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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.04.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 255/03
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 69f
FGG § 69g
Da es im Verfahren der vorläufigen Betreuerbestellung nicht des vollen Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen bedarf, können glaubhaft gemachte Tatsachen auch dann verwertet werden, wenn der Betroffene sie bestreitet. Das gilt auch im Beschwerdeverfahren, auf das die erstinstanzlichen Verfahrensvorschriften entsprechend anwendbar sind.
Gründe:

I.

Auf ärztliche Anregung ordnete das Vormundschaftsgericht am 30.9.2003 die Vorführung des Betroffenen zur Untersuchung in einem Bezirkskrankenhaus zum Zweck der Feststellung seiner Betreuungsbedürftigkeit an. Nach seiner Einlieferung am folgenden Tag stimmte der Betroffene zunächst einem freiwilligen Aufenthalt im Bezirkskrankenhaus für die Dauer einer Woche zu. Einen längeren Aufenthalt lehnte er ab mit der Begründung, er sei gesund.

Die behandelnden Ärzte regten am 10.10.2003 an, die geschlossene Unterbringung des Betroffenen für die Dauer von sechs Wochen vorläufig zu genehmigen. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen leide der Betroffene mit großer Wahrscheinlichkeit an einer wohl schon chronifizierten psychischen Erkrankung. Werde diese nicht behandelt, sei mit einer Verschlechterung auch im Sinne einer Selbst- bzw. Fremdgefährdung zu rechnen.

Das Vormundschaftsgericht ordnete am selben Tag die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis längstens 21.11.2003 an.

Mit Beschluss vom 14.10.2003 bestellte es durch einstweilige Anordnung die vorläufige Betreuerin im Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung sowie Gesundheitsfürsorge, jeweils für nervenärztliche Behandlung. Die einstweilige Anordnung wurde bis 10.4.2004 befristet, ihre sofortige Wirksamkeit angeordnet.

Hiergegen legte der Betroffene Beschwerde ein und beantragte die Beiordnung von Rechtsanwalt R. im Wege der Prozesskostenhilfe.

Nach persönlicher Anhörung des Betroffenen durch die beauftragte Richterin hat das Landgericht mit Beschluss vom 5.11.2003 die Beschwerde sowie den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Betroffenen, der am 21.11.2003 aus dem Bezirkskrankenhaus entlassen wurde. Der Betroffene beantragt auch für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozesskostenhilfe.

II.

Die weitere Beschwerde ist unzulässig, soweit das Landgericht die beantragte Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten im Wege der Prozesskostenhilfe abgelehnt hat. Im Übrigen ist sie zulässig, aber unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Zum Zeitpunkt seiner Entscheidung hätten dringende Gründe für die Annahme bestanden, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers gegeben seien.

Nach den Ausführungen der behandelnden Ärzte im Zeugnis vom 10.10.2003 liege bei dem Betroffenen mit großer Wahrscheinlichkeit eine schizo-affektive Störung vor. Der Betroffene - der allerdings diese Vorgänge bestreite - habe nach Angabe seiner Eltern vor der Einlieferung damit gedroht, diese und sich selbst umzubringen und das Haus anzuzünden. Ferner habe er mehrfach Einrichtungsgegenstände zerstört. Außerdem habe er in verschiedenen Äußerungen während seines bisherigen Klinikaufenthaltes formale Denkstörungen sowie in deutlicher Weise verminderte Kritik- und Urteilsfähigkeit gezeigt. Auch seien Auffälligkeiten der Hirnstrommessung und die Fehlstellung des linken Auges Anzeichen für eine psychische Erkrankung.

Zwar hätten sich nach Angabe der behandelnden Ärztin bei der persönlichen Anhörung am 29.10.2003 die Anhaltspunkte für diese Diagnose nicht weiter erhärtet. Jedoch hätten sich während des bisherigen Aufenthaltes des Betroffenen Verhaltensauffälligkeiten gezeigt mit Auswirkungen auf Denken, Logik und Argumentation.

Die Kammer halte im Hinblick auf die Sachkunde der Ärztin, die Vorgeschichte sowie auf die bereits bei der vormundschaftsgerichtlichen Anhörung zu Tage getretenen Wahnideen des Betroffenen nach wie vor den dringenden Verdacht einer psychischen Erkrankung für gegeben.

Auch die Anordnung der vorläufigen Betreuung habe sich als notwendig erwiesen. Da sich der Betroffene für gesund halte, lehne er die notwendige medikamentöse Behandlung ab. Insoweit sei krankheitsbedingt seine freie Willensbildung ausgeschlossen. Der auf den Zweck der nervenärztlichen Behandlung beschränkte Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung sei zur Sicherstellung der Behandlung des Betroffenen erforderlich. Wegen der mit einem Aufschub der Behandlung verbundenen Gefahr sei auch eine einstweilige Anordnung gerechtfertigt gewesen.

Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts R. habe die Kammer nicht stattgegeben, weil eine anwaltliche Vertretung nicht erforderlich sei. Bei der persönlichen Anhörung sei der Betroffene gegenüber der beauftragten Richterin redegewandt, intelligent und überzeugungskräftig aufgetreten; auch verfüge er nach bereits zweijährigem rechtswissenschaftlichen Studium in Wien über juristische Kenntnisse.

2. Soweit das Landgericht die Beiordnung des von dem Betroffenen mandatierten Verfahrensbevollmächtigten im Wege der Prozesskostenhilfe abgelehnt hat, ist die weitere Beschwerde unzulässig.

Die Beschwerde im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gegen eine Entscheidung des Landgerichts, welche die Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren versagt, war bereits vor Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes vom 27.7.2001 (BGBl. I S. 1887) nicht statthaft (BayObLGZ 1991, 414). Auch nach neuer Rechtslage ist das vorliegende Rechtsmittel unzulässig. Nach § 14 FGG finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechende Anwendung. Dies bedeutet, dass für die Statthaftigkeit von Rechtsmitteln die Vorschriften der ZPO und im Übrigen die Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten (vgl. BayObLGZ 2002, 147/148). Sonach ist die Erstbeschwerde im Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe dann nicht statthaft, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden hat. Statthaft ist in solchen Fällen nur mehr die Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO, sofern sie das Beschwerdegericht zugelassen hat (BayObLG aaO). Das Landgericht hat die Rechtsbeschwerde hier jedoch nicht zugelassen. Das Schweigen des angefochtenen Beschlusses ist in Fällen dieser Art als Nichtzulassung auszulegen (BayObLGZ 1999, 121/122). Eine Nichtzulassungsbeschwerde sieht das Gesetz nicht vor. Deshalb ist das eingelegte Rechtsmittel der Beschwerde unzulässig und war zu verwerfen.

3. Auch soweit das Rechtsmittel sich gegen die Bestellung eines vorläufigen Betreuers wendet, bleibt es ohne Erfolg.

Das Landgericht durfte bei einer Gesamtwürdigung der im Zeitpunkt seiner Entscheidung erkennbaren Umstände ohne Rechtsfehler die Voraussetzungen einer vorläufigen Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung sowie der Gesundheitsfürsorge zum Zweck der nervenärztlichen Behandlung bejahen.

Dass die getroffenen Feststellungen der behandelnden Stationsärztin des Bezirkskrankenhauses, deren Sachkunde außer Zweifel steht, noch keine sichere Diagnose des Krankheitsbildes ermöglichten, steht dem nicht entgegen. Sowohl in die ärztlichen Befunderhebungen als auch in die richterliche Würdigung durfte jedenfalls die Vorgeschichte einbezogen werden, die Anlass zur Einleitung des Betreuungsverfahrens gab. Hierbei bedarf es im Verfahren über eine vorläufige Betreuerbestellung nicht des vollen Beweises; grundsätzlich genügt die Glaubhaftmachung entscheidungserheblicher Tatsachen (Keidel/ Kayser FGG 15.Aufl. § 69f Rn.9). Das gilt auch für die Beschwerdeinstanz, für welche die Vorschriften über den ersten Rechtszug entsprechend anwendbar sind (§ 69g Abs.5 Satz 1 FGG). Das Landgericht konnte somit die schriftlichen Angaben der Eltern über das krankhafte Verhalten des Betroffenen vor dem Beginn seiner Unterbringung verwerten, auch wenn er selbst die Vorfälle bestritten hat, ohne dass es einer förmlichen Vernehmung der Eltern oder gar einer Gegenüberstellung bedurfte. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Kammer in ihre Würdigung die offenbar wahnhaften Vorstellungen des Betroffenen über verschiedentliche vermeintliche Einflussnahmen auf das Verfahren einbezogen hat, die dieser bei der ersten richterlichen Anhörung am 10.10.2003 geäußert hatte.

Jedenfalls hat das Landgericht für den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung beanstandungsfrei den konkreten Verdacht festgestellt, dass bei dem Betroffenen eine psychische Krankheit vorliege, die zur Vermeidung einer drohenden Chronifizierung behandlungsbedürftig sei. Auch erschien nach den ärztlichen Feststellungen und den wiederholten persönlichen Anhörungen des Betroffenen der Eindruck gerechtfertigt, dass diesem die Einsicht in seine Krankheit und deren Behandlungsbedürftigkeit fehlte und damit eine freie Willensbildung im Hinblick auf die Inanspruchnahme einer notwendigen Therapie nicht möglich war.

Das Landgericht hat damit zutreffend dringende Gründe i.S.v. § 69f Abs. 1 Nr. 1 FGG bejaht für die Annahme, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers gegeben seien und mit dem Aufschub Gefahr verbunden wäre. Damit ist die mit der angefochtenen einstweiligen Anordnung des Erstgerichts verfügte Bestellung einer vorläufigen Betreuerin nicht zu beanstanden.

Somit konnte auch die weitere Beschwerde keinen Erfolg haben.

4. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf § 14 FGG, § 114, § 119 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 2 ZPO.



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