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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 13.12.2000
Aktenzeichen: 3Z BR 340/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 32
Eine Mitgliederversammlung kann ein Vereinsorgan nur dann durch eine Blockwahl bestellen, wenn dies in der Satzung vorgesehen ist.
BayObLG Beschluß

LG München I - 16 T 14435/00; AG München

3Z BR 340/00

13.12.00

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Nitsche am 13. Dezember 2000 in der Vereinsregistersache auf die weitere Beschwerde des Vereins

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 9. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert wird auf 20000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer, ein eingetragener Verein, hat nach § 5 seiner Satzung als Organe Vorstand, Beirat, Delegiertenversammlung und Mitgliederversammlung. Zur Wahl der Delegierten in der Mitgliederversammlung heißt es in § 6 Nr. 5 der Satzung:

Die Wahl der Delegierten erfolgt durch Handhebung. Die Kandidaten, die die größte Zahl der Handhebungen erreichen, sind gewählt, bis die Zahl der Delegierten gemäß § 6, 4. erreicht ist.

Nach § 7 Nr. 9 der Satzung wählt die Delegiertenversammlung Vorstand und Beirat. Der Vorstand besteht aus Vorsitzendem, stellvertretendem Vorsitzenden, Schatzmeister und Schriftführer. Bei vorzeitigem Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds wählen Beirat und Vorstand ein Ersatzmitglied für die restliche Amtsdauer (§ 8 Nr. 1 und 2 der Satzung).

Am 1.5.1998 fand eine Mitgliederversammlung des Vereins statt, in der die Wahl der Delegierten erfolgte. Hierzu heißt es im Protokoll:

Die Versammlung ist einverstanden, dass zunächst die Namensliste der vorgeschlagenen Delegierten, die sich mit ihrer Wahl einverstanden erklärt haben, verlesen wird, und anschließend die Wahl en bloc erfolgt.

Das Protokoll zählt anschließend die 78 vorgeschlagenen Bewerber namentlich auf und fährt dann fort:

Die Versammlung stimmt durch Handzeichen ab mit dem Ergebnis: ohne Gegenstimme und ohne Stimmenthaltung werden die Aufgeführten zu Delegierten gewählt. Die anwesenden Delegierten nehmen die Wahl an. Aufgeführte nicht anwesende Delegierte haben in ihrer Vollmacht erklärt, dass sie die Wahl annehmen. Damit sind 78 Delegierte für die nächsten 3 Jahre gewählt.

Am 25.3.2000 wurde in einer Delegiertenversammlung ein aus sechs Personen bestehender Beirat gewählt. Dieser wiederum wählte am 1.4.2000 zusammen mit den Vorstandsmitgliedern R. und D. zwei fehlende Vorstandsmitglieder. Hierbei wurden jeweils acht Stimmen für K. und F. abgegeben.

Die Anmeldung von K. und F. zur Eintragung in das Vereinsregister wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 12.7.2000 zurück. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Landgericht mit Beschluss vom 9.10.2000 zurück. Hiergegen wendet sich die weitere Beschwerde.

II.

