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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.10.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 292/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1899
Zur Frage der nachträglichen Bestellung eines Mitbetreuers.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht ordnete am 26.10.2000 für die Betroffene eine Betreuung an mit den Aufgabenkreisen Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialversicherungsträgern sowie Organisation sozialer Dienste und Haushaltshilfen. Zum Betreuer wurde einer ihrer Söhne bestellt. Am 27.11.2000 wurde die Betreuung auf die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung des Heim- und Pflegevertrages sowie Anhalten, Entgegennahme und Öffnen der Post erweitert.

Den Antrag der Beteiligten, der Tochter der Betroffenen, auf Bestellung zur Mitbetreuerin für den Aufgabenkreis Vermögensverwaltung bzw. auf Übertragung dieses Aufgabenkreises allein auf sie lehnte das Amtsgericht am 17.4.2001 ab. Ihre hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht am 30.7.2001 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Tochter mit ihrer weiteren Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Die Bestellung einer weiteren Betreuerin komme weder in der Form einer gemeinsamen Betreuung gemäß § 1899 Abs. 3 BGB noch in der Form einer gespaltenen Betreuung gemäß § T899 Abs. 3 a.E. BGB in Betracht. Eine bessere Besorgung der Angelegenheiten der Betroffenen sei durch die Anordnung nicht zu erwarten. Der Betreuer sei der Aufgabenbewältigung im Bereich der Vermögensverwaltung gewachsen, wie die Tatsache zeige, dass seine bisherige Amtsführung keinerlei Beanstandung veranlasst habe. Die Räumung der Wohnung und die Haushaltsauflösung seien wegen der eingetretenen Pflegebedürftigkeit der Betroffenen objektiv erforderlich geworden. Die Renovierungsmaßnahmen zum Zwecke der späteren Vermietung des zuletzt von der Betroffenen bewohnten Hauses seien nicht zu beanstanden. Der zunächst geplante Verkauf des Anwesens sei an der Tochter gescheitert. Diese sei Mitglied einer Miterbengemeinschaft, die ihrerseits Miteigentümerin des Anwesens sei. Soweit die Tochter durch die von ihr beantragte Bestellung zur Mitbetreuerin eine Kontrolle der vom Betreuer durchgeführten Vermögensverwaltung bzw. eine alleinige Einflussnahme auf die Vermögensverwaltung erreichen wolle, rechtfertige dies nicht die Anordnung einer weiteren Betreuung. Es sei nicht ersichtlich, dass die Tochter die Vermögensinteressen der Betroffenen besser wahrnehmen werde als der Betreuer.

2. Das Landgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Bestellung der Tochter zur Mitbetreuerin im Bereich der Vermögenssorge nicht zu erfolgen hat, weil die von § 1899 Abs. 1 BGB geforderte bessere Besorgung der Angelegenheiten der Betreuten durch eine solche Anordnung nicht zu erwarten ist.

a) Das Landgericht hat in seiner Entscheidung die Anordnung einer Mitbetreuung in den Formen des § 1899 Abs. 3 BGB abgelehnt. Grundsätzlich eröffnet diese Vorschrift zwei Möglichkeiten für die Ausgestaltung der von der Tochter gewünschten Mitbetreuung: Gemäß § 1899 Abs. 3 BGB können die gemeinschaftlich für einen Aufgabenkreis bestellten Mitbetreuer entweder nur gemeinsam handeln (so der Regelfall des § 1899 Abs. 3 BGB) oder aber nach gesonderter gerichtlicher Bestimmung innerhalb desselben Aufgabenkreises auch unabhängig voneinander und selbständig (§ 1899 Abs. 3 letzter Halbsatz BGB).

b) Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler die Mitbetreuung in beiden Formen abgelehnt. Seine tatsächlichen Feststellungen sind verfahrensfehlerfrei getroffen worden und deshalb für den Senat bindend (Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 27 FGG Rn. 23). Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht von der persönlichen Anhörung der Betroffenen abgesehen hat. Da die Bestellung eines weiteren Betreuers nicht mit einer Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers verbunden war, gelten nach dem Sinn des § 69i Abs. 5 FGG die Vorschriften über die persönliche Anhörung des Betroffenen nach § 68 Abs. 1, § 69g Abs. 5 FGG nicht (BayObLGZ 1997, 288/290; Jürgens BtR 2. Aufl. § 69i FGG Rn. 14; a.A. Knittel BtG § 1899 Rn. 38, der auch in diesem Fall stets die persönliche Anhörung des Betreuten verlangt). Zudem war die Anhörung der Betroffenen vor dem Amtsgericht verfahrensfehlerfrei und zeitnah erfolgt, neue Erkenntnisse waren nicht zu erwarten (vgl. § 69g Abs. 5 Satz 3 FGG).

