Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.02.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 387/00
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 131 Abs. 2
KostO § 30 Abs. 1
Zur Frage der Höhe des Geschäftswertes eines Beschwerdeverfahrens in einer Erbscheinssache.
BayObLG Beschluss

LG Schweinfurt 11 T 253/00; AG Bad Kissingen VI 123/00

3Z BR 387/00

07.02.01

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Fuchs und Dr. Denk

am 7. Februar 2001

in der Kostensache

auf die Geschäftswertbeschwerde des Beteiligten zu 5

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Landgerichts Schweinfurt vom 12. September 2000 wird in Ziff. 2 des Beschlusstenors dahin abgeändert, dass der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 145000 DM festgesetzt wird.

Gründe:

I.

Der im Jahr 2000 verstorbene Erblasser hinterließ seine Ehefrau (Beteiligte zu 1), drei Kinder (Beteiligte zu 2 bis 4) und einen Bruder (Beteiligter zu 5). Am 1.10.1999 hatte der Erblasser zwei eigenhändige Testamente errichtet. In dem einen hatte er die Beteiligte zu 1 und seine Kinder, in dem anderen den Beteiligten zu 5 bedacht. Der Beteiligte zu 5 beantragte die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe.

Das Amtsgericht wies den Antrag des Beteiligten zu 5 zurück, wobei es ausführte, der Erblasser sei bei Errichtung der Testamente testierunfähig gewesen, und ordnete die Erteilung eines Erbscheins auf der Grundlage der gesetzlichen Erbfolge an.

Hiergegen legte der Beteiligte zu 5 Beschwerde ein. Das Landgericht wies durch Beschluss vom 12.9.2000 die Beschwerde zurück und setzte den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf 250448,03 DM fest.

Gegen die Festsetzung des Geschäftswerts im Beschwerdeverfahren wendet sich der Beteiligte zu 5 mit seiner Beschwerde. Der wesentliche Nachlassgegenstand, das Hausgrundstück, sei im Jahre 1992 von einem Architekten mit 215278 DM bewertet worden. Der Geschäftswert betrage daher allenfalls 190000 DM.

Das Landgericht hat der Geschäftswertbeschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die Geschäftswertbeschwerde ist zulässig.

Gegen die Entscheidung, durch die das Beschwerdegericht den Geschäftswert des bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahrens festsetzt, ist die zulassungsfreie, unbefristete Erstbeschwerde nach Maßgabe des § 14 Abs. 3 und 4 KostO gegeben (§ 31 Abs. 3 Satz 1 KostO). Zur Entscheidung ist das Bayerische Oberste Landesgericht zuständig (st. Rspr. Des Bayerischen Obersten Landesgerichts, vgl. BayObLGZ 1986, 489/490 m.w.N.).

Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 100 DM (§ 14 Abs. 3 Satz 1 KostO, § 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Der Unterschied in den vom Beteiligten zu 5 zu tragenden Gerichtsgebühren und Anwaltskosten aus dem angefochtenen und dem begehrten Geschäftswert (vgl. BayObLGZ 1959, 272) liegt über diesem Betrag.

2. Die Geschäftswertbeschwerde ist begründet. Der Wert des Beschwerdeverfahrens ist mit 145000 DM anzusetzen.

a) Gemäß § 131 Abs. 2 KostO richtet sich der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 30 KostO. In vermögensrechtlichen, Angelegenheiten, zu denen Nachlasssachen gehören, ist der Wert des Beschwerdegegenstands regelmäßig nach freiem Ermessen zu bestimmen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung vorhanden sind. Maßgebend ist grundsätzlich die Bedeutung des Rechtsmittels für den Rechtsmittelführer, insbesondere das damit verfolgte wirtschaftliche Interesse. Die in der Kostenordnung enthaltenen besonderen Vorschriften für die Festsetzung des Geschäftswerts im ersten Rechtszug können als Anhaltspunkt herangezogen werden. Als solcher dient im Erbscheinsverfahren insbesondere der Wert des Reinnachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls (§ 107 Abs. 2 Satz 1 KostO). Pflichtteilsansprüche sind als Nachlassverbindlichkeiten in Abzug zu bringen (vgl. zu allem BayObLGZ 1986, 489/491 f.).