Bei dem zulässigen Rechtsmittel handelt es sich um eine einfache, also nicht fristgebundene (vgl. Reichert Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts 7. Aufl. Rn. 2314) weitere Beschwerde. Der Senat legt das Rechtsmittel dahin aus, dass es zutreffend (vgl. BayObLGZ 1991, 52/54; Reichert Rn. 2327; a.A. Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 20 Rn. 98) für den Verein eingelegt worden ist. In der Sache bleibt der weiteren Beschwerde jedoch der Erfolg versagt.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Wahl der Delegierten vom 1.5.1998 sei ungültig gewesen mit der Folge, dass die Wahl der fehlenden Vorstandsmitglieder ebenfalls unwirksam gewesen sei. Bei der Delegiertenwahl sei durch die Zusammenfassung zu einer Blockwahl vom Normalfall der Einzelwahl abgewichen worden, obwohl die Satzung dies nicht vorsehe. Bei einem derartigen Wahlmodus stehe es den Wählern nicht frei, in welcher Weise sie von den insgesamt zur Verfügung stehenden Stimmen Gebrauch machen wollen. Eine Wahl des einen oder eine Nichtwahl des anderen Kandidaten sei ausgeschlossen. Der Fehler bei der Delegiertenwahl sei auch nicht "geheilt". Die Sondervorschriften des Aktien- und Genossenschaftsrechts könnten auf Beschlüsse der Mitgliederversammlung eines Vereins nicht analog angewandt werden. Ausnahmsweise werde zwar trotz einer an sich gegebenen Ungültigkeit ein Beschluss dann als gültig behandelt, wenn festgestellt werde, dass dieser nicht auf dem Verstoß beruhe. Nach dem Vortrag des Vereins sei jedoch nicht auszuschließen, dass bei einer Einzelwahl manche Vereinsmitglieder sich teilweise oder insgesamt für eine Stimmenthaltung entschieden hätten und dass manche Kandidaten von niemandem gewählt worden wären. Es sei nicht nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass jeder Kandidat unbedingt sich selbst gewählt hätte.

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.

a) Eine Eintragung von K. und F. als Vorstandsmitglieder kann nicht erfolgen, da die am 1.4.2000 erfolgte Wahl unwirksam war. Es bestand zu diesem Zeitpunkt kein wirksam bestellter Beirat, der als Organ an der Wahl satzungsgemäß hätte mitwirken können, da die Beiratswahl vom 25.3.2000 ihrerseits unwirksam war. Diese erfolgte durch nicht wirksam bestellte Delegierte.

b) Die Wahl der Delegierten in der Mitgliederversammlung vom 1.5.1998 war unwirksam.

Die Delegierten als weitere Vereinsorgane werden durch Beschluss der Mitgliederversammlung mit der Mehrheit der erschienenen Mitglieder (§ 32 Abs. 1 BGB) gewählt, soweit nicht die Vereinssatzung ein anderes bestimmt (§ 40 BGB). Das Wahlverfahren in der Mitgliederversammlung vom 1.5.1998 entsprach dieser gesetzlichen Regelung nicht. Es fand keine Wahl von Einzelpersonen, sondern eine Abstimmung über eine einzelne Liste (Blockwahl) statt. Dies ist eine Sonderform des Mehrheitswahlrechts und weicht von der gesetzlichen Regelung ab, da es das Wahlrecht der Vereinsmitglieder einschränkt. Diese können sich nur noch für oder gegen die Liste als Ganzes entscheiden. Sie können weder gegen noch für einzelne Bewerber stimmen oder sich der Stimme enthalten.

Eine derartige Blockwahl ist deshalb nur zulässig, Wenn sie in der Satzung ausdrücklich vorgesehen ist (§ 40 BGB; BGH NJW 1974, 183; OLG Frankfurt Rpfleger 1984, 360; vgl. auch BGHZ 118, 121/124; BayObLG FGPrax 1996, 74). Die Vereinssatzung sieht aber für die Mitgliederversammlung keine Blockwahl der Delegierten vor, sondern geht gerade vom Normalfall der Einzelabstimmung aus, da sie eine Regelung für unterschiedliche Abstimmungsergebnisse der einzelnen Kandidaten trifft.

c) Für die Rechtmäßigkeit des Beschlusses vom 1.5.1998 ist ohne Bedeutung, dass laut Versammlungsniederschrift die Versammlung mit einer Blockwahl einverstanden gewesen sei. Ein derartiges Einverständnis konnte das satzungswidrige Wahlverfahren nicht zulässig machen (vgl. BGH WM 1975, 1041/1042 1. Sp.; Staudinger/Weick BGB [1995] § 32 Rn. 13, § 33 Rn. 9; Stöber Handbuch zum Vereinsrecht.7. Aufl. Rn. 561; offengelassen BGHZ 118, 121/124). Die Frage, ob eine Satzungsdurchbrechung für eine punktuelle Regelung (vgl. BGHZ 123, 15/19) in Betracht kommen kann, stellt sich hier nicht. Die Satzung des Vereins (§ 7 Nr. 10) siedelt die Befugnis zu einer förmlichen Satzungsänderung nicht bei der Mitgliederversammlung, sondern bei der Delegiertenversammlung an. Nach der damit vorgenommenen Kompetenzverteilung zwischen den Vereinsorganen ist nicht gewollt, dass sich die Mitgliederversammlung auch bloß im Einzelfall über Satzungsbestimmungen soll hinwegsetzen können.