c) Die Bestellung von mehreren Betreuern ist nicht in das freie Ermessen des Gerichts gestellt (BayObLGZ 1997, 288/290; BayObLG NJWE-FER 1998, 33; MünchKQmm/Schwab BGB 3. Aufl. § 1899 Rn. 2). Bei ihr handelt es sich um eine Ausnahme von dem nach § 1897 Abs. 1 BGB geltenden Grundsatz der Einzelbetreuung (vgl. BT Drucksache 11/4528 S. 130; Palandt/Diederichsen BGB 60. Aufl. § 1899 Rn. 1). Sie setzt voraus, dass der Betreuer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen verhindert ist (vgl. § 1899 Abs. 4 BGB) oder dass die Angelegenheiten des Betroffenen durch die Bestellung eines Mitbetreuers besser besorgt werden können (§ 1899 Abs. 1 BGB; BayObLGZ 1991, 288/290; BayObLG FamRZ 1997, 1502; BayObLG NRWE-FER 1998, 33; Knittel § 1899 Rn. 5; Staudinger/Bienwald BGB 13. Aufl. § 1899 Rn. 4). ob hiervon auszugehen ist, hat das Gericht unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen.

d) Diese Beurteilung obliegt dem Tatrichter; er hat anhand der tatsächlichen Feststellungen die bessere Besorgung der Angelegenheiten zu beurteilen. Vom Rechtsbeschwerdegericht kann diese Beurteilung nur auf Rechtsfehler überprüft werden, also daraufhin, ob der Tatrichter Rechtsbegriffe verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, der Bewertung maßgeblicher Umstände unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt, gegen die Denkgesetze verstoßen oder Erfahrungssätze nicht beachtet hat (BayObLG FamRZ 1997, 1502; Jansen FGG 2. Aufl. § 27 Rn. 27).

e) Derartige Rechtsfehler sind nicht erkennbar. Die Auffassung des Landgerichts, der Betreuer sei wegen der bisher vorliegenden einwandfreien Führung der Betreuung zur alleinigen Fortführung der Betreuung geeignet und es sei nicht ersichtlich, dass die Tochter die Vermögensinteressen der Betroffenen besser berücksichtigen werde, sind nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Heimunterbringung der Betroffenen in Anbetracht ihres Gesundheitszustandes notwendig war und der Verkauf des von ihr zuletzt bewohnten Anwesens nicht am Betreuer gescheitert ist. Es trifft auch zu, dass die Tochter eine gewisse Kontrolle der Vermögensverwaltung schon dadurch ausüben kann, dass sie als Mitglied einer Miterbengemeinschaft einen Miteigentumsanteil an dem zuletzt von der Betroffenen bewohnten Anwesen hält. Eine Verhinderung des Betreuers in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht liegt offensichtlich nicht vor.

3. Das Landgericht hat aber übersehen, dass die Tochter hilfsweise beantragt hatte, ihr den Bereich der Vermögensverwaltung allein zu übertragen. Darin liegt der Antrag, den Betreuer aus dem Aufgabenkreis Vermögensverwaltung zu entlassen und ihr diesen Bereich zu übertragen, also eine Mitbetreuung im Sinne des § 1899 Abs. 1 Satz 2 BGB anzuordnen. Der Senat kann aber insoweit in der Sache selbst entscheiden, weil das Landgericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt fehlerfrei festgestellt hat, dieser festgestellte Sachverhalt zur Begründung der Entscheidung herangezogen werden kann, eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich ist und die Sache zur Entscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 ZPO analog; Jansen FGG 2. Aufl. § 27 Rn. 50).

a) Voraussetzung für eine Mitbetreuung in der dargestellten Form wäre, dass der bestellte Betreuer aus dem Aufgabenbereich Vermögenssorge entlassen würde. Eine Entlassung gemäß § 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB, die hier allein in Betracht kommt, setzt voraus, dass die Eignung des Betreuers zur Besorgung der Angelegenheiten des Betreuten nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund vorliegt. Diese Voraussetzungen gelten auch für den Fall, dass der Betreuer nicht gänzlich aus seiner Betreuerbestellung entlassen wird, sondern ihm nur ein Aufgabenkreis entzogen werden soll (BayObLG FamRZ 1996, 1105; Palandt/Diederichsen § 1908b Rn. 11; Knittel § 1908b Rn. 1).

b) Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der Betreuer zur Durchführung der Vermögensverwaltung nicht mehr geeignet sein soll oder Pflichtverletzungen begangen hat. Nach den landgerichtlichen Feststellungen hat der Betreuer bisher die ihm übertragene Aufgabe einwandfrei erfüllt. Das Vermögensverzeichnis ist rechtzeitig und ordnungsgemäß erstellt worden. Die Wohnungsauflösung sowie die Heimunterbringung waren in Anbetracht des Gesundheitszustandes der Betroffenen objektiv erforderlich; der zunächst geplante Verkauf des Hauses ist nicht am Betreuer gescheitert.

Ende der Entscheidung

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