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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 19.12.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 280/01
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 159
FGG § 143
FGG § 25
Veranlaßt das Landgericht nach der gegen eine ablehnende Verfügung des Amtsgerichts erhobene Beschwerde selbst die Löschung einer Eintragung in das Vereinsregister, so ist gegen die Entscheidung nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens die Erstbeschwerde (sofortige Beschwerde) gegeben.
Gründe:

I.

Am 26.7.1997 fand eine Mitgliederversammlung des betroffenen Vereins statt, die erhebliche Änderungen der Satzung und ihrer Ordnungen beschloss. Diese wurden zur Eintragung in das Vereinsregister angemeldet. Der Antrag wurde später dahin abgeändert, dass beantragt wurde, eine mit zur Eintragung angemeldete Änderung der Spielordnung noch zurückzustellen; im übrigen wurde Teilvollzug beantragt. Das Amtsgericht gab dem Antrag mit Verfügung vom 8.12.1997 statt. Mit Schreiben vom 21.1.1998 regte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten bezüglich dieser Eintragung die Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens an, wobei er die Nichtigkeit zahlreicher eingetragener Regelungen geltend machte. Das Amtsgericht lehnte die Einleitung eines solchen Verfahrens mit Verfügung vom 17.2.1998 ab. Hiergegen legte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten im eigenen Namen wie auch im Namen der Beteiligten Erinnerung ein, der das Amtsgericht nicht abhalf.

Am 16.5.1998 erging in einem Schiedsverfahren, das gegen den betroffenen Verein von dritter Seite initiiert worden war, ein mittlerweile rechtskräftiger Schiedsspruch, mit dem festgestellt wurde, dass die Kläger des dortigen Verfahrens dem betroffenen Verein die Zahlung des Mitgliedsbeitrages 1997/1998 zur Zeit nicht schuldeten. In den Gründen des Schiedsspruches ist unter anderem folgendes ausgeführt:

"In der Mitgliederversammlung des Beklagten vom 26.7.1997 konnten gültige Beschlüsse nicht gefasst werden, weil die Kläger als außerordentliche Mitglieder des Beklagten zu dieser nicht rechtswirksam eingeladen worden sind."

Das Landgericht hat die in vorliegender Sache eingelegte Erinnerung als Beschwerde behandelt und die Verfügung des Amtsgerichts vom 17.2.1998 mit Beschluss vom 23.3.2001 aufgehoben, soweit die Ablehnung eines Amtslöschungsverfahrens ausgesprochen worden war. Im übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Zugleich hat das Landgericht die Löschung der am 8.12.1997 eingetragenen Satzungsänderung angekündigt und eine Widerspruchsfrist festgelegt. Den Widerspruch des betroffenen Vereins gegen diesen Beschluss hat das Landgericht mit Beschluss vom 6.8.2001 zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des betroffenen Vereins.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 159 Abs. 1, 143 Abs. 2 FGG zulässig. Das Landgericht hat auf Beschwerde über die Ablehnung der Verfahrenseinleitung durch das Amtsgericht nicht als Beschwerdegericht entschieden. Es hat das Registergericht nicht angewiesen, nach § 142 FGG zu verfahren, sondern hat das Verfahren selbst übernommen. Hierzu war das Landgericht nach § 143 FGG befugt (vgl. BayObLGZ 1992, 47/48; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 143 Rn. 6; Keidel/Winkler FGG 14. Aufl. § 143 Rn. 4; Jansen FGG 2. Aufl. § 143 Rn. 4). Verfährt das Landgericht in dieser Weise, ist gegen seine den Widerspruch zurückweisende Entscheidung die sofortige (Erst)beschwerde, nicht die weitere Beschwerde gegeben (vgl. BayObLGZ aaO; Jansen aaO).

2. Die Entscheidung des Landgerichts kann keinen Bestand haben. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen.

a) Das Landgericht hat seinen Beschluss wie folgt begründet:

Es lägen gravierende Einladungsmängel vor, die zur Unwirksamkeit der in der Mitgliederversammlung vom 26.7.1997 gefassten Beschlüsse geführt hätten. Die Mängel seien durch den Schiedsspruch vom 16.5.1998 für das Registergericht verbindlich festgestellt. Es sei daher auch nicht erforderlich, den Beteiligten erneut aufzugeben, ein Verfahren zur Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse durchzuführen. Eine andere Entscheidung als die Löschung der Satzungsänderung komme aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht. Das Fortbestehen der Eintragung im Register habe Schädigungen Berechtigter zur Folge; eine Aufrechterhaltung der nichtigen Beschlüsse würde dem öffentlichen Interesse widersprechen.

