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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.03.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 28/01
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1836
FGG § 56g
Das Vormundschaftsgericht kann im Verfahren nach § 56g FGG auch nach dem Tod des Betreuten eine noch ausstehende Vergütung festsetzen.
Bayerisches Oberstes Landesgericht BESCHLUSS

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Plößl und Dr. Schreieder

am 14. März 2001

in der Betreuungssache

pp.

auf die sofortige weitere Beschwerde der ehemaligen Betreuerin

beschlossen:

Tenor:

I. Der Beschluß des Landgerichts Landshut vom 22. Dezember 2000 wird aufgehoben, soweit er die Ablehnung der Festsetzung einer Vergütung der ehemaligen Betreuerin für die von ihr in der Zeit vom 9. Juli 1999 bis 25. Februar 2000 geleisteten Tätigkeiten betrifft. Mitaufgehoben wird die Kostenentscheidung.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Landshut zurückverwiesen.

III. Im übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Landshut vom 22. Dezember 2000 verworfen.

I.

Mit Beschluß vom 17.2.1999 bestellte das Amtsgericht für die vermögende Betroffene eine Berufsbetreuerin.

Am 13.2.2000 verstarb die Betroffene. Beerbt wurde sie von den weiteren Beteiligten.

Unter Bezugnahme auf frühere Anträge vom 25.1.2000 und 25.2.2000 beantragte die Betreuerin am 1.9.2000 für den Abrechnungszeitraum 9.7.1999 bis 25.2.2000 die Festsetzung einer Vergütung von 4.029 DM auf der Grundlage eines Stundensatzes von brutto 102 DM sowie die Festsetzung von Aufwendungen in Höhe von 140,48 DM.

Das Amtsgericht entsprach dem Antrag am 27.10.2000 mit der Maßgabe, daß der Anspruch der Betreuerin auf Vergütung und Aufwendungsersatz in Höhe von insgesamt 4.169,48 DM sich nunmehr gegen die Erben der Betroffenen richte.

Gegen diesen Beschluß legte der weitere Beteiligte zu 3) sofortige Beschwerde ein mit dem Antrag, den Beschluß des Vormundschaftsgerichts aufzuheben und für den Zeitraum vom 9.7.1999 bis 13.2.2000 allenfalls eine Vergütung von 60 DM pro Stunde und für die nachfolgende Zeit keine Vergütung festzusetzen.

Mit Beschluß vom 22.12.2000 hat das Landgericht den angefochtenen Festsetzungsbeschluß aufgehoben und den ihm zugrunde liegenden Antrag der Betreuerin abgelehnt. Nach dem Tod des vermögenden Betreuten komme eine Festsetzung von Ansprüchen des ehemaligen Betreuers auf Vergütung und Aufwendungsersatz durch das Vormundschaftsgericht nicht mehr in Betracht. Daß die Erben der Betreuerin eine angemessene Vergütung und Ersatz ihrer Aufwendungen schuldeten, werde hiervon nicht berührt.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet sich die Betreuerin mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

1. Das Rechtsmittel ist, soweit es sich gegen die Ablehnung der Festsetzung der geltend gemachten Aufwendungen richtet, mangels Zulassung durch das Landgericht zu verwerfen (§ 69e Satz 1, § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG).

2. Soweit die sofortige weitere Beschwerde die Ablehnung der Festsetzung der beanspruchten Vergütung zum Gegenstand hat, ist sie zulässig und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

a) Dieses hat seine Entscheidung damit begründet, das Festsetzungsverfahren nach § 56g Abs. 1 FGG setze ein laufendes Betreuungsverfahren voraus. Nach dem Tod des Betreuten sehe § 56g Abs. 3 FGG ein vormundschaftsgerichtliches Verfahren unter Beteiligung der Erben nur für die Geltendmachung von Regreßansprüchen der Staatskasse vor, d.h. in Fällen, in denen die Staatskasse die Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche des Betreuers bereits verauslagt habe. Einer Festsetzung der Vergütungsansprüche des Betreuers nach dem Ableben des vermögenden Betreuten stehe auch entgegen, daß § 56g Abs. 4 FGG eine Anhörung der Erben ausschließlich für die vorgenannten Fälle des § 56g Abs. 3 FGG vorsehe.

b) Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).

