abs. 4 BGB). Eine Wiedereinsetzung in die Ausschlussfrist ist nicht möglich; auf § 15 Abs. 3 Satz 6 ZSEG hat der Gesetzgeber bewusst nicht verwiesen (vgl. i.E. BayObLGZ 2003, 126/128 = FamRZ 2003, 1414/1415; OLG Schleswig FamRZ 2002, 1288; Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1835 Rn. 11, § 1836 Rn. 29; Staudinger/Engler BGB 13. Bearb. § 1835 Rn. 59, § 1836 Rn. 73; HK-BUR/Bauer/ Klie/Rink § 1835 BGB Rn. 3, § 1836 BGB Rn. 8 und 9, § 56g FGG Rn. 11, 12 und 16; Knittel Betreuungsgesetz § 1835 BGB Rn. 15, § 1836 BGB Rn. 43; BT-Drucks. 13/7158 S. 22 und 26/27).

Das Vormundschaftsgericht ist zudem im Regelfall nicht gesetzlich gehalten, einen Berufsbetreuer auf den Fristablauf gesondert hinzuweisen oder ihn vor dem gesetzlich vorgesehenen Verfallen des Anspruchs zu bewahren (OLG Dresden FamRZ 2004, 137). Die Kenntnis der für die Geltendmachung von Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüchen geltenden gesetzlichen Fristen wie auch der mit deren Ablauf verbundenen Rechtsfolgen kann von einem Berufsbetreuer erwartet werden. § 15 Abs. 3 Satz 3 ZSEG, auf den der Betreuer verweist, begründet eine Hinweispflicht für das Gericht nur deshalb, weil im Fall des § 15 Abs. 3 ZSEG der Anspruchsverlust nicht durch den Ablauf einer gesetzlichen Frist eintritt, sondern durch die Versäumung einer durch das Gericht gesetzten Frist. § 1835 Abs. 1 Satz 4, § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB begründen deshalb durch Inbezugnahme von § 15 Abs. 3 Satz 3 ZSEG eine Verpflichtung des Gerichts zur Belehrung über die Folgen einer Fristversäumung nach Wortlaut und Sinn nur für den Fall der Verkürzung oder Verlängerung der Frist durch das Gericht. Die Belehrungspflicht gilt nicht für den "Normalfall", in dem die bereits im Gesetz selbst bestimmte Ausschlussfrist von 15 Monaten zur Anwendung kommt (OLG Frankfurt FamRZ 2002, 193).

Dafür, dass die Berufung der Staatskasse auf die Ausschlussfrist treuwidrig wäre (vgl. OLG Frankfurt aaO), liegen keine Anhaltspunkte vor. Das Schweigen der Rechtspflegerin zu einem Hinweis des Beschwerdeführers auf seine technischen Schwierigkeiten, das der Beschwerdeführer ins Feld führt, vermag allein einen Vertrauenstatbestand nicht zu begründen.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Regelung bestehen nach Auffassung des Senats nicht. Die Befristung der Ansprüche des Betreuers dient im Wesentlichen dem legitimen Interesse der Staatskasse. In erster Linie bezweckt die Regelung, der Gefahr vorzubeugen, dass der Betreuer durch zu langes Zuwarten hohe Ansprüche "auflaufen" lässt, deren Erfüllung die Leistungsfähigkeit des Betroffenen übersteigt und die deshalb infolge von dessen Mittellosigkeit aus der Staatskasse erfüllt werden müssten (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 22/23 und 27). Die "Haftung" der Staatskasse kann aber nicht weiter reichen als entsprechende Verpflichtungen des vermögenden Betroffenen. Die Rechtsstellung des Betreuers wird dabei nicht sachwidrig verschlechtert. Dieser kann den Verlust seiner Ansprüche unschwer vermeiden, indem er sie in regelmäßigen Abständen, etwa jeweils zum Ende eines Jahres, zeitnah geltend macht. Daneben hat der Betreuer die Möglichkeit, vom Vormundschaftsgericht eine abweichende Fristbestimmung zu erwirken. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in geschützte Rechtspositionen des Betreuers ist mit einer solchen Regelung nicht verbunden. Auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) sieht der Senat hier nicht als gegeben an. Es ist kein Grund ersichtlich, wieso der Gesetzgeber gezwungen gewesen wäre, die Ansprüche des Betreuers auf Aufwendungsersatz und Vergütung in gleicher Weise auszugestalten wie etwa Entschädigungen für Sachverständige oder andere Kosten-(Erstattungs-)Ansprüche. Die geregelten Sachverhalte sind nicht identisch (vgl. BayObLGZ 2004 Nr. 5).

Ende der Entscheidung

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