b) Dieser Auffassung kann der Senat nicht folgen.

aa) Keiner Prüfung bedarf in diesem Zusammenhang die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten und/oder ihres Verfahrensbevollmächtigten. Da das Landgericht als Gericht erster Instanz entschieden hat, ist es zwar auf Anregung, aber von Amts wegen tätig geworden.

bb) Dem Registergericht ist in §§ 159, 142 FGG ein Verfahren an die Hand gegeben, Eintragungen in das Vereinsregister, die wegen Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig waren, von Amts wegen zu löschen. Die Frage, wann ein Mangel der Eintragungsvoraussetzungen wesentlich ist, hat das Registergericht nach Lage des Einzelfalles zu entscheiden (vgl. Keidel/Winkler aao § 142 Rn. 14; Sauter/Schweyer Der eingetragene Verein 17. Aufl. Rn. 448, 452 ff.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Löschungsverfahren ein selbständig ausgestaltetes Verfahren darstellt; es dient nicht dazu, Fehler des Anmeldeverfahrens zu korrigieren (BayObLG DNotZ 1997, 81/84). Rechtsbegründende Eintragungen, wie z.B. die Eintragung einer Satzungsänderung, können gelöscht werden, wenn sie unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften vorgenommen worden sind (Keidel/Winkler aaO Rn. 13; Sauter/ Schweyer aaO Rn. 452). Grundsätzliche Voraussetzung einer Amtslöschung ist aber in jedem Falle, dass die Unzulässigkeit der betreffenden Eintragung nach Überprüfung aller hierfür maßgebenden Umstände ohne vernünftigen Zweifel zu bejahen ist (Keidel/Winkler aaO Rn. 17; Sauter/Schweyer aaO Rn. 449 m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, so ist derjenige, der eine Eintragung gelöscht haben will, auf den Prozessweg zu verweisen (vgl: BayObLGZ 1979, 351/356). Liegen die Voraussetzungen für eine Löschung vor, ist das Registergericht zu dieser Maßnahme von Amts wegen wiederum nur berechtigt, nicht aber verpflichtet. Eine Löschung ist regelmäßig nur dann veranlasst, wenn das Fortbestehen der Eintragung Schädigungen Berechtigter zur Folge hätte oder dem öffentlichen Interesse widerspräche (vgl. BayObLGZ 1978, 87/9 3; Keidel/Winkler aaO Rn. 19; Sauter/Schweyer aaO Rn. 449).

cc) Das Landgericht, das im vorliegenden Falle die Sache nach § 143 FGG an sich gezogen hat, stützt seine Entscheidung ausschließlich auf einen Einladungsmangel bei der Beschlussfassung über die verfahrensgegenständliche Satzungsänderung. Richtig ist, dass ein Vereinsbeschluss grundsätzlich ungültig ist, wenn nicht alle Mitglieder zur Mitgliederversammlung entsprechend den Satzungsbestimmungen eingeladen worden sind, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass der Beschluss nicht auf diesem Mangel beruhen kann (vgl BGH NJW 1973, 235/236; BayObLG NJW-RR 1997, 289; BayObLG FGPrax 2001, 82/83; MünchKomm/ Reuter BGB 3. Aufl. § 32 Rn. 36; Palandt/Heinrichs BGB 61. Aufl. § 32 Rn. 9 ff.). Das Landgericht hat hierzu aber keine eigenen Feststellungen getroffen. Es hat sich durch den rechtskräftigen Schiedsspruch vom 16.5.1998 in einem Verfahren mit teilweise anderen Beteiligten als gebunden angesehen. Dem kann der Senat nicht folgen.

