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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.04.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 46/02
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 69 a Abs. 5
BGB § 1897
Die grundlose Ablehnung eines für einen Betroffenen bestellten und jahrelang tätigen Betreuers bindet das Gericht nicht.
Gründe:

I.

Für den Betroffenen ist seit 1998 für die Aufgabenkreise, Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten eine Vereinsbetreuerin bestellt; seit Februar 2000 besteht ein Einwilligungsvorbehalt im Bereich Vermögenssorge.

Das Amtsgericht wies den Antrag des Betroffenen, die Betreuung aufzuheben, am 22.5.2001 zurück. Gleichzeitig verlängerte es die Betreuung, hielt den Einwilligungsvorbehalt aufrecht und ordnete die sofortige Wirksamkeit an.

Die vom Betroffenen hiergegen eingelegten Rechtsmittel hat das Landgericht mit Beschluss vom 3.1.2002 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit seiner weiteren und sofortigen weiteren Beschwerde, für die er Prozesskostenhilfe beantragt.

II.

Die Rechtsmittel sind zulässig, aber nicht begründet. Soweit sich der Betroffene gegen die Aufrechterhaltung des Einwilligungsvorbehaltes wendet, liegt eine sofortige weitere Beschwerde (§§ 69g Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, 29 Abs. 2 FGG), soweit er sich gegen die Verlängerung der Betreuung wendet, liegt eine weitere Beschwerde vor (§§ 29 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 FGG).

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Diese ist innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung einzulegen (§§ 29 Abs. 4, 22 Abs. 1 Satz 1 und 2, 16 Abs. 2 Satz 1 FGG). Zwar hat der Betroffene die sofortige weitere Beschwerde erst am 21.2.2002 eingelegt, doch hatte wegen fehlender Zustellung die Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde noch nicht zu laufen begonnen (vgl. BayObLGZ 1999, 123; Bassenge u.a. FGG 9. Aufl. § 16 Rn. 12). Sachlich hat sie keinen Erfolg und führt nur zu einer Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung dahingehend, dass die vom Betroffenen eingelegte sofortige Erstbeschwerde als unzulässig zu verwerfen war. Gegen den ihm und seiner Betreuerin am 25.5.2001 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts hatte der Betroffene nämlich erst am 19.6.2001 sofortige Beschwerde eingelegt, also nach Ablauf der gesetzlichen Frist von zwei Wochen.

2. Die weitere Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache gleichfalls keinen Erfolg.

a) Das Landgericht hat seine Entscheidung insoweit folgendermaßen begründet:

Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Betreuung lägen auch zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch vor. Der Betroffene leide an einem organischen Psychosyndrom mit Wesensänderung bei Zustand nach chronischem Alkoholismus und Schädelhirntrauma. Dadurch sei es bei ihm zu Kritikminderung, Realitätsverkennung und Selbstüberschätzung gekommen, so dass er nicht mehr dazu in der Lage sei, Angelegenheiten, die ein ausreichendes Maß an Realitätsprüfung verlangten, zu erledigen, insbesondere Vermögens- und Wohnungsangelegenheiten. Im Bereich seiner Vermögensverhältnisse insgesamt bestehe Geschäftsunfähigkeit.

Gründe für eine Entlassung der Betreuerin lägen nicht vor. Zwar lehne der Betroffene die bestellte Betreuerin ab und wünsche sich einen älteren männlichen Betreuer, doch habe er einen früher bestellten männlichen Betreuer gleichfalls abgelehnt. Vielmehr bestehe der Verdacht, dass der Betroffene wegen seiner fehlenden Einsicht in die Betreuung jeden Betreuer ablehne. Eignungsmängel lägen bei der Betreuerin nicht vor.

b) Diese Ausführungen halten im wesentlichen der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Zu Recht hat das Landgericht die Verlängerung der Betreuung für die Aufgabenkreise Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten gebilligt. Das Landgericht hat insoweit den entscheidungserheblichen Sachverhalt verfahrensfehlerfrei festgestellt und ohne Rechtsfehler gewürdigt.

aa) Das Landgericht hat den Sachverhalt insbesondere ohne Verstoß gegen das rechtliche Gehör des Betroffenen festgestellt. Die persönliche Anhörung des Betroffenen durch die hierzu beauftragte Richterin ist nicht zu beanstanden; die Anhörung durch die volle Kammer war nicht erforderlich.