Der Beteiligte zu 5 verfolgte mit seiner Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts das wirtschaftliche Ziel, unter Ausschaltung der gesetzlichen Erben als alleiniger Erbe festgestellt zu werden. Zwar wurde die Beschwerde nicht begründet. Ihr Rechtsschutzziel ist jedoch eindeutig erkennbar (Korintenberg/Lappe KostO 14. Aufl. § 14 Rn. 141), da der Beteiligte zu 5 zuvor erfolglos die Erteilung eines Erbscheins des genannten Inhalts beantragt hatte. Sein Interesse war daher auf den wirtschaftlichen Wert gerichtet, den er als Alleinerbe hätte erlangen können. Nach Abzug des Betrage der Pflichtteilsansprüche, denen er ausgesetzt gewesen wäre, entspricht dies 145000 DM, das ist die Hälfte des reinen Nachlasswertes.

b) Der Anteil von 19/20 am Hausgrundstück, der den wesentlichen Aktivbestand des Nachlasses darstellt, ist mit 290000 DM zu bewerten.

aa) Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 KostO ist der Wert einer Sache der gemeine Wert. Er entspricht, wie sich aus § 19 Abs. 1 Satz 2 KostO ergibt, dem Verkehrswert. Diese Grundsätze gelten auch für Grundstücke, soweit hinreichende Anhaltspunkte für die Bestimmung des Verkehrswerts vorhanden sind und dieser über dem Einheitswert liegt (§ 19 Abs. 2 Satz 1 KostO). Danach soll der Verkehrswert zugrunde gelegt werden, soweit das ohne unwirtschaftlichen Aufwand und unvertretbare Verzögerungen möglich ist. Jedenfalls soll das aus vorhandenen Anhaltspunkten gewonnene Ergebnis der Bewertung dem Verkehrswert möglichst nahe kommen (BayObLGZ 1979, 69/74; 2000, 189/191).

bb) Das Gesetz regelt nicht näher, nach welcher Bewertungsmethode der gemeine Wert (Verkehrswert) festzustellen ist. § 19 Abs. 1 Satz 2 KostO erläutert lediglich, dass er durch den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei der Veräußerung zu erzielenden Preis bestimmt wird. Die Frage, auf welche Unterlagen bei der Wertermittlung zurückzugreifen i st, regelt § 19 Abs. 2 Satz 1 KostO in der Weise, dass einige Inhaltspunkte für die Feststellung des Wertes von Grundbesitz aufgezählt, aber auch andere zugelassen werden ("oder aus sonstigen ausreichenden Anhaltepunkten"). Das Gericht hat seine Überzeugung vom zutreffenden Geschäftswert aus allen Anhaltspunkten zu bilden, die ihm ohne Beweisaufnahme zugänglich sind. In vielen Fällen stellen die Verwendung der Bodenrichtwerte und der Brandversicherungswert von Gebäuden eine brauchbare und mit dem Gesetz zu vereinbarende Art der Wertermittlung bei bebauten Grundstücken dar. Diese - vereinfachte - Sachwertmethode ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt (BayObLGZ 1972, 297/300 ff., 1976, 89 und 2000, 189/191; Korintenberg/Bengel KostO 14. Aufl. § 19 Rn. 52).

