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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.02.2004
Aktenzeichen: 3Z BR 258/03
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 69g Abs. 1
FGG § 69f Abs. 1
1. Auch wenn ein Betreuer endgültig bestellt wird, nachdem er zuvor schon vorläufig bestellt war, kann eine nach § 69g Abs. 1 Satz 1 FGG beschwerdeberechtigte Person die Entscheidung mit dem Ziel anfechten, selbst zum Betreuer bestellt zu werden.

2. Zur Abgrenzung eines Antrags auf Entlassung des Betreuers von der Beschwerde gegen die erstmalige Betreuerbestellung seitens eines nahen Verwandten des Betroffenen.


Gründe:

I.

Das Amtsgericht bestellte für den Betroffenen am 20.3.2003 vorläufig und am 8.5.2003 endgültig auf die Dauer von fünf Jahren eine berufsmäßige Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge sowie Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern.

Am 22.8.2003 legte die Schwester des Betroffenen, die weitere Beteiligte, gegen den "Betreuerbeschluss" Beschwerde mit dem Ziel ein, selbst als Betreuerin für ihren Bruder bestellt zu werden.

Der Betroffene erklärte am 9.9.2003 telefonisch gegenüber der zuständigen Behörde, er möchte auf gar keinen Fall seine Schwester als Betreuerin haben, mit der vom Gericht bestellten Betreuerin sei er im Großen und Ganzen einverstanden, diese solle die Betreuung weiterführen.

Das Landgericht wies die Beschwerde am 17.11.2003 zurück. Hiergegen wendet sich die weitere Beteiligte mit ihrer weiteren Beschwerde.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Erstbeschwerde als zulässig angesehen hat. Ein Beschwerderecht der Schwester des Betroffenen besteht, wenn die erstmalige Betreuerbestellung, und sei es lediglich mit der Zielrichtung, selbst zur Betreuerin bestellt zu werden, angefochten wird. Es besteht hingegen nicht, wenn während laufender Betreuung ein Betreuerwechsel, der die Entlassung des bisherigen Betreuers beinhaltet, abgelehnt und gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt wird (§ 69g Abs. 1 Satz 1 FGG; vgl. BGHZ 132, 157/159 = NJW 1996, 1825).

a) Durch den mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss vom 8.5.2003 hat das Amtsgericht die schon mit Beschluss vom 20.3.2003 vorläufig bestellte Betreuerin in ihrem Amt bestätigt. Gleichwohl gelten für die Auswahl des Betreuers die Vorschriften über die Neubestellung. Dies wurde für den Fall der Verlängerung der Betreuung im Regelverfahren schon entschieden (vgl. BayObLG NJWE-FER 2001, 234; SchlHOLG FGPrax 1998, 105; OLG Hamm FGPrax 2000, 196). Für den Fall, dass nach Anordnung einer vorläufigen Betreuung (§ 69f Abs. 1 und 2 FGG) endgültige Betreuung unter Beibehaltung desselben Betreuers angeordnet wird, muss dies erst recht gelten. Hier sind erstmals sämtliche Voraussetzungen und Kriterien für die Bestellung und Auswahl eines Betreuers lückenlos und eingehend zu prüfen; der vorläufige Betreuer ist auch meist noch nicht so lange tätig, wie der Betreuer nach Ablauf einer Regelbetreuungsperiode, so dass es nicht einzusehen wäre, wenn die Wiederbestellung des ersteren unter engeren Voraussetzungen anfechtbar wäre als die des letzteren.

b) Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 8.5.2003 wurde erst am 22.8.2003 eingelegt. Da das Rechtsmittel nicht fristgebunden ist (§ 69g Abs. 4 FGG), war dies zu diesem Zeitpunkt auch noch möglich. Allerdings ist das Zeitmoment ein nicht unerhebliches Auslegungskriterium für die Abgrenzung zwischen Anfechtung der Bestellung und Antrag auf Entlassung des Betreuers (vgl. BayObLG FamRZ 2003, 784/785). Hätte der Betroffene selbst erst über drei Monate nach der endgültigen Betreuerbestellung einen in der Zielrichtung gleichen Rechtsbehelf zu Protokoll gegeben, wäre angesichts seines bisherigen Einverständnisses mit der Person des Betreuers die Auslegung, es handle sich um einen Antrag auf Entlassung und Neubestellung, nahe gelegen. Für das Begehren eines nahen Verwandten wird dies grundsätzlich entsprechend gelten müssen. Die weitere Beteiligte war jedoch am Verfahren der Betreuerbestellung nicht beteiligt. Es kann daher nicht unterstellt werden, dass sie zunächst mit der Person der Betreuerin einverstanden gewesen sei und erst nach gewissem Zeitablauf einen Änderungswunsch vorgebracht habe. Somit kann davon ausgegangen werden, dass es sich hier tatsächlich um die Anfechtung der erstmaligen Betreuerbestellung handelt.

2. In der Sache hat die Entscheidung des Landgerichts ebenfalls Bestand.

a) Das Landgericht hat im Wege der Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts wie das Amtsgericht auf die Ungeeignetheit der weiteren Beteiligten als Betreuerin abgestellt. In mehreren Telefongesprächen sei zutage getreten, so das Amtsgericht, dass diese sehr weitschweifig sei, fortlaufend vom Thema abweiche und sich auch durch mehrmaliges Nachhaken nicht auf den Ausgangspunkt des Gesprächs zurückbringen lasse. Es bestünden bei ihr Verfolgungsideen, insbesondere die, der Betroffene sei von einem Arzt vor Jahren krankgespritzt worden. Sie scheine selbst psychisch äußerst angespannt zu sein.

Daneben führte das Landgericht aus, der Betroffene habe seine Schwester als Betreuerin abgelehnt.

b) Diese Ausführungen sind rechtlich nicht zu beanstanden (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

aa) Zum Betreuer bestellt das Vormundschaftsgericht eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen (§ 1897 Abs. 1 BGB). Schlägt der volljährige Betreute niemanden vor, der zum Betreuer bestellt werden kann, so ist bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Betreuten, insbesondere auf die Bindungen zu Eltern, zu Kindern, zum Ehegatten und zum Lebenspartner, sowie auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen (§ 1897 Abs. 5 BGB). Schlägt der Betroffene vor, eine bestimmte Person nicht zu bestellen, soll hierauf ebenfalls Rücksicht genommen werden (§ 1897 Abs. 4 Satz 2 BGB). Ein Berufsbetreuer soll nur bestellt werden, wenn kein ehrenamtlicher Betreuer zur Verfügung steht (§ 1897 Abs. 6 Satz 1 BGB).

Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Auswahlentscheidung des Tatrichters, die dessen pflichtgemäßem Ermessen obliegt, nur auf Rechtsfehler überprüfen, nämlich dahin, ob der Tatrichter von seinem Ermessen keinen oder einen rechtlich fehlerhaften, insbesondere Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 1589 m.w.N.; Jansen FGG 2. Aufl. § 27 Rn. 23). Danach ist insbesondere zu prüfen, ob der Tatrichter die im Einzelfall wesentlichen Auswahlkriterien herangezogen und bei der Abwägung die im Gesetz vorgesehenen Regeln für deren Gewichtung und Verhältnis zueinander beachtet hat.

bb) Nach diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht maßgebend auf die Frage der Eignung der weiteren Beteiligten und den Wunsch des Betroffenen, seine Schwester nicht zur Betreuerin zu bestellen, abstellt und dabei im Ergebnis dem Wunsch des Betroffenen den Vorrang einräumt. Es verkennt nicht, dass die genannte verwandtschaftliche Bindung in seine Erwägungen einzubeziehen ist. Es durfte im Rahmen der Abwägung aber berücksichtigen, dass der Betroffene die weitere Beteiligte als Betreuerin ablehnt (§ 1897 Abs. 4 Satz 2 BGB) und dass verschiedene Umstände gegen deren Eignung als Betreuerin sprechen, ein Berufsbetreuer also wesentlich geeigneter erscheint. Bei dieser Sachlage durfte es ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass die Bestellung der Berufsbetreuerin den Vorzug verdient.