Für das Beschwerdeverfahren gelten die Verfahrensvorschriften für den ersten Rechtszug entsprechend (§ 69g Abs. 5 Satz 1 FGG). Vor der Bestellung eines Betreuers hat demnach das Gericht den Betroffenen persönlich anzuhören und sich einen unmittelbaren Eindruck von ihm zu verschaffen (§ 68 Abs. 1 Satz 1 FGG). Diese Verfahrenshandlungen dürfen nur dann durch einen beauftragten Richter vorgenommen werden, wenn von vornherein anzunehmen ist, dass das Beschwerdegericht das Ergebnis der Ermittlungen auch ohne eigenen Eindruck von dem Betroffenen zu würdigen vermag (vgl. § 69g Abs. 5 Satz 2 FGG); unzulässig ist die Anhörung durch den beauftragten Richter, wenn die persönliche Anhörung auch dazu dienen soll, den übrigen Kammermitgliedern den persönlichen Eindruck von dem Betroffenen zu vermitteln (vgl. BayObLG FamRZ 1997, 900/901). Gänzlich absehen kann das Beschwerdegericht von diesen Verfahrenshandlungen nur dann, wenn diese bereits im ersten Rechts-Zug vorgenommen worden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (vgl. § 69g Abs. 5 Satz 3 FGG). Überträgt das Landgericht die Anhörung einem beauftragten Richter, muss dies entweder in der Übertragungsentscheidung oder in der Entscheidung zur Hauptsache begründet werden (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 118/119; Thüringer OLG FamRZ 2001, 714/715).

Diese Grundsätze hat das Landgericht beachtet. Die persönliche Anhörung des Betroffenen diente in erster Linie dazu, die sachverständigen Feststellungen des Nervenarztes zum psychischen Zustand des Betroffenen zu überprüfen und etwaige Wünsche und Vorstellungen des Betroffenen zur Person des Betreuers zu erfahren. Zur Würdigung des Anhörungsergebnisses in dieser Hinsicht war die Verschaffung des unmittelbaren persönlichen Eindrucks der Kammer von dem Betroffenen nicht erforderlich. In Anbetracht dessen, dass die Anhörung nur drei Monate nach der Anhörung durch den Amtsrichter stattgefunden hat und der Betroffene nicht nur vor dem Amtsgericht, sondern auch vor der beauftragten Richterin ausreichend Zeit und Gelegenheit hatte, seine Sicht des Sachverhalts darzulegen, ist auch ansonsten eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör nicht ersichtlich.

bb) Die Feststellungen der Kammer tragen die Aufrechterhaltung der Betreuung, da deren Voraussetzungen nicht weggefallen, sondern weiterhin gegeben sind (§ 1908d Abs. 1 Satz 1, § 1896 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BGB; vgl. BayObLGZ 1994, 209/211 f.). Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, also ohne Antrag des Betroffenen und gegen seinen Willen, setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (vgl. BayObLG FamRZ 2000, 189). Diese Grundsätze gelten nicht nur bei der ersten Betreuerbestellung, sondern auch dann, wenn über die Aufrechterhaltung oder Verlängerung einer Betreuerbestellung entschieden wird (vgl. § 1908d Abs. 1 Satz 1 BGB, § 69i Abs. 6 Satz 1, § 69 Abs. 1 Nr. 5 FGG; BayObLG NJWE-FER 2001, 234; OLG Hamm FGPrax 2000, 196; Palandt/Diederichsen BGB 61. Aufl. § 1896 Rn. 24), da bei diesen Entscheidungen überprüft wird, ob die Voraussetzungen für die Anordnung einer Betreuung nach wie vor gegeben sind.

Nach den den Senat bindenden Feststellungen des Landgerichts steht fest, dass der Betroffene an einem organischen Psychosyndrom mit Wesensänderung bei zustand nach chronischem Alkoholismus und Schädelhirntrauma leidet und er deshalb seine Vermögens- und Wohnungsangelegenheiten nicht selbständig erledigen kann; für den Bereich der Vermögenssorge besteht Geschäftsunfähigkeit. Die Würdigung des Landgerichts, dass unter diesen Umständen für die Aufgabenkreise Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten die Betreuung bestehen bleiben und verlängert werden soll, ist nicht zu beanstanden. Der Betroffene ist wegen seiner eingeschränkten Kritikfähigkeit zu einer vernünftigen Regelung seiner finanziellen Angelegenheiten einschließlich der Verbesserung seiner Wohnsituation nicht in der Läge.