Der Schiedsspruch hat unter den Parteien des Schiedsverfahrens die Rechtswirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils (§ 1040 ZPO a.F. i.V.m. Art. 4 § 1 Abs. 2 SchiedsVfG vom 22.12.1997 - BGBl. I S. 3224). Auch kann jeder Beteiligte die Ungültigkeit eines Vereinsbeschlusses im Wege der Feststellungsklage geltend machen; die ergangene Entscheidung hat, falls auf Klage eines Mitglieds gegen den Verein der Beschluss für ungültig erklärt wird, Wirkung gegen alle und ist auch für das Registergericht verbindlich (vgl. BGH DB 1992, 1568/1569; RGRK/Steffen BGB 12. Aufl. § 32 Rn. 17; MünchKomm/ Reuter aaO). Der vom Landgericht in Bezug genommene Schiedsspruch enthält jedoch keine solche Entscheidung. Für die objektiven Grenzen der Rechtskraft des ergangenen Schiedsspruches gelten §§ 322 ff. ZPO (Zöller/Geimer ZPO 20. Aufl. § 1040 Rn. 4). Hiernach ist - vom Falle der Aufrechnung einmal abgesehen - ein Schiedsspruch der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist, § 322 Abs. 1 ZPO. Im vorliegenden Fall hat das Schiedsgericht für Recht erkannt, dass die Kläger des Schiedsverfahrens dem betroffenen Verein die Zahlung eines bestimmten Mitgliedsbeitrages zur Zeit nicht schulden. Nur insoweit ist der Schiedsspruch in Rechtskraft erwachsen. Die Ausführungen in den Gründen über die Mitgliederversammlung des betroffenen Vereins vom 26.7.1997 betreffen demgegenüber Vorfragen. Urteilselemente wie Vorfragen oder tatsächliche Feststellungen aber sind nicht Gegenstand der Rechtskraft (vgl. Thomas/Putzo ZPO 23. Aufl. § 322 Rn. 19, 28 m. w. N.). Das Landgericht hätte daher, um die Löschung anordnen zu können, den Sachverhalt aufklären und die zur Beurteilung der Löschungsvoraussetzungen erforderlichen Feststellungen selbst treffen müssen. ohne solche Feststellungen kann der angefochtene Beschluss des Landgerichts keinen Bestand haben. Auf weitere formelle Mängel des angefochtenen Beschlusses, die der betroffene Verein rügt, kommt es nicht mehr an.

c) Da der Senat über eine Erstbeschwerde zu entscheiden hat, richtet sich das Verfahren nach §§ 20 ff. FGG (vgl. Jansen § 143 Rn. 25). Das Beschwerdegericht hat den Sachverhalt zur Zeit seiner Entscheidung grundsätzlich selbst festzustellen und unter Anwendung des zu dieser Zeit geltenden materiellen Rechts eigenständig zu beurteilen (vgl. Bassenge/ Herbst § 23 FGG Rn. 1). Eine Zurückverweisung der Sache kommt jedoch nach dem Ermessen des Beschwerdegerichts bei ganz ungenügender Aufklärung des Sachverhalts in Betracht, also dann, wenn die Sachentscheidung des Beschwerdegerichts dem Verlust einer Instanz gleichkäme (vgl. Bassenge/Herbst § 25 FGG Rn. 11; Keidel/Kahl § 25 Rn. 7 m. w. N.).

Ein solcher Fall liegt hier vor. Da nähere Feststellungen zur Sache bisher nicht getroffen wurden, käme eine Sachentscheidung durch den Senat dem Verlust einer Instanz gleich. Dem Senat erscheint daher eine Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht angemessen.

d) Das Landgericht wird zunächst zu prüfen haben, ob angesichts der ebenso vielfältigen wie komplexen Einwände gegen die eingetragene Satzung und die sie ergänzenden Regelungen überhaupt eine originäre Sachprüfung im Registerverfahren in Betracht kommt oder ob den Beteiligten hier nicht anheim gegeben werden muss, eine Klärung auf dem Prozesswege herbeizuführen (s.o.).

Im übrigen wäre vorab festzustellen, ob die Mitglieder des betroffenen Vereins tatsächlich zur Mitgliederversammlung am 26.7.1997 nicht vollständig eingeladen bzw. einige Mitglieder wieder wirksam ausgeladen worden sind. Hierbei wäre auch auf die Argumentation des Vereins einzugehen, nach der Betroffene, deren mangelnde Ladung beanstandet wird, gar nicht Mitglieder des Vereins gewesen seien. Ferner wird der Kausalitätsfrage (s.o.) Beachtung zu schenken sein. Sollte hiernach ein kausaler Einladungsmangel festgestellt werden, wäre nochmals zu prüfen, ob im Lichte der getroffenen Feststellungen eine Amtslöschung der unwirksamen Satzungsbestimmungen geboten ist (s.o.).

Sollte eine Amtslöschung wegen formeller Mängel der eingetragenen Regelungen im Ergebnis nicht durchgeführt werden, wäre ferner noch zu prüfen, ob nicht die von den Beteiligten zuletzt nochmals angesprochenen materiellen Einwände zu einer Löschung von Amts wegen führen müssten. Auch insoweit hat bisher eine Prüfung nicht stattgefunden. Das Amtsgericht hat hier auf den Prozessweg verwiesen.

Ende der Entscheidung

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