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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.03.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 5/01
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1792
BGB § 1897
BGB § 1908c
BGB § 1908i
FGG § 12
FGG § 68
FGG § 69g
Die Betroffene muß regelmäßig nicht persönlich angehört werden, wenn eine Gegenbetreuerin bestellt werden soll.
BayObLG Beschluss

LG München 1 - 13 T 16848/00; AG München 701 XVII 262/93

3Z BR 5/01

26.03.01

Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau sowie der Richter Dr. Nitsche und Fuchs am 26. März 2001

in der Betreuungssache

auf die weiteren Beschwerden der Betreuerin zu 1 und des Beteiligten zu 2

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die weitere Beschwerde der Betreuerin zu 1 wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 27. November 2000 insoweit aufgehoben, als das Landgericht den Betreuer zu 2 zum Gegenbetreuer bestellt hat..

II. Auf die weiteren Beschwerden des Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 16. November 2000 insoweit aufgehoben, als das Landgericht die Betreuerin zu 3 als Betreuerin für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge und Abrechnung bestellt hat.

III. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

IV. Im übrigen werden die weiteren Beschwerden verworfen.

Gründe

I.

Die sehr vermögende Betroffene leidet an einer psychischen Erkrankung mit katatonischer Symptomatik. Sie wird in einem für sie erworbenen Haus aufgrund eines Pflegevertrages gegen erhebliches Entgelt von einer Pflegerin in deren Familie umfassend versorgt.

Mit Beschluss vom 16.9.1993 bestellte das Amtsgericht für die Betroffene deren Mutter (Betreuerin zu 1) als Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge sowie den Beteiligten zu 2 zum Betreuer mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung und Zuführung zur ärztlichen Behandlung, Regelung aller therapeutischen Maßnahmen und deren Abrechnung bzw. Kontrolle und Bezahlung. Als Zeitpunkt, zu dem spätestens über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung zu entscheiden sein sollte, bestimmte es den 15.9.1998. Am 4.8.2000 bestellte das Amtsgericht wiederum die Mutter der Betroffenen zur Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge und als Gegenbetreuer für diesen Aufgabenkreis den Beteiligten zu 1. Zu weiteren Betreuern wurden die Beteiligten zu 1 und 2, jeweils für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge und Abrechnung der hier bestimmten Maßnahmen, bestellt.

Auf die Beschwerde, mit der sich die Betroffene gegen die Auswahl des Beteiligten zu 1 als Gegenbetreuer sowie die Auswahl der Beteiligten zu 1 und 2 als Betreuer wandte, hat das Landgericht die Bestellung des Beteiligten zu 1 zum Gegenbetreuer und die Bestellung der Beteiligten zu 1 und 2 zu Betreuern aufgehoben. Zum Gegenbetreuer für den Aufgabenkreis Vermögenssorge hat es den Betreuer zu 2, als Betreuerin für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge und Abrechnung der hier bestimmten Maßnahmen die Betreuerin zu 3 bestellt.

Dagegen wenden sich die Betreuerin zu 1 mit dem Antrag, die Anordnung der Gegenbetreuung aufzuheben, hilfsweise die Bestellung des Beteiligten zu 1 als Gegenbetreuer wiederherzustellen, und der Beteiligte zu 2 mit dem Antrag, die Entscheidung des Landgerichts aufzuheben, ihn selbst als Betreuer mit dem Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge und Abrechnung der hier bestimmten Maßnahmen zu bestellen, die Gegenbetreuung aufzuheben und für den Bereich der Vermögenssorge einen Einwilligungsvorbehalt für Rechtsgeschäfte ab 3000 DM anzuordnen.

II.

1. Die weitere Beschwerde der Betreuerin zu 1 ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Anordnung der Gegenbetreuung wendet. Mit ihrer Beschwerde hatte die Betroffene nicht die Anordnung der Gegenbetreuung, sondern lediglich die Auswahlentscheidung des Vormundschaftsgerichts angegriffen. Dies war zulässig (BayObLGZ 1995, 220). Das Landgericht hat deshalb - zu Recht - lediglich über die Auswahl des Gegenbetreuers entschieden. Da somit eine Entscheidung des Landgerichts hinsichtlich der Anordnung der Gegenbetreuung nicht vorliegt, ist die weitere Beschwerde nicht statthaft (Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 8).