c) Die erneute Bestellung der bereits bisher bestellten Vereinsbetreuerin ist im Ergebnis gleichfalls nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat auch insoweit den Sachverhalt verfahrensfehlerfrei festgestellt, diesen allerdings nicht in allen Punkten rechtlich zutreffend gewürdigt.

aa) Gegenstand des mit der Erstbeschwerde angefochtenen Beschlusses des Amtsgerichts ist nicht die Entlassung eines Betreuers bei Fortbestehen der Betreuung, sondern die Verlängerung der Betreuung bei erneuter Bestellung der bisherigen Betreuerin. Die bisherige Betreuerbestellung endete mit der Bekanntmachung des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 22.5.2001, da in diesem die sofortige Wirksamkeit der Betreuerverlängerung angeordnet wurde. Bei einer solchen Entscheidung über die Verlängerung der Betreuung sind hinsichtlich der Auswahl des Betreuers die Vorschriften über die Neubestellung, somit § 1897 BGB, und nicht diejenigen über die Entlassung (§ 1908b BGB) anzuwenden (vgl. BayObLG NJWE-FER 2001, 234 m.w.N.; OLG Hamm FGPrax 2000, 196; OLG Zweibrücken BtPrax 2002, 87). Das gilt auch dann, wenn das Amtsgericht auf einen Aufhebungsantrag des Betroffenen hin die Betreuung mit sofortiger Wirksamkeitsanordnung verlängert. Zwar fehlt im Beschluss des Amtsgerichts die ausdrückliche Bestellung eines Betreuers, doch ergibt sich aus der Tenorierung der Betreuungsverlängerung, der Aufführung der bisherigen Betreuerin im Rubrum und der Bekanntmachung des Beschlusses an die bisherige Betreuerin, dass diese auch neu bestellt werden sollte. Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung die Vorschriften über die Entlassung eines Betreuers statt über die Neubestellung herangezogen, doch wirkt sich dies im Ergebnis nicht aus, weil auch bei Anwendung der Vorschriften über die Neubestellung die Bestellung der Vereinsbetreuerin nicht zu beanstanden ist.

bb) Bei der Bestellung eines Betreuers hat das Vormundschaftsgericht grundsätzlich dem Wunsch des Betroffenen nach einem bestimmten Betreuer zu entsprechen (vgl. § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB), es sei denn, dass dies dem Wohl des Betroffenen nicht entspricht. Schlägt der Betroffene vor, eine bestimmte Person nicht zu bestellen, so soll auch hierauf Rücksicht genommen werden (vgl. § 1897 Abs. 4 Satz 2 BGB). Eine Bindung des Gerichts an den Widerspruch des Betroffenen besteht insoweit aber nicht; doch ist er bei der Entscheidung zu berücksichtigen, um das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Betreuer und Betroffenem sicherzustellen (vgl. BT Drucksache 11/4528 S. 127 f.; Palandt/Diederichsen § 1897 Rn. 21; Jürgens BtR 2. Aufl. § 1897 BGB Rn. 18). Vorrangig soll nach § 1897 Abs. 1 BGB eine natürliche Person bestellt werden, die die Betreuung ehrenamtlich führt. Bei seiner Anhörung vor dem Landgericht hat der Betroffene sich gegen die Vereinsbetreuerin ausgesprochen, weil diese zu jung sei, und einen Bekannten erwähnt, der ihm immer helfen könne. Dieser Bekannte ist zur Übernahme der Betreuung nicht bereit. Ein anderer ehrenamtlicher Betreuer ist nicht greifbar, so dass gegen die Bestellung einer Vereinsbetreuerin nichts einzuwenden ist. An der Eignung der bisherigen Betreuerin bestehen keine Zweifel, da sie die Betreuung über Jahre hinweg korrekt geführt hat. Die bisherige fehlerfreie Führung der Betreuung im Zusammenhang mit der dadurch erworbenen Sachkenntnis und ihrer Erfahrung im Umgang mit dem Betroffenen sind gewichtige Gründe, - die Vorrang vor dem Wunsch des Betroffenen nach einem anderen Betreuer haben, zumal der Betroffene vernünftige Gründe für seine Vorbehalte gegen die Vereinsbetreuerin nicht vorgetragen hat.

3. Dem Betroffenen konnte wegen der fehlenden Erfolgsaussichten seiner Rechtsmittel keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden (vgl. § 14 FGG; § 114 ZPO).

Ende der Entscheidung

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