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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.01.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 362/01
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 6 Abs. 2
Entscheidet sich ein Richter als Aktionär an der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft für die von der Verwaltung vorgeschlagene entschädigungslose Abschaffung von Mehrstimmrechten und Vorzugsaktien, so gilt er nicht als befangen, wenn er mit dem Verfahren über die Bestimmung eines angemessenen Ausgleichs befasst ist.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Schreieder und Dr. Denk

am 23. Januar 2002,

in dem Spruchstellenverfahren

auf die Anzeige gemäß § 6 Abs. 2 FGG

beschlossen:

Tenor:

Die Anzeige des Richters X wird für nicht begründet erklärt.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin ist eine Aktiengesellschaft. Von ihren im Zeitpunkt der Hauptversammlung am 18.2.1999 vorhandenen 594780140 Aktien im Nennbetrag von je 5 DM waren 585543800 Stück auf den Inhaber lautende Stammaktien. 9236340 Aktien waren als auf den Namen lautende Vorzugsaktien ausgestattet. Sie hatten gemäß § 4 Abs. 3, § 23 Abs. 2 der Satzung in bestimmten Angelegenheiten in einer zweiten Abstimmung, die ein Vorzugsaktionär nach Durchführung der ersten Abstimmung verlangen konnte (§ 23 Abs. 3 der Satzung), ein sechsfaches Stimmrecht; maßgebend war das Ergebnis der zweiten Abstimmung. Sie waren außerdem auf Verlangen des Aktionärs in Inhaberaktien umzuwandeln, bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens waren Vorteile für die Stammaktionäre vorgesehen (vgl. 4 Abs. 2 Buchst. b. Abs. 3 und 5, § 5, § 23 Abs. 2 und 3 der Satzung der Antragsgegnerin nach damaligem Stand). Die Vorzugsaktien wurden vollständig von der Antragstellerin gehalten.

In der Einladung zur Hauptversammlung am 18.2.1999 schlugen Aufsichtsrat und Vorstand der Antragsgegnerin den Aktionären vor, folgendes zu beschließen:

"a) Die Mehrstimmrechte der Vorzugsaktien ... werden beseitigt.

b) Für die Beseitigung der Mehrstimmrechte wird je Vorzugsaktie ein Ausgleich von 0,00 DM festgesetzt."

Ferner sah der Vorschlag vor, die Vorzugsaktien in Namensstammaktien umzuwandeln, die den Inhaberstammaktien gleichgestellt sein sollten, und die Satzung entsprechend den vorgeschlagenen Änderungen anzupassen. Der Vorschlag wurde in der Hauptversammlung gegen die Stimmen der Antragstellerin angenommen.

Mit Beschluss vom 14.9.2001 hat das Landgericht auf Antrag der Antragstellerin als angemessenen Ausgleich für die durch Beschluss der Hauptversammlung beseitigten Mehrstimmrechte der ehemaligen Vorzugsaktien einen Betrag von Euro 0,70 je Mehrstimmrecht festgesetzt. Gegen diesen Beschluss haben sowohl die Antragstellerin wie auch die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt.

Richter X ist Mitglied der Spruchgruppe des 3. Zivilsenats, die über die sofortigen Beschwerden zu entscheiden hat. Er hat folgendes angezeigt:

"Entsprechend § 48 ZPO zeige ich vorsorglich an, dass ich seit mehreren Jahren, zuletzt seit 1993, Aktionär der ... AG bin. Zusammen mit meiner Ehefrau halte ich derzeit Namensaktien der Gesellschaft. In meiner Eigenschaft als Aktionär habe ich u.a. auch an der Hauptversammlung der AG im Jahr 1999 teilgenommen, auf der die verfahrensgegenständlichen Beschlüsse gefasst worden sind. Ich habe die Versammlung im Laufe des Nachmittags verlassen, habe dabei aber nach meiner Erinnerung mittels einer im Stimmrechtsblock vorgedruckten Vollmacht dort namentlich genannte Personen ermächtigt, bei der Abstimmung über die Tagesordnungspunkte u.a. zu TOP 10 (Beseitigung der Mehrfachstimmrechte und vollständige Beseitigung der Vorzugsaktien) im Sinne des Vorschlages der Verwaltung zu stimmen."

Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 27.11.2001 dahin Stellung genommen, dass aufgrund des angezeigten Sachverhalts die Besorgnis der Befangenheit des Richters bestehe. Die Antragsgegnerin hat sich nicht geäußert.

II.

Die Anzeige ist für nicht begründet zu erklären.

1. Die Selbstablehnung eines Richters gemäß § 6 Abs. 2 FGG, 48 ZPO ist nur dann begründet, wenn die Besorgnis der Befangenheit besteht. Eine solche Besorgnis ist gegeben, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§ 42 ZPO analog; Bassenge U.a. FGG/RPflG 9. Aufl. § 6 FGG Rn. 9 f.). Abzustellen ist hierbei auf eine besonnene, objektive Betrachtung vom Standpunkt der Beteiligten aus. Der geltend gemachte Umstand muss bei solcher Betrachtung geeignet sein, die Befürchtung zu erwecken, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge kommen nicht zum Tragen (vgl. BayObLGZ 1987, 211/217).

2. Danach sind im vorliegenden Fall keine Gründe für die Besorgnis der Befangenheit des Richters gegeben.

a) Ein die Besorgnis der Befangenheit begründendes wirtschaftliches Interesse des Richters am Ausgang des Verfahrens liegt nicht vor. Ein solches ist dann gegeben, soweit echte wirtschaftliche Belange des Richters auf dem Spiel stehen (vgl. BGH 113, 262/277; Baumbach/Hartmann ZPO 60. Aufl. § 42 Rn. 56). Allein die Tatsache, dass der Richter Aktionär der Antragsgegnerin ist, begründet danach nicht die Besorgnis der Befangenheit (vgl. RGZ 7, 311/312 f.). Auch ist die Zahl der von ihm zusammen mit seiner Frau gehaltenen Aktien nicht so groß, dass durch eine dem Begehren der Antragstellerin entsprechende Entscheidung so erhebliche Auswirkungen auf den Wert dieses Aktienbestandes zu erwarten wären, dass dies die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen würde (vgl. Stein-Jonas/Bork ZPO 21. Aufl. § 42 Rn. 5).

b) Das Verhalten des Richters im Rahmen der Hauptversammlung vom 18.2.1999 rechtfertigt ebenfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit. Es kann nicht dahin aufgefasst werden, dass er sich näher damit befasst oder gar festgelegt hätte, ob der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch berechtigt ist oder nicht. Der Richter hat sich mit der Vollmachtserteilung lediglich so verhalten, wie eine Vielzahl von Aktionären, die vorzeitig die Hauptversammlung verlassen. Insoweit ist es verbreitete Übung, eine Vollmacht zur Stimmabgabe entsprechend den Vorschlägen der Verwaltung zu unterzeichnen. Auch der Richter hat diese Vollmacht pauschal erteilt. Hinsichtlich des hier in Frage stehenden Punktes hat er weder während der Versammlung noch bei der Vollmachtserteilung ein besonderes Interesse oder Verhalten an den Tag gelegt. Die Vollmachtserteilung allein rechtfertigt deshalb nicht die Besorgnis, der Richter habe sich bezüglich des verfahrensgegenständlichen Anspruchs festgelegt (vgl.a. Zöller/Vollkommer ZPO 22. Aufl. § 42 Rn. 15). Selbst ein Richter, dessen Entscheidung aus formellen und/oder materiellen Gründen aufgehoben wurde, ist nach der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung grundsätzlich nicht gehindert, in dem Verfahren weiter tätig zu sein. Der Umstand allein, dass seine Entscheidung vom Rechtsmittelgericht nicht gebilligt wurde, rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit (vgl. OLG Karlsruhe OLGZ 1984, 102/104; Keidel/Zimmermann FGG 14. Aufl. § 6 Rn. 52). Gleiches gilt für Äußerungen eines Richters im Rahmen von Vergleichsverhandlungen zur Erfolgsaussicht eines Antrags (vgl. OLG Frankfurt 1977, 24/25; OLG Köln NJW 1971, 569; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 6 FGG Rn. 11; Keidel/Zimmermann aaO).

Ende der Entscheidung

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