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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.10.2000
Aktenzeichen: 3Z BR 265/00
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 398
BGB § 1829
FGG § 20 Abs. 11
FGG § 34
FGG § 55
FGG § 62
1. Wird die Abtretung einer Forderung vormundschaftsgerichtlich genehmigt, hat der Schuldner der Forderung hiergegen kein Beschwerderecht.

2. Das Vormundschaftsgericht handelt nicht ermessensfehlerhaft, wenn es dem Schuldner in einem solchen Fall die Einsicht in die Betreuungsakten versagt.


BayObLG Beschluß

LG Ingolstadt 1 T 610/00; AG Ingolstadt XVII 147/98

3Z BR 265/00

11.10.00

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Nitsche und Fuchs

am 11. Oktober 2000

in der Betreuungssache

auf die weitere Beschwerde des Beteiligten

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Ingolstadt vom 12. April 2000 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Für den Betroffenen ist ein Betreuer u.a. mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge bestellt. Der Beteiligte ist Rechtsanwalt. Er hatte den Betroffenen in verschiedenen Rechtsangelegenheiten vertreten. Mit Vereinbarung vom 16./18.12.1999 trat der Betroffene etwaige Ansprüche gegen den Beteiligten aus dessen anwaltlicher Tätigkeit an seine frühere Betreuerin (Ehefrau) ab. Am 21.1.2000 genehmigte das Amtsgericht die Abtretung vormundschaftsgerichtlich. Der Beteiligte legte hiergegen Beschwerde ein und beantragte Akteneinsicht. Das Amtsgericht lehnte diesen Antrag am 16.3.2000 ab.

Mit Beschluss vom 12.4.2000 hat das Landgericht die Beschwerde des Beteiligten gegen die Genehmigung als unzulässig verworfen und dessen Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von Akteneinsicht zurückgewiesen.

Dagegen wendet sich der Beteiligte mit der weiteren Beschwerde.

II.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Die Unstatthaftigkeit der Erstbeschwerde nach § 62 FGG steht der Statthaftigkeit der weiteren Beschwerde nicht entgegen (BayObLGZ 1988, 367; Keidel/Engelhardt FGG 14. Aufl. § 63 Rn. 5). Die Beschwerdebefugnis ergibt sich bereits aus der Zurückweisung der Erstbeschwerde (BayObLGZ 1998, 195; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 27 FGG Rn. 7).

2. Das Landgericht hat ausgeführt, die Beschwerde gegen die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung sei unzulässig. Es fehle an der Beschwerdeberechtigung. Eine im Betreuungsverfahren unbeteiligte Person sei nicht beschwerdebefugt. Im übrigen sei die Genehmigung der Ehefrau des Betroffenen gegenüber wirksam geworden und damit gemäß § 55 FGG unabänderlich. Darüber hinaus sei die Genehmigung auch sachlich nicht zu beanstanden.

Der Antrag auf Einsicht in die Gerichtsakten sei zu Recht abgelehnt worden. Dass die vormundschaftsgerichtlich genehmigte Abtretung in einem Rechtsstreit gegen ihn verwendet werde, begründe noch kein berechtigtes Interesse auf Akteneinsicht. Sonst müsste einem Schuldner im Falle einer Forderungsabtretung Einsicht in die Unterlagen des jeweiligen Prozessgegners gewährt werden. Da es sich um Betreuungsakten handele, in die der Beteiligte Einsicht begehre, überwiege das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen das Interesse des Beteiligten an der Gewährung von Akteneinsicht.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.

a) Zu Recht hat das Landgericht die Beschwerdeberechtigung des Beteiligten, soweit er sich gegen die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Abtretung wendet, verneint. Der Beteiligte wird durch die Genehmigung der Abtretung nicht in seinen Rechten nach § 20 Abs. 1 FGG beeinträchtigt.

aa) Recht in diesem Sinne ist jedes dem Beschwerdeführer durch die Rechtsordnung zuerkannte und von der Staatsgewalt geschützte private oder öffentliche subjektive Recht (vgl. BGH NJW 1997, 1855; BayObLGZ 1998, 82/84), dagegen nicht schon ein rechtliches oder berechtigtes (wirtschaftliches, ideelles oder sonstiges) Interesse (vgl. BayObLG aaO). Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn die angefochtene Entscheidung unmittelbar nachteilig in die Rechtsstellung des Beschwerdeführers eingreift, indem sie dessen Recht aufhebt, beschränkt, mindert oder gefährdet, die Ausübung des Rechts stört oder erschwert oder eine Verbesserung der Rechtsstellung vorenthält (BayObLG aaO).