Die Tatsachen, die das Gericht im Rahmen der Abwägung insoweit herangezogen hat, gehen aus den Akten hervor. So finden sich Feststellungen des Amtsgerichts zur Persönlichkeit der weiteren Beteiligten, die diese als wenig geeignet für die Betreuung erscheinen lassen. Hinzu kommt der Inhalt eines von der weiteren Beteiligten abgefassten Schreibens, das von ihrem Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 24.9.2003 vorgelegt wurde und ebenfalls darauf hindeutet, dass der weiteren Beteiligten mehr an der Aufarbeitung Jahre zurückliegender Ereignisse gelegen ist. Schon darauf konnte das Landgericht seine Einschätzung stützen, dass die weitere Beteiligte weniger geeignet sei, die Betreuung zu führen.

Es kommt hinzu, dass das Landgericht im Parallelverfahren betreffend die Betreuung der Mutter des Betroffenen und der weiteren Beteiligten (Az. des Amtsgerichts: XVII 265/03) am 30.10.2003 eine persönliche Anhörung durchgeführt hat, bei der es sich zusätzlich ein unmittelbares Bild von der Persönlichkeit der weiteren Beteiligten machen konnte. Insoweit war eine erneute Anhörung der weiteren Beteiligten zum Zweck der Tatsachenfeststellung (§ 12 FGG) im vorliegenden Verfahren nicht geboten (§ 291 ZPO analog; Keidel/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rn. 200). Aus den Akten ergibt sich ferner die Ablehnung der weiteren Beteiligten als Betreuerin durch den Betroffenen, der im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen erhebliches Gewicht zukommt (vgl. Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1897 BGB Rn. 39). Die zuständige Behörde teilte diesen Inhalt eines am 9.9.2003 mit dem Betroffenen geführten Telefongesprächs mit Schreiben vom selben Tage dem Amtsgericht mit. Das Landgericht konnte diesem Beweismittel trauen (vgl. Keidel/Schmidt aaO Rn. 196 und 197). Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die zu Zweifeln an der Richtigkeit der Wiedergabe der mitgeteilten Äußerung des Betroffenen Anlass geben könnten. Daher war auch eine erneute persönliche Anhörung des Betroffenen unter dem Gesichtspunkt der Tatsachengewinnung (siehe oben) nicht erforderlich.

c) Auch war eine erneute persönliche Anhörung des Betroffenen durch das Landgericht im Übrigen (§ 68 Abs. 1 Satz 1, § 69g Abs. 5 Satz 1 FGG) nicht notwendig. Der Betroffene war vom Amtsgericht (vermutlich am 8.5.2003) ausweislich des am 20.5.2003 vom Tonträger übertragenen Protokolls persönlich angehört worden. Er erklärte demzufolge am Ende dieser Anhörung, mit der vorgesehenen Berufsbetreuerin einverstanden zu sein. Nachdem er am 9.9.2003 die Bestellung seiner Schwester zur Betreuerin abgelehnt hat, konnte das Landgericht davon ausgehen, dass von einer erneuten Vornahme der persönlichen Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zur Frage der Bestellung der weiteren Beteiligten zu erwarten waren (§ 69g Abs. 5 Satz 3 FGG).

3. Prozesskostenhilfe: § 14 FGG, § 114 ZPO

Geschäftswert: § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 2 und 3 KostO

Kosten: Der Senat sieht im vorliegenden Fall keinen Anlass, anzunehmen, dass die weitere Beschwerde im Interesse des Betroffenen eingelegt wurde (§ 131 Abs. 3 KostO).

Ende der Entscheidung

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