cc) Der Bodenwert, den der Nachlasspfleger und damit infolge seiner pauschalen Bezugnahme auf das Nachlassverzeichnis auch das Landgericht bei seiner Bewertung offensichtlich außer acht gelassen haben, beträgt danach rund 52000 DM (1161 qm zu 60 DM abzüglich 25 % Abschlag; vgl. BayObLGZ 1976, 89/90). Der Wert des 1948 errichteten Gebäudes beträgt unter Heranziehung der Werte aus dem Brandversicherungsschein vom 16.3.2000 (vgl. BayObLG aaO S. 91 ff.) rund 332000 DM (19900 DM + 6700 DM = 26600 DM x 12,487). Daraus ergäbe sich unter Berücksichtigung des Anteils des Erblassers an dem Grundstück (19/20) ein Gesamtwert von rund 365000 DM (vgl. auch die Stellungnahme des weiteren Beteiligten vom 10.1.2001 S. 3 oben). Der Nachlasspfleger hat bei seiner Schätzung einen Abschlag von 75000 DM für angemessen erachtet, wohl im Hinblick auf den schlechten Zustand des Gebäudes. Der Senat berücksichtigt diesen Anhaltspunkt für einen geringeren Verkehrswert, so dass sich ein Gesamtwert des Anteils von 290000 DM ergibt.

dd) Die vom Beteiligten zu 5 vorgelegte Ablichtung einer Kostenrechnung eines Architekten für die Erstellung eines Verkehrswertgutachtens vom 22.9.1992 vermag an dieser Bewertung nichts zu ändern. Zwar können Privatgutachten bezüglich des Wertes von Hausgrundstücken gegenüber der vereinfachten Sachwertmethode unter Umständen Berücksichtigung finden (vgl. BayObLGZ 2000, 189/192). Dazu ist jedoch erforderlich, dass das Gutachten von dem Beteiligten, der sich darauf beruft, vorgelegt wird (BayObLGZ 1993, 173/175). Dieser Mitwirkungspflicht ist der Beteiligte zu 5 nicht nachgekommen. Zu weiteren eigenen Ermittlungen sieht der Senat auch im Hinblick auf § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 KostO keinen Anlass. Diese Vorschrift will erreichen, dass die Wertermittlung nicht unnötig kompliziert wird, da die ermittelten werte lediglich der Bestimmung der Wertgebühren nach der Tabelle in der Anlage zu § 32 KostO dienen und die dort aufgeführten Gebühren im Verhältnis zu den Geschäftswerten maßvoll gehalten sind (vgl. BayObLGZ 2000, 189/193).

Die vorgelegte Ablichtung der Gebührenrechnung eines Architekten ist als solche nicht aussagekräftig bezüglich der bewerteten Umstände und der herangezogenen Bewertungsmethoden. Im übrigen erscheint es auch fraglich, ob das Gutachten, das im Jahr 1992 erstellt worden sein soll, für die Bewertung des Hausgrundstücks zum Zeitpunkt des Erbfalles hinreichend aussagekräftig wäre.

c) Zur Schätzung des Wertes des reinen Nachlasses im übrigen ist das Nachlassverzeichnis heranzuziehen, das der Nachlasspfleger zum 29.5.2000 erstellt hat (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 195 und 2000, 1053). Danach sind das übrige Grundvermögen mit rund 10000 DM, das sonstige Aktivvermögen mit rund 20000 DM und die Nachlassverbindlichkeiten mit rund 30000 DM anzusetzen. Somit ergibt sich der Wert des reinen Nachlasses von 290000 DM.

d) Vom Wert des reinen Nachlasses sind, was das Landgericht übersehen hat, die Pflichtteilsansprüche der gesetzlichen Erben abzuziehen, denen der Beteiligte zu 5 ausgesetzt gewesen wäre, wenn er Alleinerbe geworden wäre.

Dass die Beteiligte zu 1 darüber hinaus einen Anspruch auf Zugewinnausgleich gehabt hätte (§ 1371 Abs. 2 Halbsatz 1 AGB), ist nicht ersichtlich (vgl. BayObLGZ 1982, 20/28).

Die Pflichtteilsansprüche sind mit der Hälfte des reinen Nachlasswertes anzusetzen (§ 2303 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB), also mit 145000 DM.

3. Eine Kostenentscheidung ist nach § 31 Abs. 3 Satz 2 und 3 KostO nicht zu treffen.

Ende der Entscheidung

Zurück