d) Der Satzungsverstoß kann auch nicht als unerheblich behandelt werden. Dies wäre dann der Fall, wenn klar zu Tage läge, dass der Beschluss auch ohne den Verstoß in gleicher Weise zustande gekommen wäre, wenn also bei vernünftiger Beurteilung unter keinen Umständen in Betracht kommt, dass der Mangel das Ergebnis hätte beeinflussen können (BGHZ 49, 209/211; 59, 369; BGH NJW 1974, 183/185; DB 1998, 124; BayObLG NJW-RR 1997, 289/290; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 684; OLG Köln ZIP 1985, 1139). Dies mußte das Landgericht nicht bejahen.

Nach der Vereinssatzung hätte zwar, da 78 Kandidaten sich um mindestens ebenso viele Delegiertenstellen bewarben, bei Einzelabstimmung jeweils eine einzige stimme zur Wahl ausgereicht. Mangels weiterer Kandidaten wäre auch damit "die größte Zahl der Handhebungen erreicht" worden. Diese vom Mehrheitsprinzip des § 32 BGB gemäß § 40 BGB abweichende Satzungsregelung ist auch hinreichend klar (vgl. BayObLG FGPrax 1996, 74).

Das Landgericht hat jedoch nicht ausschließen können, dass für einzelne Kandidaten nicht einmal eine Stimme abgegeben worden wäre. Im Rechtsbeschwerdeverfahren kann der Verein nicht beanstanden, dass diese tatsächlichen Folgerungen nicht die einzig möglichen, also schlechthin zwingend sind. Ebenso wenig kann gerügt werden, dass eine andere Schlußfolgerung näher gelegen hätte (vgl. Keidel/Kahl § 27 Rn. 42 m.w.N.).

Der Verein hatte im übrigen noch im Beschwerdeverfahren ausschließlich darauf hingewiesen, dass jeder Kandidat zumindest sich selbst gewählt hätte. Es kann dahinstehen, ob ein solcher Erfahrungssatz besteht, da bei der Mitgliederversammlung vom 1.5.1998 eine größere Anzahl von Kandidaten gerade nicht anwesend war.

Wenn der Verein im Verfahren der weiteren Beschwerde nunmehr vorträgt, er könne Teilnehmer der Mitgliederversammlung vom 1.5.1998 als Zeugen benennen, die seinerzeit im Falle von Einzelabstimmungen jeden der 78 Kandidaten gewählt hätten, so stellt die insoweit unterbliebene Beweiserhebung keinen Verfahrensfehler dar. Das Landgericht hatte zwar die Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln (§ 12 FGG). Trotz des Untersuchungsgrundsatzes konnte es aber davon ausgehen, dass der anwaltlich vertretene Verein sich zu dieser Frage von sich aus umfassend äußern würde, da es sich um einen für ihn vorteilhaften Umstand handelte, der sich allein in seiner Sphäre abgespielt hatte und dessen Bedeutung er sich erkennbar bewusst war.

e) Der in einem satzungswidrigen verfahren erzielte Beschluss der Mitgliederversammlung vom 1.5.1998 ist nichtig und nicht nur anfechtbar, da hier nicht die Grundsätze gelten, die das Gesetz für die Beschlüsse von Kapitalgesellschaften vorsieht (vgl. BGHZ 59, 369; Palandt/Heinrichs BGB 59. Aufl. § 32 Rn. 9). Damit ist für das vorliegende Verfahren auch der Zeitraum ohne Bedeutung, der zwischen dem Beschluss der Mitgliederversammlung und der Vorstandsbestellung liegt.

3. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 2, § 31 Abs. 1, § 30 Abs. 2, 3 KostO.

Ende der Entscheidung

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