bb) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. BayObLGZ 1964, 240/242) wird der Schuldner durch die Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung schon deshalb nicht in seinem Recht gemäß § 20 Abs. 1 FGG beeinträchtigt, weil der Betroffene an die Genehmigung nicht gebunden ist. Sie bewirkt lediglich, dass der gesetzliche Vertreter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen entscheiden kann, ob er die ihm erteilte Genehmigung dem anderen Teil mitteilen und dadurch den Vertrag wirksam machen will. Dem gesetzlichen Vertreter ist es unbenommen, von der Genehmigung keinen Gebrauch zu machen. Teilt der Vertreter die Genehmigung nicht mit, wird der Vertrag nicht wirksam mit der Folge, dass eine Beeinträchtigung des Vertragspartners oder Dritter nicht eintritt. Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr entschieden (Rpfleger 2000, 205/208), dass bereits vor der Erteilung der Genehmigung eine gerichtliche Überprüfung ermöglicht werden muß, damit den Beteiligten durch die Mitteilung der Genehmigung und die damit folgende Unanfechtbarkeit (§§ 55, 62 FGG) nicht jeglicher Rechtsschutz genommen wird.

cc) Zutreffend geht das Landgericht aber davon aus, dass durch die Genehmigung der Abtretung eigene Rechte des Schuldners nicht betroffen sind. Die Genehmigung ist ein Wirksamkeitserfordernis der Abtretung (§ 1829 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Abtretung erfolgt durch bloße Einigung zwischen Zedent und Zessionar. Die Mitwirkung des Schuldners ist nicht erforderlich; er muss nicht einmal gehört werden. Der Schuldner muss sich jederzeit ein Auswechseln seines Gläubigers gefallen lassen (MünchKomm/Roth BGB 3. Aufl. § 398 Rn. 3). Nach der gesetzlichen Regelung ist er vor einer Abtretung nicht geschützt und wird durch sie deshalb nicht in seinen Rechten im Sinne des § 20 Abs. 1 FGG beeinträchtigt.

b) Zu Recht hat das Landgericht auch ein Akteneinsichtsrecht für den Beteiligten abgelehnt.

aa) Die Gewährung von Akteneinsicht setzt gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 FGG ein berechtigtes Interesse des Antragstellers voraus. Ein solches liegt nach allgemeiner Ansicht schon dann vor, wenn der Antragsteller ein vernünftiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse glaubhaft macht. Ein berechtigtes Interesse ist in der Regel gegeben, wenn ein künftiges Verhalten des Antragstellers durch die Kenntnis vom Akteninhalt beeinflußt werden kann (BayObLGZ 1995, 1/4.).

bb) Das Landgericht hat das Vorliegen eines berechtigten Interesses verneint. Ob dies zu Recht erfolgt, ist, kann offenbleiben. Denn das Landgericht ist in seiner Hilfsbegründung zutreffend davon ausgegangen, dass es auch bei Vorliegen eines berechtigten Interesses nach seinem pflichtgemäßen Ermessen über die Gewährung von Akteneinsicht zu entscheiden hat (vgl. BayObLG FamRZ 1990, 1124/1125 m.w.N.). Dabei war das vom Beteiligten geltend gemachte Interesse an der begehrten Akteneinsicht gegen das Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung abzuwägen (vgl. BayObLG aaO). Es handelte sich um eine Entscheidung, die vom Rechtsbeschwerdegericht nur eingeschränkt nachgeprüft werden kann, nämlich dahin, ob der Tatrichter von seinem Ermessen keinen oder einen rechtlich fehlerhaften, Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (BayObLG aaO und BayObLGZ 1980, 421/425; Keidel/Kayser FGG 1.4. Au fl. § 27 Rn. 27 in.w.N.).

Die Erwägungen des Landgerichts lassen einen Ermessensfehler nicht erkennen. Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass die Betreuungsakten höchstpersönliche Daten über die Lebensverhältnisse des Betroffenen enthalten, an deren Geheimhaltung der Betroffene interessiert ist. Demgegenüber durfte das Landgericht das Interesse des Beteiligten an den Umständen, wie es zur Abtretung gekommen ist, als gering ansehen. Wie bereits ausgeführt, hat das Gesetz die Position des Schuldners im Falle der Abtretung einer Forderung schwach ausgestaltet. Er muss die Abtretung hinnehmen, ohne sich dagegen wehren zu können. Zum Ausgleich dafür stellt das Gesetz sicher, dass der Schuldner aus der Abtretung keine Rechtsnachteile erleidet (vgl. §§ 404, 406 bis 410; MünchKomm aaO). Zweifel über die Wirksamkeit schaden ihm nicht. Zeigt der Gläubiger dem Schuldner die Abtretung an, so kann sich dieser auf die Richtigkeit der Abtretungsanzeige verlassen (§ 409 BGB). Im Übrigen kann er die Abtretung mit Nichtwissen bestreiten und dadurch den Nachweis des Vorliegens der Abtretungsvoraussetzungen erzwingen.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde bestimm sich nach § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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