aa) Der Berufsbetreuer hat gegen den Betreuten Anspruch auf Vergütung seiner Amtsführung (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BGB). Der Anspruch entsteht mit der jeweiligen Tätigkeit des Betreuers (vgl. BT-Drucks. 13/7158 §.27; BayObLGZ 1995, 395), bedarf zu seiner Geltendmachung jedoch der Bewilligung durch das Vormundschaftsgericht (§ 1836 Abs. 2 Satz 1 BGB). Durch die Bewilligung bestätigt das Vormundschaftsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für die entgeltliche Führung der Betreuung und bestimmt die Höhe der Vergütung (vgl. Bach Kostenregelungen für Betreuungspersonen 2. Aufl. Rn. E 11.1). § 69e Satz 1 i.V.m. § 56g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGG ermöglicht es dem Betreuer, die ihm zu bewilligende Vergütung vom Vormundschaftsgericht förmlich festsetzen zu lassen. Dadurch erhält er, falls der Betreute nicht mittellos ist und daher die Vergütung aus dem eigenen Vermögen zu zahlen hat, einen Vollstreckungstitel gegen den Betreuten (§ 56g Abs. 6 FGG).

bb) Die Bewilligung und die förmliche Festsetzung der Vergütung des Betreuers durch das Vormundschaftsgericht hängen nicht davon ab, daß der Betreute zum Zeitpunkt der Entscheidung noch lebt. Vielmehr kann das Vormundschaftsgericht die Vergütung auch noch nach dem Tod des Betreuten bewilligen (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1609; Bach Rn. E 11.8) und gemäß § 56g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGG förmlich festsetzen (vgl. Bauer in HK-BUR § 56g FGG Rn. 61; Gregersen/Deinert Die Vergütung des Betreuers 2. Aufl. Rn. 9.8.1; Palandt/Diederichsen BGB 60. Aufl. § 1836 Rn. 8). Dies gilt unabhängig davon, ob sich der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse oder gegen den Nachlaß des Betreuten richtet.

(1) § 56g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGG gestattet nach seinem Wortlaut die Festsetzung der Vergütung unabhängig davon, ob sich der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse, gegen den Betreuten oder, nach dessen Tod, gegen den Nachlaß richtet.

(2) Ein Ausschluß des Festsetzungsverfahrens in den Fällen, in denen der Betreute verstorben ist, entgegen diesem Wortlaut wäre sachwidrig.

Stirbt der Betreute, wird der Vergütungsanspruch des Betreuers zur Nachlaßverbindlichkeit im Sinne des § 1967 BGB (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1609/1610). Ob die Vergütung durch den Erben aus dem Nachlaß zu entrichten ist (§ 1836 Abs. 2 BGB), oder ob die Staatskasse einzutreten hat (§ 1836a BGB), läßt sich nur einheitlich beantworten, und zwar nach dem Bestand des Nachlasses (vgl. § 1836e Abs. 1. Satz 3 1. Halbsatz BGB und zur Anwendung dieses Grundsatzes auf die Haftung des Erben gegenüber dem Betreuer Gregersen/Deinert Rn. 9.8.1) unter Berücksichtigung der dem Erben zustehenden Schongrenzen (vgl. § 1836e Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 BGB i.V.m. § 92c Abs. 3 BSHG).

Auch nach dem Tod des Betreuten fällt die Bewilligung und die förmliche Festsetzung einer noch ausstehenden Vergütung des Betreuers gegen die Staatskasse in die Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts. Denn nur auf diesem Weg kann das Bestehen eines solchen Vergütungsanspruchs entsprechend den Intentionen des Gesetzgebers rasch und abschließend geklärt werden.