Die weitere Beschwerde gegen die Auswahlentscheidung ist statthaft. Die Beschwerdeberechtigung folgt aus § 29 Abs. 4 i.V.m. § 20 Abs. 1 FGG (Bienwald Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1896 Rn. 275). Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht nicht entgegen, dass die Betreuerin zu 1 gegen die Entscheidung des Erstgerichts keine Beschwerde eingelegt hat (BayObLG FamRZ 1990, 563; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 27 FGG Rn. 8).

Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist zulässig, soweit er sich gegen die Bestellung der Betreuerin zu 3 an seiner Statt wendet. Im übrigen ist sie unzulässig, da der Beteiligte zu 2 durch die Bestellung eines Gegenbetreuers nicht in seinen Rechten (§ 20 Abs. 1 FGG) beeinträchtigt ist bzw. soweit die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts betroffen ist, eine Entscheidung des Landgerichts nicht vorliegt.

2. Das Landgericht hat ausgeführt, das Rechtsmittel der Betroffenen richte sich nur gegen die Auswahl des Gegenbetreuers sowie die Auswahl der weiteren Betreuer für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge und Abrechnung der hier bestimmten Maßnahmen. Die Betreuerauswahl widerspreche dem Vorschlag der Betroffenen, ohne dass sich eine konkrete Gefährdung des Wohls der Betroffenen feststellen lasse. Die Betroffene habe sich für die genannte Person ausgesprochen. Sie habe ein reges Interesse an ihrem Betreuungsverfahren entwickelt und selbst zur Betreuung bereite Personen ermittelt. Die Kammer vermöge jedoch insgesamt nicht auszuschließen, dass die Betroffene dem relevanten Einfluss Dritter ausgesetzt sei. Es habe sich deutlich gezeigt, dass sich die Wünsche der Betroffenen auffällig der jeweiligen Umgebung anpassten. Es sei auch nicht ganz bedenkenfrei, dass die Betroffene zur Anhörung beim Amtsgericht regelmäßig nur in Begleitung ihrer Pflegerin erscheine, da sich jedenfalls der Anschein einer Einflussnahme nach Aktenlage nicht von der Hand weisen lasse. ob der Einfluss der Pflegefamilie bei der Betreuerwahl negativ zu Buche schlage, könne aber offen bleiben. Denn bei der Prüfung nach § 1897 Abs. 4 BGB müsse eine Abwägung ergeben, dass die Bestellung der vorgeschlagenen Betreuer dem Wohle der Betroffenen zuwiderliefe. Dies sei nicht der Fall. Die Befürchtung, dass die vorgeschlagenen Personen dem Wohle der Betroffenen zuwiderhandelten, sei zwar verständlich. Objektive Anhaltspunkte hierfür lägen aber nicht vor.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.

a) Die Auswahlentscheidung hinsichtlich der Person des Gegenbetreuers ist nicht frei von Rechtsfehlern. Zwar ist § 1897 Abs. 4 BGB auch bei der Auswahl des Gegenbetreuers zu beachten (MünchKomm/Schwab BGB 3. Aufl. § 1908i Rn. 10). Die Feststellung des Willens der Betroffenen durch das Landgericht ist aber nicht verfahrensfehlerfrei. Das Landgericht hätte die Betroffene persönlich anhören müssen. Zwar ist eine persönliche Anhörung der Betroffenen bei der Bestellung eines Gegenbetreuers in der Regel nicht erforderlich. Dies folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 69i Abs. 5 FGG (BayObLG FamRZ 1994, 325;.Damrau/Zimmermann BtG § 1908i BGB Rn. 3; MünchKomm/Schwab § 1908i Rn. 10). Die persönliche Anhörung war hier aber aufgrund der Aufklärungspflicht (§ 12 FGG) geboten. Zwar hatte sich die Betroffene für den Betreuer zu 2 als Gegenbetreuer ausgesprochen. Die entscheidende Frage ist hier aber, ob die Auswahl der Betroffenen ihrem wirklichen Willen entsprach. Das Amtsgericht ist nach persönlicher Anhörung der Betroffenen davon nicht ausgegangen. Das Landgericht selbst hat Zweifel erkennen lassen, ob der von der Betroffenen geäußerte Wille ihrem wirklichen Willen entsprach, sich aber durch den in ihrer Beschwerde geäußerten Wunsch der Betroffenen gemäß § 1897 Abs. 4 BGB gebunden gesehen. Bei dieser Sachlage wäre eine persönliche Anhörung der Betroffenen erforderlich gewesen. Nur dadurch hätte geklärt werden können, ob der geäußerte Wunsch ihrem wirklichen Willen entsprach. Die Erklärung des Verfahrensbevollmächtigten im Beschwerdeschriftsatz ersetzt die mündliche Anhörung nicht (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 1203).

b) Die Auswahlentscheidung hinsichtlich der Betreuerin zu 3 ist ebenfalls nicht frei von Verfahrensfehlern.

aa) Auch insoweit hätte das Landgericht die Betroffene persönlich anhören müssen.

