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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.01.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 24/01
Rechtsgebiete: FreihEntzG, FGG, StPO, ZPO


Vorschriften:

FreihEntzG § 5 Abs. 2 Satz 2
FGG § 14
FGG § 70b Abs. 1 Satz 1
FGG § 70b Abs. 3
StPO § 140 Abs. 2
ZPO § 121 Abs. 2
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen im Abschiebungsverfahren ein Rechtsanwalt beizuordnen ist.
Der 3.Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr.Plößl und Dr.Schreieder

am 23.Januar 2001

in der Abschiebungshaftsache

auf die Anträge und die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

I. Der Antrag, dem Betroffenen dessen Verfahrensbevollmächtigten beizuordnen, sowie der Hilfsantrag, für den Betroffenen dessen Verfahrensbevollmächtigten zum Verfahrenspfleger zu bestellen, werden abgelehnt.

II. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen, eines jugoslawischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo.

Mit Beschluss vom 28.11.2000 ordnete das Amtsgericht gegen ihn zur Sicherung seiner Abschiebung mit sofortiger Wirksamkeit Abschiebungshaft bis längstens 28.2.2001 an.

Die vom Betroffenen hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht am 19.12.2000 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde. Ferner beantragt er, ihm seinen Verfahrensbevollmächtigten beizuordnen, hilfsweise diesen für ihn zum Verfahrenspfleger zu bestellen.

1. Die Anträge des Betroffenen, ihm seinen Verfahrensbevollmächtigten beizuordnen bzw. als Verfahrenspfleger zu bestellen, sind abzulehnen.

Nach der vom Betroffenen als Rechtsgrundlage angeführten strafprozessualen Bestimmung des § 140 Abs. 2 StPO, die sich als Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausgestaltung als Gebot fairer Verfahrensführung darstellt (BVerfG NJW 1986, 767/771), wird dem Beschuldigten ein Verteidiger unter anderem dann bestellt, wenn ersichtlich ist, dass er sich nicht selbst verteidigen kann.

Um dem Gebot fairer Verfahrensführung in Abschiebungshaftsachen gebührend Rechnung zu tragen, bedarf es keiner analogen Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO. Entsprechender Schutz wird bereits durch das Rechtsinstitut der Prozesskostenhilfe gewährt (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 14 FGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO). Dieses sieht gemäß § 121 Abs. 2 ZPO die Beiordnung eines Rechtsanwalts vor, wenn die Vertretung durch einen solchen erforderlich erscheint. Einen Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe hat der Betroffene jedoch nicht gestellt.

Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen dem Betroffenen eines Abschiebungshaftverfahrens ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist, kann dahinstehen, weil der Betroffene hier in der Person seines Verfahrensbevollmächtigten bereits von einem Rechtsanwalt-vertreten wird (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 FreihEntzG; § 70b Abs. 3 FGG).

2. Die zulässige sofortige weitere Beschwerde hat keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO). Das Landgericht hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt verfahrensfehlerfrei festgestellt und ohne Rechtsfehler gewürdigt. Die den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 ZPO) tragen die vom Betroffenen beanstandete Haftanordnung.

Die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Landgericht habe den Betroffenen pflichtwidrig nicht persönlich angehört, greift nicht durch. Von der auch in der Beschwerdeinstanz grundsätzlich gebotenen mündlichen Anhörung des Betroffenen (§ 5 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs.5 FreihEntzG; vgl. BayObLGZ 1999, 12/13 m.w.N.) durfte das Landgericht im vorliegenden Fall ausnahmsweise absehen, da ohne weiteres davon ausgegangen werden konnte, dass sie zur Aufklärung des Sachverhalts nichts beitragen werde (vgl. BGH NJW 1995, 2226; BayObLG aaO).

Die Rüge, dass das Landgericht über die Erstbeschwerde entschieden habe, ohne dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen zuvor Akteneinsicht gewährt zu haben, ist zwar berechtigt, da das Landgericht hierdurch den auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beachtenden Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art.103 Abs. 1 GG; BVerfG NJW 1994, 1053) verletzt hat. Auf diesem Verfahrensfehler beruht die angefochtene Entscheidung jedoch nicht. Der Betroffene, dessen Verfahrensbevollmächtigter die Akten inzwischen einsehen konnte, hat nicht dargelegt, was er vorgetragen hätte, wenn die Akteneinsicht rechtzeitig gewährt worden wäre (vgl. Keidel/Kayser FGG 14.Aufl. § 12 Rn. 152).

Die Begründung der Beschwerdeentscheidung zu den Haftgründen des § 57 Abs. 2 Satz 1 NRn. 2 und 5 AuslG ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte sich der Betroffene, nachdem die ihm gesetzte Ausreisefrist mit dem 12.12.1999 abgelaufen war, seit etwa Mitte Januar 2000 bis zu seiner zufälligen Festnahme am 27.11.2000 verborgen gehalten. Dieses Verhalten erfüllt nicht nur die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr.2 AuslG, sondern rechtfertigt auch die Annahme des begründeten Verdachts, der Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen (vgl. BGH NJW 1995, 1898; BayObLGZ 1995, 17/21).

Hinderungsgründe stehen der Haftanordnung nicht entgegen.

Ende der Entscheidung

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