Es wäre schon wegen des dargelegten inneren Zusammenhangs sachwidrig, gleichwohl dem Vormundschaftsgericht die Zuständigkeit für die Festsetzung abzusprechen, wenn die Vergütung nicht aus der Staatskasse, sondern aus dem Nachlaß des Betreuten zu leisten ist. Dementsprechend geht die Rechtsprechung bisher ohne weiteres davon aus, daß sich auch in diesem Fall das Verfahren für die Regelung der Betreuervergütung nach § 56g FGG richtet (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluß vom 23.3.2000 NJWE-FER 2000, 149; Thüringer Oberlandesgericht Beschluß vom 19.10.2000 FGPrax 2001, 22/23). Ferner ist Zweck des durch Art. 2 Nr. 1 des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes vom 25.6.1998 (BGBl. I S.1580) neu geschaffenen vormundschaftsgerichtlichen Festsetzungsverfahrens unter anderem" dem Betreuer die Anrufung des ansonsten zuständigen Prozeßgerichts zu ersparen. Es besteht keinerlei Grund, dieser Intention des Gesetzgebers nicht auch nach dem Tod des Betreuten Rechnung zu tragen. Abgesehen davon, daß das Vormundschaftsgericht in der Anwendung des Betreuervergütungsrechts erfahrener ist, die den jeweiligen Betreuungsfall prägenden Umstände bereits kennt und die Gewähr für deren kundige Beurteilung sowie für eine sachgerechte Ermessensausübung bietet, ist das Verfahren nach § 56g FGG erheblich weniger zeitaufwendig als ein gerichtliches Prozeßverfahren und zudem für alle Beteiligten deutlich kostengünstiger (vgl. Bach Rn. J 5.1).

(3) Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob, wofür manches spricht, der vormundschaftsgerichtliche Festsetzungsbeschluß auch gegenüber dem Erben einen Vollstreckungstitel darstellt (vgl. § 56g Abs. 6 FGG). Denn auch wenn man dies verneint, rechtfertigen die dargestellten Zusammenhänge die Durchführung des nach dem Wortlaut des § 56g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGG eröffneten Festsetzungsverfahrens. Im übrigen erwüchse dem Erben kein gravierender Nachteil. Abgesehen davon, daß er ohnehin nur mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlasses haftet, kann er im Festsetzungsverfahren auch die ihm durch § 1836e Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz i.V.m. § 92c Abs. 3 BSHG eingeräumten Schongrenzen geltend machen (vgl. Gregersen/Deinert Rn. 9.8.1; Knittel BtG § 1836d BGB Rn. 5). Soweit im Festsetzungsverfahren sonstige, nicht die Anspruchsgrundlage und die Höhe der Vergütung betreffende Einwendungen ausgeschlossen sind, gewährt ihm § 767 ZPO ebenso Rechtsschutz wie dem Betreuten selbst (vgl. SchlHOLG NJWE-FER 2000, 149).

(4) Weder § 56g Abs. 3 noch § 56g Abs. 4 FGG sprechen gegen den hier vertretenen Rechtsstandpunkt. Der in diesen Vorschriften vorgesehenen verfahrensmäßigen Regelung für die vom Erben an die Staatskasse zu leistenden Regreßzahlungen (§ 56g Abs. 3 FGG) bedarf es unabhängig vom Vergütungsfestsetzungsverfahren deshalb, weil die vom Gesetzgeber dem Betreuten und dem Erben zuerkannten Schonbeträge unterschiedlich sind (einerseits § 1836c BGB, andererseits § 1836e Abs. 1 Satz 3 BGB) und daher etwa gegen den Betreuten festgesetzte Zahlungen an die Staatskasse (§ 56g Abs. 1 Satz 2 und 3 FGG) gegenüber dem Erben nicht fortgelten können. Einer besonderen Verpflichtung, dem Erben im Festsetzungsverfahren rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. § 56g Abs. 4 Satz 1 FGG für den Betreuten), bedarf es nicht. Sie ergibt sich schon aus Art. 103 Abs. 1 GG.

c) Der Senat verweist die Sache zur erneuten Behandlung und Verbescheidung der die Vergütung der Betreuerin betreffenden Erstbeschwerde an das Landgericht zurück, weil die Beurteilung der Vergütungsfähigkeit des geltend gemachten Zeitaufwands und die Bemessung des Stundensatzes in erster Linie dem Tatrichter obliegen. Der "rein vorsorgliche Hinweis" des Landgerichts, daß auch bei vermögenden Betreuten ein höherer Stundensatz als 60 DM nur gerechtfertigt sein könne, wenn Besonderheiten in den Verhältnissen des zu Betreuenden vorlägen, wofür aus den Akten nichts ersichtlich sei, stellt keine Sachentscheidung dar und entbehrt ferner der für eine Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht notwendigen Begründung.

Ende der Entscheidung

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