(1) Für das Verlängerungsverfahren gelten die verfahrensrechtlichen Vorschriften des Bestellungsverfahrens (§ 69i Abs. 6 Satz 1 FGG). § 69i Abs. 8 FGG kommt nicht zur Anwendung, da die Voraussetzungen des § 1908c BGB nicht vorliegen. § 1908c BGB regelt die Neubestellung eines Betreuers nach Entlassung des bisherigen Betreuers. Hier geht es aber nicht um die Bestellung nach Entlassung, sondern um die erstmalige Bestellung bzw. Verlängerung, die wie eine Erstbestellung zu behandeln ist.

(2) Die Pflicht zur mündlichen Anhörung folgt aus § 68 Abs. 1 Satz 1 FGG. Die Bestimmung gilt für das Beschwerdeverfahren entsprechend (§ 69g Abs. 5 Satz 1 FGG). Von der Anhörung konnte auch nicht ausnahmsweise nach § 69g Abs. 5 Satz 3 FGG abgesehen werden. Das Vormundschaftsgericht hat nach persönlicher Anhörung der Betroffenen die Beteiligten zu 1 und 2 zu Betreuern für die Gesundheitsfürsorge bestellt, obwohl die Betroffene einen anders lautenden Wunsch geäußert hätte. Die Sitzungsniederschrift gibt den persönlichen Eindruck des Vormundschaftsgerichts von der Betroffenen nicht wieder, insbesondere nicht, ob das Gericht die Äußerung der Betroffenen für deren eigenständigen Wunsch hielt. Wenn das Landgericht von der Entscheidung des Vormundschaftsgerichts abweichen wollte, musste es deshalb seinerseits die Betroffene persönlich anhören. Zumindest hätte das Landgericht die maßgebenden Gründe dafür darlegen müssen, die die Annahme rechtfertigen, dass eine Anhörung für die zu treffende Entscheidung keinerlei verwertbare Erkenntnisse hätte erbringen können (OLG Celle Nds.Rpfl. 1995, 353; Keidel/Kayser FGG 14. Aufl. § 69g Rn. 15). Die Anhörung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil das Landgericht der Beschwerde der Betroffenen stattgegeben hat. Bestellt das Landgericht auf die Beschwerde der Betroffenen gegen die Bestellung eines Betreuers eine andere Person zum Betreuer, so muss es die Betroffene zur Person des neuen Betreuers in der Regel persönlich anhören (BayObLG BtPrax 1995, 105). Die persönliche Anhörung ist auch dann erforderlich, wenn die Betroffene durch einen Verfahrensbevollmächtigten vertreten ist (BayObLG FamRZ 1994, 1203).

c) Die Unterlassung der gebotenen persönlichen Anhörung führt in beiden Fällen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache. Es lässt sich nicht ausschließen (BayObLGZ 1980, 23/25; Keidel/Kahl § 27 Rn. 18), dass das Landgericht bei persönlicher Anhörung der Betroffenen jeweils zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre.

Der Senat weist auf folgendes hin:

Sollte das weitere Verfahren ergeben, dass die Bestellung der Betreuer zu 2 und 3 nicht dem eigenständigen Willen der Betroffenen entspricht, so hat die Auswahlentscheidung nach § 1897 Abs. 1 BGB zu erfolgen. Zu berücksichtigen wäre dabei, dass die Bestellung der Betreuer zu 2 und 3 möglicherweise nicht den Interessen der Betroffenen dient. Zumindest die Bestellung der Betreuerin zu 3, einer Arbeitskollegin des Ehemannes der Pflegerin, kann zu Interessenkollisionen führen. Die Betroffene wird von ihrer Pflegefamilie umfassend betreut. Die Pflegefamilie bestimmt weitgehend den Umfang der Pflege und damit auch ihre Einkommensmöglichkeiten aus dieser Pflege. Es spricht einiges dafür, den Umfang der Pflegeleistungen und die damit verbundene Einkommensmöglichkeit der Pflegefamilie nicht durch eine Person aus dem Umkreis der Pflegefamilie kontrollieren zu lassen, damit von vornherein das Risiko einer nicht objektiven Kontrolle ausgeschlossen wird.

Ende der Entscheidung

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